Lkw laden und Stromvertrag mitbringen – Bund geht bei Ausschreibung neue Wege

Der Bund will beim Lkw-Laden neue Wege gehen – und einem möglichen Marktchaos wie beim E-Auto vorbeugen. Die ersten Infos zur Ausschreibung des initialen Lkw-Ladenetzes an Autobahn-Parkplätzen wurden jetzt veröffentlicht. Logistiker können demnach ihren Stromvertrag mitbringen – ein Novum.

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© NOW GmbH / Urheber: Tom Hemmerich

Der Bund hat im Rahmen einer umfassenden Informationsveranstaltung über die Ausschreibung der ersten Lkw-Ladestationen an unbewirtschafteten Autobahn-Rastplätzen informiert. Dabei wurde deutlich, dass sich die verantwortlichen Player von NOW über Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur bis Autobahn GmbH nicht auf die Kräfte des Marktes verlassen wollen. Neben dem Ad-Hoc-Bezahlen oder dem Freischalten der Lkw-Ladestation per Roaming-Ladekarte sollen Lkw-Fahrer auch den Stromliefervertrag ihrer Spedition nutzen können. Das wäre eine kleine Revolution auf dem Ladeinfrastruktur-Markt! Denn bei den Ladesäulen für Elektroautos ist ein solches Durchleitungsmodell bisher nicht möglich – was derzeit zu hohen Roamingpreisen und viel Frust bei E-Auto-Fahrenden führt. Anbieter wie Lichtblick haben das Prinzip oft gefordert – jedoch erfolglos.

„Das ist ein Novum und wird sicherlich für Wirbel sorgen“, gab Johannes Pallsch, Chef der zuständigen Nationalen Leistelle Ladeinfrastruktur, in einem Hintergrundgespräch denn auch unumwunden zu. „Wir wollen nicht sehen, dass man künstlich etwas teurer macht, um Wettbewerb zu reduzieren.“ Deshalb soll es beim geförderten Truck-Charging an den bundeseigenen Autobahn-Parkplätzen ein neuartiges Wettbewerbsmodell mit drei Möglichkeiten geben:

  • Ad-hoc-Laden direkt an der Lkw-Ladestation
  • Vertragsbasiertes EMP-Laden (per Ladekarte oder App)
  • Durchleitungsmodell (Kunde bringt Stromlieferant mit)

Möglich werden soll das durch ein Infrastrukturentgelt, das bei allen drei Ladeformen in gleicher Höhe Teil des Ladepreises werden wird. Warum diese Komplexität? „Die Trucks sind darauf angewiesen, dass sie laden können an der Autobahn – fair und wettgewerblich“, erklärt Johannes Pallasch. „Die alte Logik, dass es an der Autobahn nun mal teuer ist, kann hier nicht die Losung sein.“ Soll wohl (salopp gesagt) heißen: Wenn ein E-Truck mit leerem Akku und/oder ein Fahrer am Ende der Lenkzeit am Parkplatz mit entsprechender Ladestation ankommt, soll er nicht mit hohen Preisen abgezockt werden können.

Kommen wir kurz zu den Kennzahlen der ersten Ausschreibung für das Lkw-Laden. Es geht hierbei nicht um das Gesamtnetz, sondern zunächst nur um das Truck Charging an 130 unbewirtschafteten Rastanlagen in Bundeseigentum – also grob ein Drittel der ingesamt 350 Ladestandorte des geplanten Lkw-Ladenetzes. Die 220 bewirtschafteten Rastanlagen des Bundes können derzeit nicht ausgeschrieben werden, weil das Verfahren von Tesla/Fastned gegen die Autobahn GmbH vorm Europäischen Gerichtshof noch nicht entschieden ist.

Der Aufbau an den 130 Parkplätzen soll ähnlich wie beim Deutschlandnetz für Pkw in fünf Losen mit jeweils rund 25 Standorten erfolgen – allerdings überlappen sich diese. Dadurch will der Bund mögliche Ausfallrisiken bei den finalen Betreibern minimieren, eine ausgewogene Anzahl an Standorten und Ladepunkten je Los sowie auch eine räumliche Verteilung sicherstellen. Zudem sollen Synergien gehoben werden, indem gegenüberliegende Standorte im gleichen Los sind.

Kommen wir zur Technik: An den Lkw-Ladeparks soll eine Mischung aus CCS- und MCS-Ladepunkten entstehen. An beide Technologien werden Vorgaben gestellt. Die wichtigste: Beim (nicht final zertifizierten) Megawatt Charging System wird eine Dispenser-Lösung gewünscht! Die Leistungseinheiten sollen sich also im Hintergrund der Ladeparks befinden, wohl um wertvolle Flächen auf den Parkplätzen sparen und möglichst dicht bauen zu können.

Anforderungen an CCS-Ladepunkte:

  • Zum Zwischenladen: Nennladeleistung mind. 400 kW (800 V / 500 A)
  • Zum Übernachtladen: Nennladeleistung mind. 100 kW (800 V / 125 A)
  • Spannungsbereich mindestens 200 V bis 920 V
  • Energieeffizienz bei Nennlast: mindestens 95%

Anforderungen an MCS-Ladepunkte:

  • Schnelles Zwischenladen in 45-minütiger Lenkzeitunterbrechung
  • Nennladeleistung mind. 1 MW (800 V / 1250 A)
  • Mindestladeleistung 800 kW (geteilte Leistungseinheiten)
  • Spannungsbereich mind. 500 V bis 1000 V

Kommen wir am Ende noch auf die Zeitachse zu sprechen. Und hier wird es reichlich unscharf beim Deutschlandnetz für Lkw. Denn am Ende kann ein Ladepark erst funktionieren, wenn der Netzanschluss realisiert ist. Hier ist der Bund vor ein paar Wochen bereits in Vorleistung gegangen – und bestellt diese Anschlüsse für die Autobahn-Parkplätze selbst. Die Realisierung ist dennoch ungewiss, weshalb Johannes Pallasch für „innovative Netzanschlusslösungen“ plädiert. Gemeint sind damit nicht nur Pufferbatterien, sondern auch flexible Leistungsbereitstellungsoptionen, die auch mal kleine Ausnahmen erlauben. Auch könne das Lkw-Ladenetz einen „weiteren Erneuerbaren-Ausbau in der Nähe der Standorte auslösen“, hofft der Experte.

Doch zurück zur Glaskugel: Es deutet sich an, dass die finale Ausschreibung noch in diesem Jahr fertig sein könnte. Nach der heutigen Informationsveranstaltung soll das Feedback aus dem Markt berücksichtigt werden. Die Zuschläge für die entsprechenden Lose könnten dann im kommenden Jahr erfolgen. Das würde bedeuten, dass vor 2026 nicht gebaut werden kann. Die Erfahrung aus dem Deutschlandnetz für E-Autos zeigt: Am Ende dauert alles länger als gedacht. Dass es beim Truck anders wird, wäre eine Überraschung. Deshalb ließ sich Johannes Pallasch auf Nachfrage von electrive auch keinerlei konkretes Datum entlocken – weder für den ersten Standort an einem der 130 unbewirtschafteten Parkplätze, noch für die Flächendeckung. Auch das ist wohl ein Learning aus dem Deutschlandnetz, bei dem keines der Zeit-Versprechen eingelöst werden konnte.

In den Fokus rückte Pallasch lieber die weitere Entwicklung: „Wir müssen sicherstellen, dass es beim Hochlauf keinen Strömungsabriss gibt.“ Wenn also die ersten Ladestationen für Lkw stehen, soll der Ausbau parallel zur Lkw-Flotte möglichst zügig erfolgen. Auch zu den möglichen Kosten für den Bund hielt man sich bedeckt. Die stehen streng genommen erst nach Jahren fest. Denn der Bund finanziert neben den Netzanschlüssen auch die Installation und den Betrieb, nimmt aber umgekehrt auch Geld ein. Abgerechnet wird also erst am Schluss.

nationale-leitstelle.de/nutzfahrzeuge, youtube.com (Aufzeichnung Infoevent)

1 Kommentar

zu „Lkw laden und Stromvertrag mitbringen – Bund geht bei Ausschreibung neue Wege“
Jensen
16.07.2024 um 17:21
Wenn die Spediteure dort tatsächlich ihren eigenen Stromvertrag nutzen könnten, wäre das ein phantastisches Zeichen und eine tolle Option auf der Langstrecke. Diese Möglichkeit sollte dann auch schnellstens auf die vorhandene Ladeinfrastruktur ausgeweitet und somit allen BEV‘s zu Gute kommen. Selbstverständlich wird eine Art Infrastrukturabgabe aufgeschlagen werden müssen, aber sicher unterm Strich zu deutlich fallenden Preisen führen. Spannend.

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