man e lkw electric truck rittal ladestation charging station nefton 2024 05 min
Bild: TUM
InterviewInfrastruktur

NEFTON-Projekt: Ladekabel rein, Megawatt marsch

Die Spannung steigt im wahrsten Sinne des Wortes: Das NEFTON-Konsortium wird morgen einen MAN eTruck mit über einem Megawatt laden. Auf diese Demonstration hat das 2021 gegründete Projektteam lange hingearbeitet. Wir haben mit NEFTON-Projektleiter Maximilian Zähringer über Gegenwart und Zukunft des Lkw-Ladens gesprochen.

Das NEFTON-Projekt widmet sich seit 2021 verschiedenen Ladeszenarien für schwere E-Lkw auf Basis des Megawatt Charging Systems (MCS). Dabei nimmt das Konsortium um die TU München Ladeleistungen von bis zu drei Megawatt in den Fokus. Die Abkürzung NEFTON steht dabei für „Nutzfahrzeugelektrifizierung für Transportsektor-optimierte Netzanbindung“. Simpler ausgedrückt, fahnden die Initiatoren nach Lösungen, wie die Truck-Batterie an der Ladesäule möglichst schnell wieder voll wird.

Neben der Münchner Universität sind an NEFTON die Partner MAN Truck & Bus, AVL Software and Functions, Prettl Electronics, die Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. und die Technische Hochschule Deggendorf beteiligt. Gefördert wird das Projekt vom Bundeswirtschaftsministerium.

Wir haben mit Max Zähringer von der TU München darüber gesprochen, wie sein Team die Ladelösung vom weißen Papier weg konzipiert hat, ob er sich manchmal von der fulminanten Marktdynamik eingeholt fühlt und welche Rolle die Forschung bei der Antriebswende spielt. Die morgige Demo ist seinen Worten zufolge ein aufregendes Ereignis: „1.000 kW sind einfach keine Routine.“

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Herr Zähringer, am 19. Juli demonstrieren Sie und Ihre NEFTON-Projektpartner einen Ladevorgang mit über 1.000 kW am MAN eTruck. Wie oft haben Sie das vorher geprobt?

Wir haben die Zeit maximal genutzt und wirklich bis knapp vor dem Event gearbeitet. An unsere Forschungsladesäule kommen sehr viele Akteure und auch Fachbereiche zusammen. Die Leistungselektronik muss funktionieren, die Kommunikation mit diesen und auch die Kommunikation mit dem Fahrzeug. Das Fahrzeug muss für 1.500 Ampere Ladestrom bereit sein. Da gibt es viele Herausforderungen, daher sind wir umso stolzer, schon zwei bis drei erfolgreiche Ladevorgänge getestet zu haben.

Also ist bei der Demonstration morgen ein bisschen Nervosität dabei?

Nervosität ist immer dabei, 1.000 kW sind einfach keine Routine. Wir haben uns sehr gut auf den morgigen Tag vorbereitet, und sind bereit, öffentlich zu zeigen, was wir als Konsortium entwickelt und geleistet haben. Es ist doch etwas anderes, vor hochrangigen Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik 1.000 kW zu demonstrieren, als unter Laborbedingungen es so oft zu wiederholen, bis es klappt.

Apropos Konsortium: Andere Megawattlader-Kooperationen in Deutschland finden teils nur im Tandem zwischen Truck- und Ladegeräte-Herstellern statt, warum sind Sie mit Ihren Partnern bei NEFTON den Weg eines Konsortiums gegangen?

Vor drei Jahren sind wir mit dem Projekt gestartet. Das heißt auch, dass wir uns vor knapp vier Jahren die Gedanken dazu gemacht haben. Damals war Megawattladen absolutes Neuland, kein Ladesäulenhersteller war bereit dafür. Jedoch hatten wir das Glück, Partner zu finden, die zusammen eine der ersten Megawattladesäulen entwickeln konnten. Uns macht es auch stolz, vom weißen Blatt Papier aus Lösungen entwickelt zu haben, die wir morgen demonstrieren können, denn das ist Forschung.

Sie erwähnten gerade, dass das Projekt vor drei Jahren startete – also 2021. Seitdem ist die E-Lkw-Entwicklung fulminant. Fühlen Sie sich manchmal von der Marktdynamik eingeholt?

Es ist schön zu sehen, wie schnell sich dieser Markt entwickelt. Und ich denke auch, wir haben ein Stück weit dazu beigetragen, dass diese Dynamik insbesondere im Megawattladen entstanden ist. Wir sind mit der anwendungsnahen Forschung immer sehr nahe am Marktgeschehen, daher bleibt es nicht aus, dass wir uns ab und zu vorangetrieben fühlen. In der Regel treiben wir aber immer noch den Markt vor uns her. So ist unsere Ladesäule bereits mit bidirektionalem Laden und der entsprechenden Kommunikation über ISO 15118-20 ausgestattet. Da kommt der Markt noch nicht ran.

Sie sehen also großes Potenzial beim V2G-Laden (Vehicle to Grid)? Wie passt das mit dem streng getakteten Güterverkehr zusammen, bei dem Lkw eher weniger an die Ladesäule angeschlossen bleiben, sondern so schnell wie möglich wieder auf die Straße sollen? Speziell an Megawattladern.

Es ist richtig, dass die Fahrzeuge deutlich mehr fahren als Pkw, mal abgesehen vom Mehrschichtbetrieb stehen jedoch auch Lkw mindestens 14 Stunden am Tag. Sicher sind nicht alle immer an einer Ladesäule angeschlossene, jedoch ist hier ein hohes Potenzial gegeben. Wie viel sich durch die intelligente Depotelektrifizierung einsparen lässt, hängt von individuellen Gegebenheiten ab: Haben Sie Dachflächen für Photovoltaik, oder stehen die Fahrzeuge über Nacht auch am Depot und nicht beim Fahrer zuhause? Für unser untersuchtes Depot konnten wir die Energiekosten um bis zu 90 Prozent senken, und das sollte man sich dann auf jeden Fall ansehen. Ob Sie das über MCS oder CCS machen, hängt davon ab, welche Lader Sie haben. Auch die Leistung kann deutlich geringer ausfallen.

Welche bisherige Erkenntnis aus dem Projekt zur Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit des elektrischen Straßengüterverkehrs hat Sie ansonsten selbst überrascht?

Zu Beginn des Forschungsprojekts war das Rennen rein aus der technologischen Sicht zwischen Batterie-elektrischen und Wasserstoff-basierten Antrieben recht offen. In NEFTON haben wir von Anfang an einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt. Das heißt, wir haben uns wie gerade erwähnt auch das Thema Energiesysteme, und bidirektionales Laden genau angesehen. Die Berücksichtigung dessen in der Wirtschaftlichkeitsanalyse kann die Lebenszykluskosten erheblich senken. Wenn Sie das richtig anstellen, können Sie, etwas überspitzt formuliert, fast zum Nulltarif laden.
Persönlich denke ich, dass in der Vernetzung der Logistik mit dem Energiesektor noch unheimlich viel Potential steckt. Wir müssen diese Sektoren intelligent vernetzen.

Sie sprechen Wasserstoff-Antriebe an: Was bedeuten ihre bisherigen Projektergebnisse konkret für die künftige Rolle weiterer Technologien wie wasserstoff- oder auch oberleitungselektrische Lkw?

Für Wasserstoff-basierte Antriebe sehen wir durchaus das Potenzial, in Nischenanwendung eine wirtschaftliche Alternative darzustellen. Jedoch werden Technologie- und Preisentwicklung bei Batteriesystemen dafür sorgen, dass diese Nischen immer kleiner werden. Oberleitungs-Lkw erscheinen aus technischer Sicht zunächst sinnvoll, da das Batteriesystem deutlich kleiner, damit leichter und kostengünstiger ausfallen kann. Die größeren Herausforderungen liegen auf der Infrastrukturseite. Aus Kostensicht ist das schwer zu bewerten, da hier die Frage nach dem Betreiber unklar ist, und sich nur schwer ein freier Markt etablieren lässt. Die prozessualen Hürden würde ich jedoch als größer einstufen. Wenn eine Ladesäule nicht funktioniert, kann in der Regel zur nächsten gefahren werden. Was machen Sie, wenn ein Teil der Oberleitung einen Tag defekt ist? Robustheit ist in der Logistik ein ganz großes Thema.

Richtig, deshalb wird auch der Ruf nach verlässlicher Ladeinfrastruktur immer lauter. Gerade hat der Bund die Eckpunkte zum initialen Lkw-Ladenetz in Deutschland vorgelegt. Kann der Hochlauf auf dieser Basis aus Ihrer Sicht funktionieren?

Diese Frage ist nicht ganz so leicht zu beantworten. Das initiale Ladenetz ist ein wichtiger erster Schritt, der für die gesamte Branche auch eine gewisse Symbolkraft hat. Das initiale Ladenetz sollte als Teil der öffentlichen Ladeinfrastruktur angesehen werden. Bereits heute öffnen Pkw-Ladeparkbetreiber wie Citywatt ihre Ladesäulen für Elektro-Lkw. Viele Logistikunternehmen überlegen, ihre private Ladeinfrastruktur zu öffnen, wenn diese nicht von eigenen Fahrzeugen benötigt wird. Klar ist jedoch auch, um die Emissionsvorgaben zu erreichen, wird die Transformation schnell ablaufen. Entsprechend sollten an den 350 ausgeschriebenen Standorten auch entsprechende Netzanschlüsse bedacht werden, die eine zügige Skalierung ermöglichen.

Wie steht aus Ihrer Sicht Deutschland international bei der Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs da?

Im europäischen Vergleich machen wir gerade sehr wertvolle Schritte, auch wenn das Auslaufen der Förderung doch viele Spediteure verunsichert hat. Die Angebote der Fahrzeughersteller stehen bereit, Ladeinfrastruktur-Betreiber, wie Milence und Citywatt eröffnenLadeparks für Elektro-Lkw und wenn man genau hinsieht, sieht man die ersten Fahrzeuge auf den Autobahnen. Wir haben als Nation hier die Chance, diese Transformation aktiv zu gestalten. Die Ansätze dafür sind da, es heißt jetzt Umsetzen. Wir sehen zudem, dass andere Länder, gerade in Osteuropa, auf uns blicken und sich an uns orientieren. Das bedeutet auch, dass es an uns liegt, den europäischen Güterverkehr zügig zu dekarbonisieren.

Blicken wir etwas weiter, sehen wir eine ganz ähnliche Dynamik auf dem amerikanischen Markt, die National Zero-Emission Freight Corridor Strategy ermöglicht auch hier den Einsatz von Batterie-elektrischen Lkw, wenn auch durch differierende Fahrzeugeinsätze die Herausforderungen höher einzustufen sind.

Kommen wir noch einmal zurück zu Ihrer Lade-Demonstration morgen. Welchen Stellenwert hat dieser Tag innerhalb des NEFTON-Projekts und was haben Sie bis zum geplanten Projektende Mitte 2025 noch vor?

Die Demonstration ist das zentrale Ziel des Forschungsprojekts. Wir brauchen das Megawatt, um auch im Fernverkehr einen robusten und zeiteffizienten Einsatz zu gewährleisten. Uns wurde jedoch auch früh bewusst, dass wir mit einem Megawatt nahe an der Serienentwicklung sind. Der Ladestandard MCS ist für bis zu 3.000 Ampere spezifiziert. Im Fahrzeug bedeutet das Vollladen in unter 15 Minuten. Genau hier wollen wir hin. Bei der Verdreifachung des Stroms verneunfachen sich die meisten Herausforderungen rund um Thermik und Verluste. Wir werden das nicht im Fahrzeug zeigen, jedoch einen Prüfstand vorstellen, der vom Ladekabel bis zu den Fahrzeug-Batteriesystemen alles abbildet.

Bemerkenswert. Wann werden wir 3-MW-Lader denn voraussichtlich im öffentlichen Betrieb sehen?

Die erste Frage ist: Wann benötigen wir 3-MW-Lader im Straßengüterverkehr? Das ist entweder der Fall, wenn Sie sehr kurze Standzeiten haben, beispielsweise im Mehrschichtbetrieb, oder bei Einzug des autonomen Verkehrs, wenn Sie nicht mehr an Lenk- und Ruhezeiten gebunden sind. 3 MW eröffnet Ihnen in beiden Fällen eine gewisse Art von Flexibilität und Optimierungspotenzial. Die spannende Frage wird sein: Was kostet die kWh bei 3 MW und sind Sie bereit, das zu bezahlen? Wir entwickeln jetzt gerade die Technologien und überlegen, wie wir diese in das Fahrzeug integrieren können. Ob wir 3 MW vielleicht 2030 sehen, hängt aus meiner Sicht von vielen, nicht nur technischen Faktoren ab.

Und was wird Ihr Arbeitgeber – die TU München (TUM) – konkret mit den Projektergebnissen machen? Welche Rolle wollen Sie künftig beim Hochlauf der E-Mobilität im Nutzfahrzeugsektor spielen?

In erster Linie sind wir für den Wissenstransfer von der Forschung in die Wirtschaft und Gesellschaft verantwortlich. Wir unterstützen hier von Logistikunternehmen bis hin zum Sachverständigenrat für Wirtschaft, um einen Beitrag zur raschen Umsetzung zu leisten. Weiter entstehen aus aktuellen Projekten immer neue Forschungsprojekte. Beispielsweise arbeiten wir in SPIRIT-E an skalierbaren Lösungen für die Depot-Elektrifizierung. Kernaspekte sind das Teilen von Ladeinfrastruktur sowie die Integration von Reservierungssystemen für Ladepunkte.

Ein zweiter wichtiger Bereich für uns als TUM ist das Unternehmertum. In der Logistik liegt ein hohes Potential rund um die Themen Elektrifizierung und Digitalisierung. Das Potential für innovative Startups ist in diesem Sektor gegeben. Auch hier sind wir aktiv. Ein Startup von uns befasst sich
intensiv mit der Vernetzung von Logistik und Energiewirtschaft und befindet sich gerade in der Gründungsphase.

Welchen Beitrag kann die Forschung grundsätzlich leisten, um die Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs zu forcieren?

Forschung ist der essentielle initiale Schritt einer Transformation. Bleiben wir konkret beim Beispiel Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs, der aus den Ergebnissen der Klimaforschung resultiert. Ohne die Analyse verschiedener Antriebstechnologien und der Pilotierung verschiedener Lösungen ist eine zielgerichtete Transformation nicht möglich. Es ist Aufgabe der Forschung, Wege aufzuzeigen und auch die sinnvollsten Wege zu benennen. Und das frei von wirtschaftlichen Interessen oder persönlichem Empfinden. Das gilt für die gesamte Wertschöpfungskette, beispielsweise von der Batteriezellforschung bis hin zu Ansätzen zum Recycling. Die Symbiose aus Forschung und Wissenschaft mit der Wirtschaft ist unsere Stärke in Deutschland, das sollten wir aufrechterhalten.

Herr Zähringer, vielen Dank!

1 Kommentar

zu „NEFTON-Projekt: Ladekabel rein, Megawatt marsch“
Markus Bollmann
18.07.2024 um 15:03
Ich wünsche viel Erfolg beim Versuch

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