Porsche-Pilot Wehrlein ist Formel-E-Weltmeister

Pascal Wehrlein hat sich beim Saisonfinale der Formel E in London zum neuen Weltmeister gekürt. Der Porsche-Pilot gewann das Rennen am Samstag und wurde am Sonntag Zweiter – während seine Konkurrenten aus dem Jaguar-Werksteam ungewohnte Schwächen zeigten.

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Bild: Porsche Motorsport

Kurz zur Ausgangslage vor dem entscheidenden Wochenende in der britischen Hauptstadt: Obwohl er bei beiden Rennen in Portland (USA) ohne Punkte blieb, führte Jaguar-Pilot Nick Cassidy mit 167 Zählern vor seinem Teamkollegen Mitch Evans und Wehrlein, die beide 155 Punkte auf dem Konto hatten. Aufgrund der besseren Einzelergebnisse wurde Evans als Zweiter gewertet.

Eine wichtige Vorentscheidung fiel bereits von Rennstart: In der Qualifikation für das Samstagsrennen kam Cassidy als einziger der drei Titelaspiranten nicht in die KO-Phase, er musste das Rennen als 17. starten – während Evans (1.) und Wehrlein (3.) von Anfang an um den Rennsieg kämpfen konnten. Zwar kam Cassidy im Rennverlauf mit einer souveränen Leistung bis auf Platz 7 nach vorne, was immerhin sechs Punkte ergab. Doch dabei profitierte der Neuseeländer auch von einigen Ausfällen im Feld vor ihm.

Evans und Wehrlein konnten sich an der Rennspitze aus den Kämpfen und Kollisionen weiter hinten im Feld heraushalten. In einem engen, aber fairen Kampf mit Sebastian Buemi im Kunden-Jaguar des Envision-Teams bleiben beide Favoriten ohne größere Beschädigungen – was in dem engen Feld schnell zu einem großen Punkteverlust führen kann. Wie schnell das geht, wird sich noch im Sonntagsrennen zeigen.

Das bessere Ende hatte der Porsche-Pilot für sich, Wehrlein gewann am Samstag von Evans, Buemi und den beiden überraschend starken Mahindras von Ex-Weltmeister Nyck de Vries und Edoardo Mortara sowie Nico Müller im Kunden-Mahindra von Abt – wie vor dem Wochenende bekannt wurde, wird Müller in der kommenden Saison nicht mehr für Abt in der Formel E starten.

Für das entscheidende Rennen am Sonntag war Wehrlein als neuer Meisterschaftsführender der Top-Favorit. Cassidy, der weite Teile der Saison vorne lag, konnte am Sonntag seinen Fehler aus der Samstags-Qualifikation gutmachen und stellte seinen Jaguar auf die Pole Position. Mit den Startplätzen 1 und 3 für Evans (Zweiter war Maximilian Günther im Maserati) hatte Jaguar beide Autos vor Wehrlein auf Startplatz 4 gebracht.

Im Rennen selbst lief es zunächst für Jaguar nach Plan: Evans konnte am Start Günther überholen, somit gab es eine Jaguar-Doppelführung und ein weiteres Auto als Puffer zu Wehrleins Porsche. Doch auch der deutsche Pirsche-Pilot konnte Günther schnell überholen, womit die drei Titelkandidaten das Rennen unter sich ausmachen konnten. Das ging auch über weite Teile gut und lief fair, auch wenn Jaguar beim Aktivieren des „Attack Modes“ (eine bestimmte Stelle der Strecke abseits der Ideallinie muss 2x im Rennen überfahren werden, um 50 kW Zusatz-Leistung freizuschalten) seine beiden Autos so positionierte, dass keiner der Fahrer eine Position gegen Wehrlein verlieren konnte. Die Aktivierungszone für den „Attack Mode“ ist in der Regel so angebracht, dass es einen Zeitverlust von zwei Sekunden bedeutet, wenn man die Schleife durchfährt.

Wehrlein konnte so aber mit seiner Energie haushalten – und hatte teilweise zwei Prozent mehr Strom übrig als die beiden Jaguars. So musste Cassidy später im Rennen etwas Tempo herausnehmen und konnte Wehrlein und Evans nicht mehr folgen. Aus der Gruppe an Fahrern, die auf ihn aufschloss, wurde er dann (ausgerechnet) von Wehrleins Teamkollege Antonio Felix da Costa bei einem sehr ambitionierten Manöver am Hinterrad berührt – mit einem Platten Reifen fiel Cassidy aus, seine Titelhoffnungen waren vorbei.

Es blieb also bei einem spannenden Zweikampf Wehrlein vs. Evans um den Rennsieg und die Fahrer-Weltmeisterschaft. Die Szene, die die Weltmeisterschaft am Ende entschieden hat, fand wieder rund um die Aktivierungszone für den „Attack Mode“ statt: In zwei aufeinanderfolgenden Runden verpasste Evans die Zone knapp – er verließ zwar die Ideallinie, fuhr aber nicht weit genug heraus, um den „Attack Mode“ zum zweiten Mal zu aktivieren. Er hatte also nicht nur zwei Mal den Zeitverlust, aber keine Zusatz-Leistung, sondern musste auch ein drittes Mal den weiten Weg nehmen. Und weil der Attack Mode nicht nur während des Rennens aktiviert, sondern auch die volle Zeit genutzt werden muss, musste Evans in der Folge sogar etwas verlangsamen – sonst hätte er noch einige Sekunden des „Attack Modes“ vor der Ziellinie nicht genutzt, was ein Verstoß gegen die Regeln gewesen wäre und eine Strafe nach sich gezogen hätte.

Das Sonntagsrennen gewonnen hat am Ende übrigens Oliver Rowland im Nissan. Als Wehrlein und Evans gerade versuchten, ihren „Attack Mode“ zu aktivieren, konnte Rowland vorbeiziehen. Da in diesem Moment eine Safety-Car-Phase wegen Trümmern auf der Strecke ausgerufen wurde, wurde der „Attack Mode“ annulliert. So mussten Wehrlein und Evans nach dem Safety Car nochmals durch die Schleife fahren, mit oben erwähntem Ausgang. Rowland hatte seine beiden „Attack Modes“ schon genutzt und konnte seinen Vorsprung bis ins Ziel bringen. Für Rowland war es nach Misano der zweite Saisonsieg – eine große Überraschung für Nissan.

In der Endabrechnung kam Wehrlein mit drei Saisonsiegen und zwei zweiten Plätzen auf 198 Punkte. Evnas mit zwei Siegen, zwei zweiten Plätzen und zwei dritten Plätzen kam am Ende der Saison auf 192 Punkte, Cassidy auf 176 Punkte. Der Neuseeländer kam auf acht Podestplatzierungen, davon zwei Siege. Nach einem starken Saisonauftakt (3., 3. 1.) und fünf Podesplätzen in Folge Mitte der Saison sah er wie der größte Titelfavorit aus. Gleich vier Nullnummern (eine fünfte in London wurde nur durch die drei Extra-Punkte für die Pole Position verhindert) sind im engen Formel-E-Feld aber zu viel.

Mit den Fahrern auf den Plätzen 2 und 3 hat sich das Jaguar-Werksteam mit 368 Punkten den Team-Titel gesichert. Einzig das Porsche-Werksteam konnte mit 332 Zählern annähernd mithalten – der zweite Porschefahrer da Costa wurde WM-Sechster. Der Portugiese hat zwar mit vier Siegen die meisten Einzelerfolge aller Fahrer geholt, bliebt aber auch gleich acht Mal komplett ohne Zähler.

Vorjahres-Weltmeister Jake Dennis im Kunden-Porsche des Andretti-Teams blieb in London auch punktelos. Er brachte es immerhin auf einen Sieg, zwei zweite Plätze und einen dritten Platz. Doch ansonsten war es für den Weltmeister eine eher durchwachsene Saison. Porsche hatte das schnellste Auto mit acht von 16 Saisonsiegen.

porsche.com, fiaformulae.com (Rennbericht Samstag), fiaformulae.com (Rennergebnis Samstag), fiaformulae.com (Rennbericht Sonntag) fiaformulae.com (Rennergebnis Sonntag), fiaformulae.com (abschließende Fahrerwertung), fiaformulae.com (abschließende Teamwertung)

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