gwm ora 03 funky cat fahrbericht 2024 01 min
Bild: Daniel Bönnighausen
FahrberichtAutomobil

GWM Ora 03 im Test: Kompakter E-Flitzer mit Retro-Charme

Mit seinem futuristischen Retro-Design ist der GWM Ora 03 ganz klar ein Hingucker. In unserem Test hat der noch immer weitgehend Unbekannte aus Fernost mit seiner außergewöhnlichen Optik die Blicke auf sich gezogen. Dennoch hinterließ der elektrische Kompaktwagen einen gemischten Eindruck. Warum das so ist, lesen Sie in unserem Fahrbericht.

Das erste Modell der Marke des chinesischen Konzerns Great Wall Motor (GWM) hörte zunächst auf den Namen Funky Cat, was so viel wie außergewöhnlicher Begleiter bedeutet. Inzwischen wird das Modell nur noch unter dem Namen GWM Ora 03 vertrieben. Mit der Umbenennung will Great Wall seine „Sichtbarkeit erhöhen“ und „Kunden die Unterscheidung zwischen den Produkten erleichtern“. Vielleicht möchte man auch einfach weniger funky und dafür seriöser rüberkommen.

So ungewöhnlich die Namensgebung für europäische Verhältnisse war, so besonders ist noch immer das Design. Great Wall selbst bewirbt den Elektro-Kompaktwagen im ID.3-Format als urbanes Lifestyle-Fahrzeug im „futuristischen Retro-Design“. Was die Bilder bereits zur Premiere vermuten ließen, bewahrheitete sich dann auch in der Realität bei der ersten Ausfahrt vor etwas über einem Jahr.

Platzwunder mit Retro-Charme

Obwohl der Ora 03 auf Außenmaße von rund 4,24 Meter Länge, 1,83 Meter Breite und 1,60 Meter Höhe kommt, wirkt das E-Auto sehr kompakt – der Form sei Dank. Obwohl GWM mit dem Modell sicherlich ähnliche Zielgruppen ansprechen will wie die BMW-Marke Mini oder Fiat mit dem 500, bewegen sich die Fahrzeuge doch in gänzlich unterschiedlichen Klassen. So muss sich der Ora 03 in der Kompaktklasse mit Modellen wie dem VW ID.3 oder auch MG Motor MG4 messen. Denn der Mini Cooper zählt laut KBA zu den Kleinwagen und der 500 zu den Minis.

Mit seinen runden Proportionen und den Scheinwerfern wirkt das Modell wie ein nicht allzu entfernter Verwandter des VW Käfers. Und auch vom Mini hat man sich offensichtlich inspirieren lassen. Letzteres verwundert kaum, bauen doch Great Wall Motor und BMW in einem Joint Venture den elektrischen Mini. Schon bei der ersten Ausfahrt wusste die Optik zu gefallen, auch wenn die Geschmäcker bekanntlich verschieden sind. Nur an das typisch asiatisch verspielte Markenlogo kann ich mich nach wie vor nicht gewöhnen.

Wer auf dem Fahrersitz Platz nimmt, findet das große Ausrufezeichen auch auf dem Lenkrad. Die Änderung des Logos mag nur eine Kleinigkeit sein. Doch was im asiatischen Raum funktioniert, muss nicht zwangsläufig auch für den europäischen Kontinent gelten. Was bleiben darf, sind der sehr bequeme Fahrer- und Beifahrersitz, die sich auch für große Menschen eignen. Ohnehin ist das Platzangebot für einen Kompakten sehr gut – auch im Fond. Positiv hervorzuheben sind auch die verwendeten Materialien. Seien es die gesteppten Türverkleidungen, das Armaturenbrett oder die Kippschalter für die Klimasteuerung in der Mittelkonsole, die man so ähnlich auch vom Mini kennt.

Spritziger Flitzer mit kleinen Schwächen

Einen Startknopf sucht man – aus meiner Sicht zum Glück – vergebens. Der Schlüssel in der Tasche genügt. Was mich allerdings nervt: Ohne den Sicherheitsgurt angelegt zu haben, passiert nichts. Das Elektroauto mal kurz in die Garage fahren? Keine Chance. Die Navigation einstellen? Auch das nicht.

Ist der Gurt angelegt, kann die Fahrt endlich losgehen. Unter der Haube steckt bei unserer Variante, dem GWM Ora 03 400 Pro+, ein permanenterregter Synchronmotor mit einer Leistung von 126 kW, der die Vorderräder antreibt. Innerhalb von 8,2 Sekunden soll das Fahrzeug von null auf 100 km/h beschleunigen. Die Höchstgeschwindigkeit gibt der Hersteller mit 160 km/h an.

Das klingt auf dem Papier nicht beeindruckend, im Test konnte der Ora 03 mit seinen Fahrleistungen aber überzeugen. Dank seines geringen Gewichts von nur 1.615 Kilogramm reicht die Leistung von 126 kW und das Drehmoment von 250 Nm aus, um den Elektroflitzer ordentlich anzutreiben. Vor allem im Stadtverkehr und auf Landstraßen sind so flotte Einfädel- und Wendemanöver möglich. Auch Überholmanöver sind kein Problem. Kurven meistert das Gefährt mit Bravour – ein echter Kurvenräuber eben. Selbst auf der Autobahn macht der Ora 03 eine gute Figur. Etwas getrübt wird der Eindruck von der leichtgängigen Lenkung, der es an entsprechender Rückmeldung fehlt. Great Wall hat es dennoch geschafft, das typische „Gokart-Feeling“ aus dem Mini Cooper in das Kompaktmodell zu adaptieren.

Gute Reichweite

Dass der Fahrspaß – vorausgesetzt der Fahrer besetzt auf der Autobahn nicht die linke Spur bei Vollstrom – nicht zu früh endet, dafür sorgt im 400 Pro+ ein 63-kWh-Akku, von denen 59,3 kWh nutzbar sind. Als WLTP-Reichweite werden bis zu 420 Kilometern angegeben. Ora bietet auch noch eine Variante mit einem kleineren Akku an, wenn auch nicht für den 400 Pro+. In dem Fall sorgen 45,4 kWh (47,8 kWh brutto) für eine Reichweite von bis zu 310 Kilometern. Zum Vergleich: Ein ID.3 mit 59 kWh (mittlerer Akku) bringt es auf dem Papier auf bis 434 Kilometer, ein MG Motor MG4 schafft mit dem 51-kWh-Akku (kleinster Akku) in der Theorie bis zu 350 Kilometer. Der Mini Aceman soll mit den 54,2 kWh bis zu 406 Kilometer weit kommen. Der Ora 03 reiht sich hier also gut ein und muss sich nicht verstecken.

In der Praxis gestaltete sich das wie folgt: Schon bei der ersten Ausfahrt 2023 bei frühlingshaften Temperaturen in Portugal lagen meine Verbrauchswerte zwischen 14,9 kWh/100 km (Stadtfahrten mit geringem Landstraßenanteil) und 18,5 kWh/100 km (überwiegend Landstraßen mit geringem Autobahnanteil). Auch hier im hohen Norden bei Hamburg konnten diese Werte unter ähnlichen Bedingungen wiederholt werden. Daraus ergeben sich für die große Batterie Reichweiten zwischen 390 und 320 Kilometer. Bei reinen Autobahnfahrten von 120 km/h, wo es möglich war, kletterte der Wert laut der Uhr auf bis zu 20 kWh/100 km, was immerhin noch gute 300 Kilometer ergibt. Was sich auf dem Papier abzeichnete, konnte also auch in der Praxis bestätigt werden.

Geduld am High Power Charger gefragt

Bestätigen konnte sich jedoch leider auch die Performance an der Schnellladesäule. Während die Verbrauchswerte und möglichen Reichweiten für diese Fahrzeugklasse gut sind, ist dies bei der Ladezeit nicht der Fall. Als maximale DC-Ladeleistung gibt Ora 67 kW an, wodurch ein Ladevorgang von 15 auf 80 Prozent ganze 48 Minuten benötigt (43 Minuten beim kleinen Akku). Wie anhand der Ladekurve zu erkennen ist, benötigte der Ladevorgang von zehn auf 50 Prozent ca. 23 Minuten, von zehn auf 80 Prozent waren es 50 Minuten. Das ist für meine Begriffe zu lang. Vielleicht schafft es Ora aber auch, mit einem Update die Ladezeit zu verbessern.

AC-seitig kann dreiphasig mit elf kW geladen werden – Branchenstandard. Dann benötigt ein Ladevorgang von null auf 100 Prozent 6,5 Stunden. Beim kleinen Akku liegt die Ladezeit bei 5,5 Stunden.

Apropos Update, wenn wir schon beim Thema sind. Im Navigationssystem werden Ladesäulen zwar angezeigt, hierbei greift Ora auf die Daten von Here zurück. Eine Routenplanung mit Ladestopps gibt es allerdings noch immer nicht. Und auch die Anzeige der Ladesäulen ist eher spärlich. Vielleicht doch lieber auf eine der vielen Apps für das Smartphone zugreifen? An dieser Stelle haben die Chinesen nämlich mittlerweile das versprochene Update zur Unterstützung von Android Auto und Apple CarPlay geliefert. Die Integration funktionierte im Test sehr zuverlässig.

Nachbesserung bei Assistenzsystemen erforderlich

Und so hoffe ich auch auf eine Feinjustierung einzelner Assistenzsysteme. Hier gibt es eindeutig Nachholbedarf. Beispielsweise arbeitete der serienmäßig verbaute Tempomat, der u. a. in Kurven auf eine passende Geschwindigkeit abbremsen soll, zu ruppig. Leider kann dieser zudem nur bis 120 km/h eingestellt werden – schade. Ist die „Notlenkfunktion“, womit der Spurhalteassistent gemeint ist, aktiviert, will der Ora zu oft korrigierend eingreifen. Fehlt die Mittelmarkierung, zieht das Fahrzeug gern in Richtung Fahrbahnmitte. Vor allem auf engen Landstraßen kam ich häufig in brenzlige Situationen. Hinzu kamen noch die ständigen Ermahnungen. Hier besteht Handlungsbedarf, auch wenn der Assistent vor jeder Fahrt deaktiviert werden könnte. Serienmäßig sind darüber hinaus viele andere Assistenten wie Abstandsradar, Totwinkelwarner oder auch eine 360-Grad-Kamera vorhanden, die hingegen durchweg zuverlässig arbeiteten.

All das will jedoch auch bedient werden. Und hier zeigten sich erneut Schwächen. Die Bedienfelder und Schriften des zentralen Displays sind zu klein. Ebenso lassen sich einige Übersetzungsfehler im System finden. Zum Glück lassen sich die ständigen Hinweise, doch bitte nicht „geistesabwesend“ zu sein, sobald der Blick mal kurz auf das Navi abschweift, deaktivieren. Aber auch das kann nicht Sinn eines Sicherheitssystems sein.

Abstriche müssen auch beim Kofferraumvolumen gemacht werden. So komfortabel und großräumig – für einen Kompaktwagen – der Innenraum auch sein mag, so wenig Platz bietet der Laderaum. Hier stehen gerade einmal 228 Liter zur Verfügung. Bei umgeklappten Rücksitzen sind es 858 Liter, jedoch nicht als ebene Fläche.

Fazit

Keine Frage, der GWM Ora 03 will mehr Fahrspaß als Praktikabilität vermitteln, was das Modell aus meiner Sicht auch schafft – Mini lässt grüßen. Dazu passt die avisierte „Mode- und Lifestyle-orientierte Zielgruppe“. Den Kultstatus hat die neue Marke aus dem Fernen Osten bis jetzt nicht erlangt und wird es vermutlich auch nicht. „Aber: Dank der Optik könnte das Modell viele Herzen erobern und hat das Zeug zum Sympathieträger“, resümierte ich schon vor einem Jahr. Bei dieser Aussage bleibe ich. Getrübt wird der Eindruck jedoch von den genannten Schwächen. Manche davon sind verkraftbar, andere, wie die „Notlenkfunktion“ in der jetzigen Funktionsweise nicht.

Dagegen steht ein Preis für den 400 Pro+ von 47.490 Euro. Die Basisvariante mit kleinem Akku startet hingegen bei 38.990 Euro. Obwohl es sich dabei jeweils bereits um die Vollausstattung handelt, ist das für dieses Fahrzeug ein stolzer Preis. Bis zum 30.09.2024 bietet GWM allerdings bei teilnehmenden GWM-Ora-Partnern für dort verfügbare Lagerfahrzeuge einen Rabatt von 12.000 Euro, womit die von uns getestete Variante ab 35.490 Euro bzw. die Basisversion ab 26.990 Euro derzeit erhältlich ist. Damit wird das Modell schon deutlich attraktiver. Auch beim Leasing lassen sich aktuell gute Angebote finden. Aus dem Grund kann das chinesische Modell durchaus eine Wahl für Flottenanwendung sein. Vor allem Liefer- und Pflegedienste dürften Freude an dem Gefährt finden.

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