Daimler Truck: GenH2 Truck geht in die Kundenerprobung

Der Brennstoffzellen-Lkw von Daimler Truck geht auf seinem Weg in die Serie in die nächste Phase. Nach langen, internen Testfahrten hat das Unternehmen jetzt die ersten fünf Vorserien-Exemplare an Kunden übergeben, um den GenH2 Truck in deren täglichen Logistikeinsatz zu testen.

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Bild: Daimler Truck

Konkret startet Daimler Truck die kundennahe Erprobung von fünf Mercedes-Benz GenH2 Trucks mit den Unternehmen Air Products, Amazon, Holcim, Ineos und Wiedmann & Winz. „Nach intensiven Erprobungen auf der Teststrecke und auf öffentlichen Straßen besitzen die Mercedes-Benz GenH2 Trucks nun eine fortgeschrittene Entwicklungsreife, sodass sie zu kundennahen Erprobungen in den täglichen Logistikeinsatz in unterschiedlichen Anwendungen gebracht werden“, teilt der Hersteller mit.

Die Kundenerprobung ist bei Daimler Truck ein fester Bestandteil des Entwicklungsprogramms eines neuen Modells. Beim Batterie-elektrischen eActros 600 gingen die ersten Fahrzeuge im April an Testkunden, konkret an Contargo und Remondis. Während der eActros 600 bereits die neue, futuristisch gezeichnete „ProCabin“ des Actros L erhalten hat, nutzen die Testträger des GenH2 Trucks noch das seit Jahren bekannte Kabinendesign des Verbrenner-Actros.

Kurz zur Technik: Herzstück des GenH2 Trucks bilden zwei Brennstoffzellensysteme des Joint Ventures Cellcentric mit 300 kW Systemleistung (2x 150 kW). Eine 70 kWh große Batterie leistet zeitlich begrenzt zusätzlich bis zu 400 kW. Diese wird bei Lastspitzen während der Beschleunigung oder bei Bergauffahrten genutzt. Die beiden Elektromotoren sind in einer Vorserienversion auf insgesamt 2 x 230 kW Dauer- und 2 x 330 kW Maximalleistung ausgelegt. Das Drehmoment liegt bei 2 x 1.577 Nm beziehungsweise 2 x 2.071 Nm. Als „Kernelement“ des Antriebs führt Daimler Truck auch das Kühl- und Heizsystem als Teil der „ausgeklügelten Betriebsstrategie von Brennstoffzellen- und Batteriesystem“ an. Da dieses System alle Komponenten auf der passenden Betriebstemperatur hält, soll die Langlebigkeit des Systems steigen.

Anders als bei der Kundenerprobung des eActros 300 oder 600, die an beliebigen CCS-Stationen geladen werden können, ist die Erprobung der GenH2 Trucks deutlich stärker an die Infrastruktur gebunden: Bei seinem Brennstoffzellen-Lkw setzt Daimler Truck auf tiefgekühlten Flüssigwasserstoff (sLH2), der -253 Grad Celsius kalt ist. Flüssiger Wasserstoff hat eine höhere Energiedichte als gasförmiger Wasserstoff, der mit 350 oder 700 bar Druck in Fahrzeugen gespeichert wird. Die zwei 44 Kilogramm fassenden Tanks der Fahrzeuge werden nicht aktiv gekühlt, sondern sind wie überdimensionale Thermoskannen vakuumisoliert, um eine Erwärmung (und folglich das Verdampfen) des Wasserstoffs zu vermeiden. Betankt werden können die Fahrzeuge derzeit nur an zwei speziellen Tankstellen für sLH2 in Wörth am Rhein (Rheinland-Pfalz) und im Raum Duisburg (Nordrhein-Westfalen). Partner für die Tankstellen ist Linde.

Von dieses Fixpunkten aus sollen die fünf Fahrzeuge „auf spezifischen Routen und in verschiedenen Anwendungsfällen im Fernverkehr eingesetzt“ werden, so Daimler Truck. Amazon wird den GenH2 Truck in seinem Logistiknetzwerk in Deutschland einsetzen, Air Products für den Transport von Flaschengasen, Wiedmann & Winz für Seecontainer, Holcim für Baustofflogistik und Vervaeke, das Logistikunternehmen von Ineos, für den PVC- und Vinyltransport.

Während der rund einjährigen Testphase können die Testkunden praxisnahe Erfahrungen im Transport mit Brennstoffzellen-Lkw sammeln. Auf der anderen Seite gewinnt das Daimler-Truck-Entwicklungsteam „wertvolle Erkenntnisse aus dem Einsatz der mit Flüssigwasserstoff angetriebenen Lkw unter realen Bedingungen, bekommt die Kundenbedürfnisse zurückgespiegelt und kann diese für die Serienentwicklung bis zum Ende dieses Jahrzehnts berücksichtigen“, so das Unternehmen. Die Reichweite des Fahrzeugs soll über 1.000 Kilometer betragen, wie Daimler Truck im vergangenen September selbst demonstriert hatte: Mit einer Tankfüllung kam ein straßenzugelassener Prototyp 1.047 Kilometer weit.

Daimler Truck betont, parallel auf Batterie-elektrische und Wasserstoff-basierte Antriebe zu setzen. „Beim Wasserstoffantrieb machen wir nun einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung Serienreife: Wir starten die Erprobung unserer Mercedes-Benz GenH2 Trucks im realen Transportalltag mit unseren Kunden“, sagt Daimler-Truck-CEO Martin Daum. „Wichtig ist allerdings: Leistungsfähige CO2-neutrale Fahrzeuge allein werden nicht genügen, um den nachhaltigen Transport zum Erfolg zu führen. Hierfür ist auch eine entsprechende Lade- und Tank-Infrastruktur erforderlich sowie Kostenparität mit konventionellen Fahrzeugen. Politik und Energieunternehmen sind hier zwar schon aktiv, aber wir brauchen dringend noch mehr Momentum, und zwar europaweit!“

Zur Übergabe der fünf Testfahrzeuge ist auch VDA-Präsidentin Hildegard Müller nach Wörth gekommen. „Auf dem Weg zur klimaneutralen Mobilität der Zukunft sollten die Potenziale aller zur Verfügung stehenden Technologien ausgeschöpft werden. Gerade im Bereich der schweren Nutzfahrzeuge ist Elektromobilität nicht ausschließlich mit Batterie-elektrischem Antrieb gleichzusetzen“, so Müller. „Vielmehr muss unbedingt auch der Brennstoffzellenantrieb mit Wasserstoff als Teil der Technologievielfalt mitgedacht werden. Die Hersteller haben die entsprechenden Modelle in Entwicklung und Produktion, jetzt müssen endlich die politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden: Es muss dringend ein bedarfsgerechtes Netz an Wasserstofftankstellen und die dazugehörige Infrastruktur aufgebaut werden. Hier besteht dringender Handlungsbedarf für Politik, Bundesnetzagentur und Energiewirtschaft.“

Die fünf Testkunden sind auf die Erfahrungen gespannt – und auch die Auswirkungen, die die Tests auf die eigene Flottenplanung haben werden. „Nach ausgiebigen Tests mit Batterie-elektrischen Lkw freuen wir uns unheimlich nun auch mit einem Wasserstoff-betriebenen Truck den Weg zum nachhaltigen Transport der Zukunft weiter zu erproben. Nur mit eigenen intensiven Erfahrungen können wir die richtigen Entscheidungen für den 2025 beginnenden Change in unserer Gruppe treffen“, sagt etwa John H. Landwehr von Gerdes + Landwehr, einem Partner der Holcim Unternehmensgruppe. Und Micha Lege, Geschäftsführer von Wiedmann & Winz aus Geislingen, ergänzt: „Seit kurzem setzen wir zudem einen eActros 300 als Sattelzugmaschine im Speditionsalltag ein. Nun freuen wir uns darauf, den nächsten Schritt zu gehen und mit dem GenH2 Truck auch einen Fernverkehrs-Truck mit Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb zu testen.“

daimlertruck.com

5 Kommentare

zu „Daimler Truck: GenH2 Truck geht in die Kundenerprobung“
Michael
26.07.2024 um 16:51
Alleine die Beschreibung der Aggregate die neben der Batterie und dem E-Motor notwendig werden zeigt, wie kompliziert und aufwendig H2 ist. Tiefkalter Wasserstoff ist zwar deutlich einfacher zu handhaben als Hochdruckwasserstoff, aber es bleibt ein Gefahrguttransport und wer Erfahrung mit flüssigem Stickstoff hat, der weiß wie viele Menschen panische Angst vor dem dampfenden zischenden Gas haben, dass ja grundsätzlich auch explodieren kann wenn es unter Druck gerät. Und nach spätestens 10 Jahren ist wieder eine technische Behälterprüfung notwendig, die vermutlich den finanziellen Totalverlust bedeutet.
Schnaufi32
27.07.2024 um 09:54
Technisch scheint das ganze zu funktionieren. Nur wenn man etwas für die Umwelt machen möchte, denke ich nicht, dass das der richtige Weg ist. Batterieelektrische Fahrzeuge haben leider einen 3 mal so hohen Wirkungsgrad wie Brennstoffzellen betriebene Fahrzeuge. Die Wasserstoffverflüssigung wird die Situation nicht besser machen. Durch die nicht vorhandene grüne Wasserstoffproduktion sind heutige H2 Fahrzeuge deutlich dreckiger unterwegs als ihre verbrennungsmotorischen Pendants. Das leidige Erzählung von Technologieoffenheit kann auch niemand mehr hören. Immerhin wissen Transportunternehmer wie man einen Taschenrechner bedient. Man kann nur hoffen das keine Milliarden an Steuergeldern in irgendwelchen Wasserstoff Tankstellen versenkt werden die niemand braucht.
John
03.08.2024 um 10:37
Also beim BEV kommt es bzgl.. CO2 Freiheit auch auf den Strom an. Die Effizient spielt spielt beim Nutzfahrzeug eine andere Rolle. Es ist akzeptabel einen PKW mit 2,5 Tonnen Leergewicht zu fahren. Da müssen nur ein paar Golfschläger und Menschen rein. Die können dann auch immer wieder längere Ladestops machen. Beim LKW muss aber auch die Nutzlast und Betankungszeit stimmen. Und auf Fahrzeugseite ist der LH2 Tank sicher günstiger als der CGH2 Drucktank. Da der LKW auch ein Fahrzeug und kein Stehzeug (PKW) ist, kann man hier LH2 auch gut einsetzen. Allerdings für LH2 mal wieder eine neue Infrastruktur aufzubauen halte ich für übertrieben.
Battie
28.07.2024 um 11:08
Man könnte es auch so sehen: es soll damit demonstriert werden, wie es nicht gehen wird, allein schon weil die Physik sagt, dass die Wirkungsgrade zu ungünstig sind um eine Wirtschaftlichkeit zu ermöglichen. Eine Demonstration für jene also, die diesen Prinzipien (zu) wenig Glauben schenken wollen, aus welchen Gründen auch immer. Transportiert doch das Thema H2 bisher allerlei Träume und Hoffnungen, auch mit EE gäbe es wieder unbegrenzte Möglichkeiten auf diesem Weg. Insofern keine überflüssige Investition bei wohlwollender Betrachtung. Die Zulassungszahlen von FCEV sprechen für den Bereich Pkw ja inzwischen jene deutliche Sprache, die für jeden plausibel ist, das gleiche muss eben jetzt offenbar auch noch für Lkw entsprechend nachvollziehbar werden, um die Klarheit zu schaffen, die für viele schon lange vorhersehbar war
John
03.08.2024 um 10:38
Bitte oben lesen. LKWs sind keine PLWs

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