BMW iX2 im Test: Sportlich und komfortabel mit überschaubarer Reichweite
Keine Frage, die eher konservative Elektro-Strategie von BMW geht derzeit auf: Unter den deutschen Premium-Herstellern sind die Münchner mit ihren Stromern derzeit am erfolgreichsten, auch wenn es sich – mit Ausnahme des iX – „nur“ um rein elektrische Versionen von Verbrennermodellen handelt. Das muss nicht per se schlecht sein, wie der Markterfolg zeigt. Denn bei der BMW-Kundschaft kommt das an. Mit der kommenden Neuen Klasse setzt dann auch BMW auf eine reine Elektro-Plattform. Im Hier und Jetzt sorgt aber der Multi-Energy-Ansatz für den Absatzerfolg.
Dazu trägt auch der iX2 bei, denn in der zweiten Generation ist das kompakte SUV-Coupé auch rein elektrisch erhältlich. BMW hat den X2 nicht nur als Coupé-Ableger des X1 positioniert, sondern seit jeher als eigenständiges, extravaganteres Modell. Die Lackierung in „Brooklyn Grau metallic“ unseres Testwagens gibt sich zwar eher unauffällig, kann aber die im Vergleich zum iX1 deutlich prägnanter gezeichneten Elemente an Front und Heck nicht kaschieren.
Doch bei electrive geht es nicht ums Design, sondern um den Elektroantrieb. Wir hatten den iX2 xDrive30 im Test, also die Allradversion mit 230 kW Leistung und einer 65 kWh (netto) großen Batterie. Die WLTP-Reichweite liegt bei bis zu 449 Kilometern – der 150 kW starke Fronttriebler iX2 eDrive20 kommt mit 471 Kilometern auch nicht viel weiter.
Konkurrenzmodelle wie das Tesla Model Y mit der Long-Range-Batterie, die MEB-SUV-Coupés aus dem VW-Konzern von Volkswagen, Skoda, Audi und Cupra (von eher bieder bis extravagant) oder der Volvo EC40 sind mit Batterien um die 75 bis 80 kWh erhältlich. Und auch Mercedes hat bei seinem EQA 350 4MATIC die Netto-Kapazität von 66,5 auf immerhin 70,5 kWh erhöht. Wir alle kennen die Debatte um die täglichen Fahrstrecken und welche Reichweite eigentlich genügen würde. Dennoch ist die Debatte bei einem Fahrzeug mit immerhin 300 Kilometern Real-Reichweite angebracht: Zum einen sind Personen ohne eigene Wallbox, die nur auf öffentliche Ladestationen angewiesen sind, auch auf kurzen Strecken um jeden Kilometer mehr Reichweite froh. Und geht es mal auf die Langstrecke, werden die Unterschiede sichtbar. Wer einen BMW für knapp 75.000 Euro kauft, sollte nicht das Gefühl haben, Kompromisse einzugehen.
Dazu kommt: Bei den Stopps am Schnelllader zählt der iX2 auch nicht zu den schnellsten. Die Werksangabe von 130 kW konnten wir mit 127 kW in der Spitze fast erreichen. Aber selbst dieses Niveau wird nicht lange gehalten, ab rund 20 Prozent Ladestand fällt die Leistung langsam, aber konstant ab: Bei 43 Prozent sind es weniger als 100 kW, bei 60 Prozent noch 75 kW. Für einen Standard-Ladevorgang von zehn auf 80 Prozent haben wir 32 Minuten benötigt. Immerhin ist diese Ladezeit wiederholbar zu erreichen, die Batterie kann manuell oder automatisch vorkonditioniert werden.
Zum Vergleich: VW hat sich bei seiner 77-/79-kWh-Batterie auf 175 kW in der Spitze und 26 Minuten Ladezeit zubewegt. Vom Tesla Model Y mit dem 60 kWh großen BYD-Akku und 20 Minuten Ladezeit ganz zu schweigen. Wie bei der Reichweite gilt: Der iX2 ist nicht schlecht und reicht im Alltag mehr als aus. Der Wettbewerb ist aber einfach weiter.
Beim AC-Laden ist BMW hingegen (optional) einen Schritt weiter als viele Konkurrenten: Bei den Münchnern kann man gegen Aufpreis einen 22-kW-Onboard-Charger bestellen. Das nennt sich in der Aufpreisliste „AC-Laden Professional“ und kostet 720 Euro. Diese Option ist nicht nur für professionelle Anwender, sondern auch Privatkunden potenziell interessant, denn mit 22 kW Ladeleistung kann an öffentlichen AC-Stationen der Akku in nur rund drei Stunden komplett geladen werden. Bei einigen Ladetarifen greift ab vier Stunden AC-Laden eine „Blockiergebühr“. Und muss man etwa einen 77-kWh-Akku mit den standardmäßigen 11 kW laden, bekommt man den Akku in vier Stunden nicht voll. Wer also sein Elektroauto regelmäßig an einer öffentlichen AC-Säule lädt, kann bei BMW über diese Option nachdenken. Wer hingegen ohnehin zu Hause über Nacht an der Wallbox hängt oder tagsüber beim Arbeitgeber über mehrere Stunden laden kann, muss diese 720 Euro nicht investieren.
Bei der Reichweite und dem Schnellladen gibt es klare Abstriche, auch wenn das nicht für alle Kunden stark ins Gewicht fällt (Stichwörter: viel Kurzstrecke und eigene Wallbox) – für andere kann es aber der Deal-Breaker sein. In einem anderen Bereich setzt der iX2 unserer Meinung nach aber die Benchmark im Segment: beim Fahrwerk.
Unser Testwagen war mit dem optionalen M-Sportpaket für 3.950 Euro ausgestattet. Das adaptive M-Fahrwerk ist dabei ausgesprochen gut abgestimmt. Der iX2 fährt sich sportlich und agil, ohne aber nervös zu sein. Gleichzeitig stimmt der Fahrkomfort im Alltag und auf langen Strecken, die Feder und Dämpfer sind weder zu hart noch zu weich. In Summe ein sehr gelungenes Fahrwerk. In Kombination mit dem starken, aber gut dosierbaren Antrieb ein rundes Gesamtpaket, das für unterschiedliche Fahrweisen passt.
Einen ähnlich ausgereiften Eindruck machen auch viele, aber nicht alle Assistenzsysteme. Wie schon beim i7 und i4 haben auch im iX2 Systeme wie die Schildererkennung ausgezeichnet funktioniert. Auch Zusatz-Schilder für eine zeitliche oder witterungsbedingte Einschränkung wurden sauber erkannt – der iX2 war einer der wenigen Testwagen in jüngerer Vergangenheit, der in diesem Punkt positiv auffällt. Dennoch gibt es auch hier Luft nach oben: Übernimmt der iX2 bei aktivem Tempomat ein erkanntes Tempolimit automatisch, ändert er die Geschwindigkeit teilweise sehr abrupt. Negativ ist aber der Spurverlassenswarner aufgefallen, der teilweise noch gepiepst hat, obwohl die Fahrtrichtung schon längst wieder korrigiert war.
Wem die eigenständige Optik des iX2 besser gefällt als jene des iX1, der erkauft sich die flachere Dachlinie nicht zwingend mit einem geringeren Praxisnutzen. Für ein 4,55 Meter langes Auto hat der iX2 einen überraschend großen Kofferraum. Auf dem Papier sind es 525 Liter nach VDA-Norm, was für größere Einkäufe oder Gepäck reicht. Eine kleine Einschränkung im Alltag: Die Ladekante ist etwas höher und es gibt im iX2 nicht das inzwischen übliche, flache Einladen – eine Getränkekiste muss man zum Beispiel über die Ladekante heben und dann im Kofferraum wieder einige Zentimeter absetzen. Das war früher normal, heute hat sich eine ebene Ladekante durchgesetzt. Wer mehr Platz braucht: Mit umgeklappten Rücksitzlehnen passen 1.400 Liter in den iX2 – oder man nutzt die optionale Anhängerkupplung mit gebremst 1.200 Kilogramm Zuglast.
Ein Kritikpunkt: Es gibt keinen Frunk etwa für das Ladekabel. Dieses kann entweder in einem Fach unter dem Kofferraumboden verstaut werden (mit schlechter Zugänglichkeit, wenn Gepäck im Kofferraum ist) oder es nimmt Platz im Kofferraum weg bzw. fliegt umher. Beides ist nicht ideal, erst recht nicht in dieser Preisklasse.
Gemessen an der Länge – der iX2 ist glatte 20 Zentimeter kürzer als ein Model Y – gibt es im Innenraum ausreichend Platz. Vorne gibt es keine Einschränkungen, auf der Rückbank wird es bei groß gewachsenen Passagieren am Kopf etwas enger – ganz kaschieren kann BMW die flachere Dachlinie des iX2 eben doch nicht. Aber dafür gibt es ja den iX1. Die Materialauswahl und Verarbeitung sind gut, Elemente wie der etwas dickere Lenkradkranz und die physischen Lenkradtasten anstelle von Touch-Flächen sind sehr angenehm anzufassen und zu nutzen.
Über 17.000 Euro Extras im Testwagen
Dennoch ist der Innenraum des iX2 in meinen Augen nicht ohne Makel. Viele Design-Entscheidungen von BMW kann ich zwar verstehen, die Oberflächen mit verschiedenen Mustern und Linien sind mir persönlich aber zu unruhig – das ist jedoch Geschmacksache. Bei zwei Punkten hat BMW jedoch viel Platz verschwendet: Die induktive Ladeschale für das Smartphone mit Haltebügel ist zwar ein nettes Feature, aber sie nimmt die ganze Breite der Mittelkonsole ein. Eigentlich wäre genügend Platz, um zwei Smartphones nebeneinander zu platzieren. Geladen werden kann aber nur mittig. Und die freischwebenden Mittelkonsolen wurden in anderen Elektroautos schon wieder abgeschafft. Das große Ablagefach darunter sieht zwar schick aus, ist aber äußerst unpraktisch zu erreichen. Eine geschlossene Mittelkonsole mit großem Zugriff von oben würde den Nutzwert deutlich erhöhen.
Wirklich günstig sind BMWs selten, das ist bekannt. Der iX2 mit dem 150 kW starken Frontantrieb ist ab 49.900 Euro erhältlich. Bei unserem im Januar zugelassenen Testwagen steht noch ein Basispreis von 56.500 Euro, aktuell ist der iX2 xDrive30 aber ab 57.000 Euro Listenpreis erhältlich. Das wäre im Wettbewerbsumfeld ein guter Preis, allerdings kommen bei BMW noch zahlreiche Sonderausstattungen hinzu. Lack, Felgen, Assistenzsysteme, M-Sportpaket und weitere Features treiben den Preis auf stolze 74.690 Euro. Dass man für Sportpakete, den 22-kW-AC-Charger oder die 20-Zoll-Bicolor-Felgen als Individualisierung mehr Geld verlangen kann, ist klar. Dass in dieser Preisklasse aber noch elektrisch verstellbare Vordersitze (850 Euro), die Sitzheizung vorne (350 Euro) oder ein beheizbares Lenkrad (190 Euro) extra bezahlt werden müssen, wirkt aus der Zeit gefallen.
Fazit
Beim Fahrverhalten setzt der iX2 den Standard in der Klasse – hier müssen sich andere Elektroautos an dem BMW messen lassen. Bei Reichweite und DC-Ladeleistung gibt es aber Luft nach oben. Mit seinem erstaunlichen Platzangebot und den größtenteils ausgereiften Assistenten bietet der iX2 ein gutes, wenn auch teures Gesamtpaket.
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