ZF bringt Hybrid-Getriebe für schwere Nutzfahrzeuge heraus
Auf seinem Global Technology Day 2024 hat ZF jüngst einen Ausblick auf seine Nutzfahrzeug-Innovationen aus den Bereichen Dekarbonisierung, Digitalisierung, Fahrwerk und Sicherheit gegeben. Dabei kündigte der Technologiekonzern auch ein neues Hybridgetriebe für schwere Nutzfahrzeuge an. Erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden soll das Lkw-Getriebe ebenso wie neue Sicherheits- und Softwarelösungen auf der IAA Transportation im September in Hannover.
ZF steht aktuell bekanntlich unter großem Druck. Erst vor wenigen Tagen hatte das Unternehmen angekündigt, die Zahl der Beschäftigten in Deutschland bis 2028 sukzessive um 11.000 bis 14.000 zu reduzieren. Ein besonderer Sparfokus liegt auf der Division Elektrifizierte Antriebstechnologien. Als Grund nennt ZF den hohen Wettbewerbs- und Kostendruck in diesem Bereich und die schwache Marktentwicklung bei E-Autos. Derzeit sind bei ZF in Deutschland rund 54.000 Menschen beschäftigt. Wenn die jetzt angekündigte Restrukturierung in vier Jahren abgeschlossen ist, könnten es nur noch zwischen 40.000 und 43.000 Beschäftigte sein.
In dieser schwierigen Gemengelage fällt nun die anstehende IAA Transportation in Hannover. ZF betont, dass seine Neuheiten für den Nutzfahrzeug-Sektor von Synergie-und Skaleneffekten aus dem Pkw-Bereich profitieren, was die Entwicklungs- und Produktionskosten niedrig hält. Die Strategie des spartenübergreifenden Technologietransfers versetzt den Zulieferer nach eigenen Angaben in die Lage, „Innovationen schnell zu industrialisieren und Kunden zu wettbewerbsfähigen Preisen anzubieten“.
Bereits zwei Aufträge für neues Hybrid-Getriebe
Machen wir’s konkret: Im Antriebsbereich soll neben den bestehenden Lösungen zur Vollelektrifizierung von Lkw und Bussen künftig ein Getriebe für schwere Hybrid-Nutzfahrzeuge ins Sortiment aufgenommen werden. Für die Neuheit namens TraXon 2 Hybrid liegen den Friedrichshafenern zufolge bereits Aufträge von zwei OEMs vor – einer mit Sitz in Asien und einer mit Zentrale in Europa. Leistungsdaten zum Getriebe nennt ZF noch nicht. Diese dürften im September auf der IAA Transportation folgen. Der Hersteller will das Getriebe als Alternative verstanden wissen, um heterogene Kunden- und Marktanforderungen zu befriedigen.
In den folgenden Passagen ihrer Pressemitteilung werden die Friedrichshafener durchaus noch deutlicher: Die Hybrid-Technologie helfe, den Übergang zur E-Mobilität zu gestalten und die ambitionierten CO2-Ziele zu erreichen. „Denn die Zulassungszahlen vollelektrischer Fahrzeuge steigen aktuell langsamer als erwartet – bei Pkw wie Nutzfahrzeugen. Allen voran in Europa und den USA stagniert die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen, was in vielen Märkten zu Preiskämpfen führt.“ ZF spricht mit Blick auf die Hybrid-Alternative von „Zwischenschritten“ und „regionalen Unterschieden“. In Lkw sind Hybrid-Anwendungen bisher so gut wie nicht existenziell, im Bussegment schon eher.
„Mit der Entwicklung von TraXon 2 Hybrid zeigen wir, wie wir Synergien zwischen unseren Unternehmensbereichen schnell und flexibel herstellen. Mit der Neuentwicklung schaffen wir eine effektive Möglichkeit, Kraftstoff-Emissionen zu reduzieren“, kommentiert Prof. Dr. Peter Laier, Mitglied des Vorstands der ZF Group und verantwortlich für die ZF-Nutzfahrzeugdivision Commercial Vehicle Solutions. Hintergrund ist, dass ZF im Pkw-Bereich bereits umfangreiche Erfahrung in der Entwicklung von Hybridtechnologien hat.
Das neue Getriebe ergänzt ZFs beiden elektrischen Lkw-Zentralantriebe CeTrax 2 und CeTrax 2 dual sowie die E-Achsen AxTrax 2, AxTrax 2 dual und AxTrax 2 LF. Die elektrische Achse AxTrax 2 kann darüber hinaus auch in Trailer integriert werden, sodass ein konventionell angetriebenes Lkw-Trailer-Gespann sozusagen in eine Hybrid-Kombination verwandelt wird oder ein ohnehin elektrischer Lkw noch mehr Reichweite erhält.
Speziell für Elektro-Nutzfahrzeuge stellt der Zulieferer zudem ein System zur verbesserten Verbindung zwischen elektrischem Antrieb und der EBS-Bremsensteuerung in Aussicht. „Die zusätzlich gewonnene Bremsenergie dient der Rekuperation, erhöht die Reichweite des Fahrzeugs und ermöglicht zudem ein sanfteres Anfahren“, heißt es. Näher ins Detail geht ZF an dieser Stelle nicht. Als weitere, nicht eMobility-spezifische Innovationen kündigt das Unternehmen zudem die Markteinführung einer Fahrwerk-Software namens cubiX für den Nutzfahrzeugbereich an, ebenso den Launch eines cloudbasierten KI-Diensts („Annotate“) für automatisiertes Fahren und eine Flottenmanagement-Plattform namens Scalar.
In seine Nutzfahrzeug-Division namens Commercial Vehicle Solutions (CVS) setzt ZF große Hoffnungen. 2023 verzeichnete die Sparte ein organisches Wachstum von 20 Prozent, womit sie sich im Vergleich zum Markt überproportional stark entwickelt hat. „Zusammen mit der Division Industrietechnik haben wir zwei besonders starke Bereiche, die den Erfolg unseres Unternehmens steigern“, so Laier. Die Division CVS bündelt alle ZF-Aktivitäten rund um das Transportwesen. Sie vereint die ehemaligen ZF-Divisionen Nutzfahrzeugtechnik und Nutzfahrzeug-Steuerungssysteme. Letztere entstand nach der Übernahme von WABCO durch ZF im Frühjahr 2020.
Für die Neuausrichtung seiner Strukturen inklusive des genannten Stellenabbaus hat der Zulieferer vom Bodensee übrigens die strategische Leitidee „Stärken stärken“ gewählt. Daher sollen die Investitionen in den Bereichen Nutzfahrzeugtechnik, Chassis Solutions, Industrietechnik und Aftermarket weiter verstärkt werden. Bei der Division Elektrifizierte Antriebstechnologien soll hingegen wie erwähnt gespart werden. ZF will die Neuausrichtung aber nicht als Ende der eMobility-Ambitionen verstanden wissen, sondern als Anpassung an das verschärfte Markt- und Wettbewerbsumfeld.
„Trotz der aktuellen Marktsituation ist klar: Der Elektromobilität gehört die Zukunft. Wir sind hier in Vorleistung gegangen und werden in diesen Bereich auch weiterhin stark investieren“, hieß es dazu vergangene Woche aus dem Konzern. Die veränderte Marktperspektive und der hohe Wettbewerbsdruck für elektrifizierte Antriebstechnologien würden jedoch auch die Offenheit für Kooperationen und starke Partnerschaften erfordern. „Zusätzlich zu unserem eigenen Engagement – weiter in der E-Mobilität vorankommen – gilt es auch diese Optionen zu prüfen.“
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