EU widerspricht Wissing zu angeblichen Diesel-Stilllegungen
Kurzer Rückblick: In der vergangenen Woche hatte Wissing in einem Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen behauptet, dass bis zu acht Millionen Dieselfahrzeuge in Deutschland stillgelegt werden müssten. Hintergrund ist ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), in dem geprüft wird, ob sich die Emissionsprüfungen nicht mehr auf Labortests beschränken dürfen. Fahrzeuge mit der Abgasnorm Euro-5 und Euro-6 (vor Euro-6d-temp) wurden aber nur für Emissionstests auf dem Prüfstand entwickelt, nicht für Tests unter Realbedingungen. Wird auf der Straße gemessen (Real Driving Emissions, kurz RDE) erfüllen diese Fahrzeuge die Richtwerte nicht. Wissing warnte davor, diese RDE-Tests nachträglich auf ältere Fahrzeuge anzuwenden – denn dann hätten diese vermutlich stillgelegt werden müssen.
In einem Antwortschreiben, das laut dem „Spiegel“ vom späten Freitagabend stammt, erklärte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton, die EU-Kommission habe nicht vor, Vorschriften zur Einhaltung von Schadstoff-Grenzwerten nachträglich zu ändern. Auch wolle die Kommission keine Maßnahmen ergreifen, „die Bürger, die Autos in gutem Glauben gekauft haben, in irgendeiner Weise benachteiligen würden“.
Der „Spiegel“ schreibt angesichts der „ungewöhnlich scharfen“ Reaktion der EU-Kommission und dem Vorwurf der Irreführung durch den deutschen Verkehrsminister sogar von einem „Schreckenszenario ohne Schrecken“, das Wissing verbreite. Denn der Minister hatte auch davor gewarnt, dass diese RDE-Tests bei Volllast oder Bergauffahrt durchgeführt werden könnten, was Breton in seiner Antwort ebenfalls zurückwies. Auch das von Wissing genannte Datum für die angeblichen Außerbetriebssetzungen am Ende des Jahres sei „willkürlich“, so das Magazin.
Doch der FDP-Politiker ist nach der vermeintlich klaren Antwort aus Brüssel nicht beruhigt. Wissing erklärt nach dem Schreiben von EU-Kommissar Breton für die unionsgeführte Kommission, dieses „bekräftigt meine Sorgen. Es verschleiert, dass ihre eingenommene Rechtsposition vor dem EuGH zum Verbrenner bestehen bleibt und für Millionen Bürgerinnen und Bürger ein Risiko darstellt“.
Im konkreten Fall geht es übrigens um zwei Besitzer von Mercedes-Modellen mit Dieselmotor der Abgasnormen Euro-5 und Euro-6, das Verfahren ist am Landgericht Duisburg anhängig. Diese Fahrzeuge sollen manipulierte Abgasreinigungssysteme verbaut haben, weshalb die Besitzer Schadensersatz von Mercedes-Benz verlangen. Die Duisburger Richter hatten zu einer Vorabklärung 22 teils recht detaillierte Rechtsfragen an den EuGH geschickt, um den Anspruch der beiden Kläger zu bewerten. Es gab vor dem EuGH bereits eine Anhörung. Der Generalstaatsanwalt hält erst im November sein Plädoyer, daher dürfte es in der Folge noch einige Monate dauern, bis ein Urteil ergeht.
Bis Jahresende wird es also sehr wahrscheinlich gar keine Entscheidung geben, wie von Wissing umschrieben. Daher liegt es eher nahe, dass der FDP-Politiker das Schreiben mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen aufgesetzt hat – um als Anwalt für die deutschen Diesel-Fahrer aufzutreten.
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