EU widerspricht Wissing zu angeblichen Diesel-Stilllegungen

EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton ist einer Warnung von Bundesverkehrsminister Volker Wissing entgegengetreten, wonach Millionen von Dieselfahrzeugen von der Stilllegung bedroht seien. Breton bezeichnete Wissings Aussagen als „irreführend“.

Bild: Unsplash

Kurzer Rückblick: In der vergangenen Woche hatte Wissing in einem Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen behauptet, dass bis zu acht Millionen Dieselfahrzeuge in Deutschland stillgelegt werden müssten. Hintergrund ist ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), in dem geprüft wird, ob sich die Emissionsprüfungen nicht mehr auf Labortests beschränken dürfen. Fahrzeuge mit der Abgasnorm Euro-5 und Euro-6 (vor Euro-6d-temp) wurden aber nur für Emissionstests auf dem Prüfstand entwickelt, nicht für Tests unter Realbedingungen. Wird auf der Straße gemessen (Real Driving Emissions, kurz RDE) erfüllen diese Fahrzeuge die Richtwerte nicht. Wissing warnte davor, diese RDE-Tests nachträglich auf ältere Fahrzeuge anzuwenden – denn dann hätten diese vermutlich stillgelegt werden müssen.

In einem Antwortschreiben, das laut dem „Spiegel“ vom späten Freitagabend stammt, erklärte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton, die EU-Kommission habe nicht vor, Vorschriften zur Einhaltung von Schadstoff-Grenzwerten nachträglich zu ändern. Auch wolle die Kommission keine Maßnahmen ergreifen, „die Bürger, die Autos in gutem Glauben gekauft haben, in irgendeiner Weise benachteiligen würden“.

Der „Spiegel“ schreibt angesichts der „ungewöhnlich scharfen“ Reaktion der EU-Kommission und dem Vorwurf der Irreführung durch den deutschen Verkehrsminister sogar von einem „Schreckenszenario ohne Schrecken“, das Wissing verbreite. Denn der Minister hatte auch davor gewarnt, dass diese RDE-Tests bei Volllast oder Bergauffahrt durchgeführt werden könnten, was Breton in seiner Antwort ebenfalls zurückwies. Auch das von Wissing genannte Datum für die angeblichen Außerbetriebssetzungen am Ende des Jahres sei „willkürlich“, so das Magazin.

Doch der FDP-Politiker ist nach der vermeintlich klaren Antwort aus Brüssel nicht beruhigt. Wissing erklärt nach dem Schreiben von EU-Kommissar Breton für die unionsgeführte Kommission, dieses „bekräftigt meine Sorgen. Es verschleiert, dass ihre eingenommene Rechtsposition vor dem EuGH zum Verbrenner bestehen bleibt und für Millionen Bürgerinnen und Bürger ein Risiko darstellt“.

Im konkreten Fall geht es übrigens um zwei Besitzer von Mercedes-Modellen mit Dieselmotor der Abgasnormen Euro-5 und Euro-6, das Verfahren ist am Landgericht Duisburg anhängig. Diese Fahrzeuge sollen manipulierte Abgasreinigungssysteme verbaut haben, weshalb die Besitzer Schadensersatz von Mercedes-Benz verlangen. Die Duisburger Richter hatten zu einer Vorabklärung 22 teils recht detaillierte Rechtsfragen an den EuGH geschickt, um den Anspruch der beiden Kläger zu bewerten. Es gab vor dem EuGH bereits eine Anhörung. Der Generalstaatsanwalt hält erst im November sein Plädoyer, daher dürfte es in der Folge noch einige Monate dauern, bis ein Urteil ergeht.

Bis Jahresende wird es also sehr wahrscheinlich gar keine Entscheidung geben, wie von Wissing umschrieben. Daher liegt es eher nahe, dass der FDP-Politiker das Schreiben mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen aufgesetzt hat – um als Anwalt für die deutschen Diesel-Fahrer aufzutreten.

spiegel.de, zdf.de, tagesspiegel.de

7 Kommentare

zu „EU widerspricht Wissing zu angeblichen Diesel-Stilllegungen“
Frank Hauser
06.08.2024 um 10:26
Politik und deren gewählte Vertreter haben die Aufgabe Interessen von Mitbürgern zu vertreten. Ich kann damit leben ! Ich fahre, nebenbei bemerkt, selbst ein Elektroauto. Bin aber auch in einer Republik aufgewachsen, wo Medien nicht in erster Linie "cancel culture" betrieben haben.
Michael
06.08.2024 um 10:33
Wie ein trotziges Kind... "Ich habe dennoch recht!"Eigentlich zum Fremdschämen..
Max
06.08.2024 um 16:44
Ist doch clever gemacht von Wissing: Wenn er nur höflich um eine Bewertung der Kommission zu diesem Thema gebeten hätte, hätte er eine höfliche, nichtssagende Antwort erhalten. Nun kann die Kommission später nicht einfach doch die Betriebserlaubnis entziehen, ohne das Gesicht zu verlieren. Bekanntlich erhält man in sozialen Medien die belastbarsten Antworten, wenn man zuvor eine wilde Falschbehauptung aufgestellt hat. Ich finde die Provokation von Wissing hier gelungen, und sogar Electrive bietet ihm mit diesem Bericht eine Bühne.
Michael
07.08.2024 um 15:19
Das ist nichtmal rechtlich erlaubt, dass Autos rückwirkend stillgelegt werden. Und das weiß auch der Dampfplauderer Wissing. Das ist keine gelungene Provokation, das ist einfach dummer Populismus und Polemik. Zitat aus RND_ "Die Automobilbranche hält Wissings Befürchtungen ebenfalls für abwegig. „Änderungen im Messverfahren bei der Typgenehmigung eines Kfz zu einem späteren Zeitpunkt können nach Auffassung von ADAC-Juristen nicht rückwirkend Anwendung finden“, erklärte der ADAC. Es gelte Bestandsschutz für bereits zugelassene Fahrzeuge. Der Verband der Deutschen Automobilindustrie teilt diese Auffassung. Eine rückwirkende Anwendung neuer Verfahren würde gegen den Grundsatz des Rückwirkungsverbots und das Rechtsstaatsprinzip verstoßen."
Emobilitätsberatung-berlin K.D.Schmitz
06.08.2024 um 16:52
Hat es denn in der EU schon mal eine Vorschrift gegeben die rückwirkend Fahrzeuge bestillgen lässt, oder eine neue Zulassung erbracht werden musste. Schlimm ist eigentlich doch nur die Feststellung dass die Fahrzeuge über Jahrzehnte zugelassen wurden und jeder wusste dass der Verbrauch in den Sternen steht, aber niemals auf der Straße erreicht werden kann, also alle Abgaswerte die genannt werden die unsere Umwelt belasten, sind völlige Luftsnummern, schlechte Luftmnummern.
Sepp Mayr
06.08.2024 um 17:21
Der Wissing setzt noch einen drauf in Inkompetenz gegen über seiner Vorgänger, Verkehrsminister wird seit Jahren der inkompetenteste einer Partei!
Jörg
06.08.2024 um 17:33
"..wurden aber nur für Emissionstests auf dem Prüfstand entwickelt, nicht für Tests unter Realbedingungen. Wird auf der Straße gemessen (Real Driving Emissions, kurz RDE) erfüllen diese Fahrzeuge die Richtwerte nicht."Wer hätte denn auch ahnen können, dass die Käufer dieser Fahrzeuge diese auch wirklich im Straßenverkehr nutzen und nicht auf dem Prüfstand - dann hätte man natürlich ganz anders entwickelt....

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert