elektrobus electric bus collage 2024
Bilder: Hersteller, Montage: electrive
HintergrundNutzfahrzeug

Wie sich der Markt für elektrische Überlandbusse entfaltet

Die Europäische Beobachtungsstelle für alternative Kraftstoffe hat eine Marktübersicht zu elektrischen Intercity-Bussen vorgelegt. Die Entwicklung dieses Segments ist aus Sicht der Behörde ein Schlüssel zur Verringerung der Emissionen im europäischen Personenverkehr.

Elektrische Überlandbusse stehen an der Schwelle zur Marktreife, gleich mehrere Hersteller bringen sich zur Mitte des Jahrzehnts in Stellung. Einige wenige Modelle sind auch schon verfügbar. Die Europäische Beobachtungsstelle für alternative Kraftstoffe (EAFO) hat den aktuellen Stand, die Herausforderungen und den potenziellen Wachstumspfad von elektrischen Überlandbussen in Europa analysiert und hebt die neuesten Modelle und Entwicklungen in diesem vielversprechenden Segment hervor. Eine ihrer Thesen direkt vorneweg: „Die Expansion der strombetriebenen Intercity-Busse könnte angesichts schneller technologischer Fortschritte und unterstützender gesetzlicher Rahmenbedingungen schnell an Dynamik gewinnen.“

Die Zahlen zum Status Quo fallen allerdings noch sehr bescheiden aus: Im Jahr 2023 wurden in Europa der EAFO zufolge 200 elektrische Überlandbusse zugelassen – gegenüber mehr als 6.000 Batterie-elektrischen Stadtbussen, die im gleichen Zeitraum auf die Straßen kamen. Diese Diskrepanz verdeutlicht zwar das frühe Stadium der Einführung von Elektrobussen im Überlandverkehr, doch gibt es aus Sicht der EAFO mehrere ermutigende Entwicklungen in diesem Sektor, die ein schnelles Wachstum in den kommenden Jahren erwarten lassen –
allen voran die neuen gesetzlichen Leitplanken.

Denn die Europäische Union hat sich bekanntlich ehrgeizige Ziele gesetzt, um die CO2-Emissionen von schweren Nutzfahrzeugen zu verringern. In diese Kategorie fallen auch Überlandbusse. Bis 2030 müssen die Emissionen bei Neuzulassungen schwerer Nutzfahrzeuge um 45 % gesenkt werden, bis 2035 um 65 % und bis 2040 um 90 %. Diese Vorschriften verpflichten die Hersteller, die Entwicklung und den Absatz von Elektrobussen im Überlandbereich zu beschleunigen.

Zur Definition von Überlandbussen noch folgender kurzer Exkurs: Sowohl Stadt- als auch Überlandbusse sind M3-Fahrzeuge („M“ steht für Personentransport, „3“ für ein zulässige Gesamtmasse von mehr als 5 Tonnen), werden aber in Klasse I und II unterschieden. Der Klasse I sind Fahrzeuge mit Stehplätzen zugehörig, „die die Beförderung von Fahrgästen auf Strecken mit zahlreichen Haltestellen ermöglichen“ – also Stadtbusse. Die Klasse II umfasst dagegen Fahrzeuge, „die hauptsächlich zur Beförderung sitzender Fahrgäste gebaut und so ausgelegt
sind, dass die Beförderung stehender Fahrgäste im Durchgang und/oder in einem Bereich möglich ist, der nicht größer ist als der Raum von zwei Sitzbänken“. Anders ausgedrückt: Die Innenraumkonzeption eines Überlandbusses ist für längere Fahrtaufenthalte im Sitzen ausgelegt. Während Klasse-I-Fahrzeuge der Clean Vehicles Directive unterliegen und in der EU ab 2035 nur noch emissionsfrei verkauft werden dürfen, unterliegen Klasse-II-Fahrzeuge den eben erwähnten neuen CO2-Normen für schwere Nutzfahrzeuge.

Nachfrage vor allem in Skandinavien und Niederlanden

Eng mit dem Überlandverkehr gekoppelt sind dabei sogenannte Low-Entry-Busse (LE), die sich in diesem Segment angesichts ihrer Zugänglichkeit und Anpassungsfähigkeit an alternative Antriebstechnologien zunehmender Beliebtheit erfreuen. Ihr Absatz nimmt vor allem in Skandinavien oder den Niederlanden stark zu, wo Ausschreibungen in der Regel explizit LE-Elektrobusse voraussetzen. Busse diese Bauart verfügen über teils abgesenkte Böden, die ein schnelles Einsteigen der Fahrgäste und den Zugang für Rollstuhlfahrer über manuelle Rampen ermöglichen. Ein anderer wichtiger Aspekt ist, dass sie sich leicht in Batterie-elektrische Fahrzeuge umkonzipieren lassen, da Batterien und andere Komponenten auf dem Dach untergebracht werden können ohne das Profil des Busses wesentlich zu verändern. Nachteile gibt es jedoch auch: LE-Busse haben im Vergleich zu klassischen Modellen weniger Sitzplätze und Gepäckraum und kommen auf höhere Produktionskosten.

Als bisher „führende Hersteller und Modelle“ des elektrischen Intercity-Segments nennt die EAFO in ihrer Marktübersicht die Unternehmen Iveco Bus, MAN, Volvo und Scania. An erste Stelle setzt die Behörde den Iveco Bus Crossway LE Elec, der im Sommer 2023 als elektrischer Stadt- und eben auch als Überlandbus mit Klasse-II-Zulassung enthüllt wurde. Letzterer kommt per Zentralmotor auf 330 kW Leistung und hat Batterien (416 oder 485 kWh Energiegehalt) für eine Reichweite von bis zu 400 Kilometern an Bord. Das Modell erhielt 2023 den Titel des „Sustainable Bus of the Year“.

An zweiter Stelle listet die EAFO den auf der Busworld Brussels 2023 im vergangenen Oktober vorgestellten MAN Lion’s City E LE auf. Dabei handelt es sich um die neue Low-Entry-Variante des klassischen Lion’s City E. Das Batterie-elektrische Modell wartet im Heck mit einem Hochboden statt einer zerklüfteter Hecklandschaft mit Stufen und Podesten auf. Am bekannten Antrieb ändert sich nichts. Das Modell leistet 160 kW Dauer- und 240 kW Spitzenleistung und beherbergt bis zu sechs Batteriepacks mit insgesamt 480 kWh für bis zu 350 km Reichweite. Für 2025 plant MAN auch die Einführung eines E-Reisebusses. Das aber nur am Rande.

Nicht fehlen darf bei der Auflistung der vielversprechendsten Vorstöße ins Überland-Segment die im Frühjahr vorgestellte BZR-Plattform von Volvo. Die Batterien der Plattform kennen wir bereits aus Volvos E-Trucks. Auf ihr soll 2025 der erste elektrische Volvo-Überlandbus in den Verkauf gehen: Der Volvo 8900 Electric ist ebenfalls ein Low-Entry-Bus. Er wird in zwei Längen (12,3 oder 14,9 Metern) angeboten und kann mit vier bis sechs Batteriepaketen à 90 kWh ausgestattet werden, was in Summe einen maximalen Energiegehalt von 540 kWh ergibt. Den E-Antrieb gibt es wahlweise als einmotorige Version mit 200 kW oder als zweimotorige Version mit 400 kW. Die Karosserie des Volvo 8900 Electric wird unterdessen von Manufacturing Commercial Vehicles (MCV) hergestellt. Hintergrund ist, dass Volvo Buses 2023 entschieden hat, in Europa künftig keine Komplettbusse mehr selbst herzustellen. Reichweiten-Angaben zum 8900 Electric macht Volvo noch nicht.

Das Modellangebot wächst weiter

Scania bringt für Überlandlinien ebenfalls einen elektrischen LE-Bus namens Scania BEV Low Entry Class II auf einer neuen Plattform heraus. Vorgestellt wurde der Ansatz bei der jüngsten Busworld in Brüssel. In einem ersten Schritt sollen auf der Plattform 4×2-Low-Entry-Busse aufbauen, die dann „unter optimalen Bedingungen Reichweiten von mehr 500 Kilometer“ erreichen. Die Akkus für die Plattform hat Scania zusammen mit Northvolt entwickelt. Sie sollen besonders nachhaltig ausfallen. Entweder werden vier oder fünf Packs à 105 kWh für bis zu 525 kWh verbaut. Die Dauerleistung beträgt 250 kW. Als Aufbauhersteller holt sich Scania die Firma Castrosua an die Seite. Einen Launch-Termin gibt es noch nicht, aber im Februar wurde das Serienmodell in Spanien präsentiert. Es kann also nicht mehr lange dauern.

In diesem Quartett sieht die EAFO also die (baldigen) Aushängeschilder des neuen Markts. Die Behörde identifiziert darüber hinaus „aufstrebende Akteure“, die künftig ebenfalls relevante Marktakteure werden dürften. Aufgelistet werden hier konkret Solaris, Temsa, VDL und Irizar. Von Solaris ist bekannt, dass der Hersteller bis 2026 eine Hochflur-Elektrobusplattform für Überlandbusse herausbringen will, die sowohl als Batterie- als auch als Wasserstoffvariante erhältlich sein soll. Temsa ist bereits mit einem BEV-Überlandbus draußen, dem Temsa LD SB E. Um ein relevanter Hersteller zu werden, müssen die Türken in Europa aber noch mehr Marktanteile gewinnen. Zum niederländischen Busbauer VDL konstatiert die EAFO, dass die neue E-Bus-Generation des VDL Citea bereits für den Überlandverkehr in Frage komme und der Hersteller damit demonstriere, sich in Zukunft auf dieses Segment konzentrieren zu wollen. Und Spaniens Irizar hat für die zweite Jahreshälfte 2024 sein erstes elektrisches Überland-Busmodell angekündigt, aber noch ohne Details zu nennen.

Als Fazit hält die EAFO fest, dass der Markt für elektrische Überlandbusse in Europa vor einem bedeutenden Wachstum steht, das durch die Unterstützung der Behörden, technologische Fortschritte und die steigende Nachfrage der Verbraucher nach nachhaltigen Transportlösungen angetrieben wird: „Der Markt befindet sich zwar noch in der Anfangsphase, aber die Entwicklung neuer Modelle und Infrastrukturen deutet auf eine vielversprechende Zukunft für Elektrobusse im Überlandverkehr hin. Da die Hersteller weiterhin innovativ sind und ihr Angebot an Elektrobussen erweitern, wird der Übergang zum emissionsfreien Überlandverkehr in ganz Europa an Dynamik gewinnen.“

alternative-fuels-observatory.ec.europa.eu

8 Kommentare

zu „Wie sich der Markt für elektrische Überlandbusse entfaltet“
Mark Müller
08.08.2024 um 12:20
Es ist schon ausserordentlich seltsam, einen Artikel über elektronische Überlandbusse zu schreiben, ohne die Existenz von elektrischen Bussen mit H2-Brennstoffzellen auch nur zu erwähnen. Das ist ideologisch gesteuerte Berichterstattung. In Europa werden dieses Jahr mehrere hundert FCEV-Busse verkauft und auf der Welt (insbesondere China) mehrere tausend.Im Artikel steht immer wieder, dass die BEV-Busse mit um die 500 kWh Batterie 'bis zu' z.B. 500 km schaffen oder 'unter optimalen Bedingungen' 500 km schaffen. Kein Unternehmen kann Kunden in einen Bus auf eine Strecke mitnehmen, die sie vielleicht, oder unter optimalen Bedingungen erreicht. Die tatsächliche Einsatzdistanz für solche Busse ist also so um die 300 Kilometer. Mit mehreren Tonnen Batterien. Für echten Fernverkehr also eindeutig noch nicht geeignet.Für 500 kWh Energie braucht man etwa 30 kg Wasserstoff. Das sind 5 der üblichen Tanks, die man so sieht, oder z.B. 2 Tanks mit flüssigem H2. Beides hat locker auf dem Dach eines Busses oder unten dran Platz. Weitere 500 kWh nachgetankt hat man in ca. 10 Minuten, während denen die Passagiere kurz austreten können.
tacjazo
08.08.2024 um 15:16
Wasserstoff wird nicht in den nächsten Jahren günstig und mit grünem Strom kommen. Schon jetzt ist absehbar, dass sich LKW mit Batterieantrieb durchsetzen werden. Elektrotrucker bei Youtube suchen und überzeugt werden. Zudem hat das Verkehrsministerium ein enormes Projekt für Ladestationen für E-LKW gelauncht, politisch ist das Ding also auch schon durch. Obwohl das Verkehrsministerium in Hand der FDP ist, hat man hier eine sehr wissenschaftliche Entscheidung getroffen - zum Glück. Für Langstreckenbusse werden sich auch Lösungen finden, schneller als Sie gucken können. Ich glaube, Sie haben die ideologische Brille auf, weil Sie auf Krampf die Technologieoffenheit wollen. Wirtschaftlich und wissenschaftlich ist der Drops schon gelutscht.
Dixi K
09.08.2024 um 05:50
Danke
Mark Müller
08.08.2024 um 18:06
Genau 7 Nachrichten vor dieser ist von den 700 FCEV-Bussen die Rede, die bei Solaris bisher bestellt wurden. Nur schon Solaris liefert dieses und nächstes Jahr je ein paar hundert schon fix bestellte wasserstoffelektrische Busse aus. Daneben gibt es noch mindestens 3 weitere europäische Hersteller, die schon ausliefern, darunter auch Mercedes.
Robert Richter
08.08.2024 um 13:48
LOL, da hat einer Ahnung :D
Stefan
08.08.2024 um 12:36
Auch für Überlandbusse kommt es darauf an, ob/wo/wie Laden an den Endstellen möglich ist. Für eine Runde reicht der Akku immer. Wenn der Bus aber 16 h am Tag im Einsatz ist, kann es knapp werden.
Hans Neumann
09.08.2024 um 18:16
Lächerliche Stückzahlen. Schon 2019 hatte Shanghai etwas über 20000 und Beijing 10000 BEV- Busse im Nahverkehr und mehrere Tausend im Überlandverkehr. BYD und Foton. Akku Eisenphosphat. Der Flughafen Brüssel war voll auf BYD. Schon vor 5 Jahren waren die weiter. Auch bei Verteilerlkw bis 4 Tonnen
John
09.08.2024 um 23:22
Bei der Langstrecke und wenn es auf Nutzlast ankommt, glaube ich dass H2/BZ noch nicht aus dem Markt ist. Es ist aber so, dass der billige Grüne H2 auch noch nicht an der Strasse steht. Ferner hat man die Probleme mit Batterierecycling, Ladeinfrastruktur und Netzausbau welche in den nächsten Jahren/Jahrzehnten auftreten werden, noch nicht richtig erkannt und teilweis auch noch nicht diskutiert. Es gibt schon gute Gründe wieso man technologieoffen bleiben sollte. Aber ohne den billigen Grünen H2, der für die Industrie produziert wird und sich dann der Strasse förmlich aufdrängt, wird das wahrscheinlich mit dem H2/BZ auf der Strasse auch nichts. Den aktuellen BEV Preis kennen wir aber auch noch nicht, da die Wertschöpfungsketten im erforderlichen Volumen auch noch nicht stehen, insbesondere was das Recycling, Ladeinfrastruktur und Netzausbau anbelangt. Einfach nur zu behaupten, dass BEV das Non plus Ultra ist, nur weil bisher gefördert und die Chinesen zu Kampfpreisen anbieten, ist auch nicht nachvollziehbar. Ja, und wer electrive.net kennt, der weiß dass man hier die Fahne in den Wind hängt. Das was die Leser hören wollen, über das wird berichtet. Und über H2/BZ will z.Zt. hier niemand was lesen. Und auf jeden Fall möchte man aktuell keine Erfolgsgeschichten lesen. Ich hoffe dass das nun gepostet wird. Da fällt mir die Berichterstattung vom ADAC über BEVs vor ca. 20 Jahren ein. BEVs waren damals im besten Fall eine Fehlinvestition für die OEMs und für den Kunden rausgeworfenes Geld. Heute testet man und lobt die BEVs, weil unersätzlich für unsere Grüne Zukunft. Natürlich nur, weil Klimaschutz und BEV in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

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