Fraunhofer ISI analysiert Batterierecycling-Kapazitäten in Europa
Das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien dem Fraunhofer-Institut ISI zufolgein Zukunft eine zentrale Rolle für Europa spielen. „Derzeit sind sowohl Ausbauprojekte als auch Ankündigungen neuer Recycling-Anlagen zu beobachten.“ Einen Überblick zu der Marktentwicklung geben die Wissenschaftler in einem Analyse-Update, das unter anderem eine interaktive Karte enthält. Diese offenbart die bis Ende 2024 voraussichtlich installierten und für die kommenden Jahre angekündigten Batterierecycling-Anlagen in Europa – inklusive Angabe der jeweiligen Kapazität und Betreiber.
Als Treiber des Markts nennt das Fraunhofer ISI neben abfallwirtschaftlichen Aspekten die von den europäischen Ländern angestrebte Reduzierung der Abhängigkeiten von Rohstoffimporten und geringere Umweltauswirkungen bei der Batterieproduktion. Untermauert hat die EU diese Ziele mit inzwishcen gesetzlich festgelegten Sammel- und Recyclingquoten.
Die interaktive Karte zeigt eine auffallend hohe Anzahl an Recyclingstandorten in Mitteleuropa. Aber auch in Osteuropa werden vermehrt Kapazitäten angekündigt. Dafür gibt es auch eine Erklärung: „Die Nähe zu Batteriematerial-Herstellern, Batteriezellherstellern oder Automobilherstellern ist ein erkennbarer Treiber für die Standortauswahl von Recyclinginfrastrukturen, z. B. in Mittel- und Ostdeutschland, Ungarn, Nordfrankreich oder an der skandinavischen Küste“, so die Fraunhofer-Forscher. Zahlreiche Anlagen werden dabei aus Pilotprojekten oder kleineren Anlagen mit Ausbaustufen geplant. Beispiele für Ersteres sind zum Beispiel Cylib oder Tozero – jeweils universitätsnahe Startups. Als Vertreter des zweiten Ansatzes sind „bereits etablierte Unternehmen wie Northvolt, SungEel HighTech und EcoBat zu nennen, die bis 2030 die Recycling-Kapazität ihrer Standorte um teilweise mehr als 100 Kilotonnen Verarbeitungskapazität pro Jahr erweitern möchten“, so die Analysten. Und: Automobilhersteller wie beispielsweise Mercedes-Benz (mit Licular in Kuppenheim) bauen in der Nähe ihrer Produktionsnetzwerke eigene Spoke und Hub-Recyclingkapazitäten aus.
Die Recyclingstandorte können nach Recyclingtiefe – also je nachdem, was Eingangs- und Ausgangsmaterialien des Recyclingprozesses sind – in „Spokes“ und „Hubs“ eingeteilt werden. In den Spokes werden vorrangig die ersten Schritte des Batterierecyclings, das sogenannte Pretreatment, durchgeführt. Hierbei werden Altbatterien unter anderem gesammelt, entladen, demontiert und mechanisch (teilweise auch durch Pyrolyse) zur sogenannten schwarzen Masse aufbereitet.
In den Hubs findet das eigentliche Recycling und damit die Rückgewinnung der Rohstoffe statt. Hierbei wird die schwarze Masse mit pyro- oder hydrometallurgischen Verfahren oder elektrochemischen Verfahren raffiniert, wodurch wertvolle Stoffe wie Lithium, Nickel, Kobalt und Kupfer zurückgewonnen werden. „Aber auch andere, weniger wertvolle, aber Critical Raw Materials wie Graphit oder Mangan werden nun in den Fokus der Rückgewinnung mit einbezogen“, haben die Forscher festgestellt.
Einzelne Recyclingprojekte umfassen sowohl Spoke- als auch Hub-Aktivitäten an einem Standort. Insgesamt sei das Batterierecycling aber sehr vielfältig und könne mit unterschiedlichen Prozesskombinationen durchgeführt werden, heißt es weiter. In Europa zeichnet sich den Fraunhofer-Forschern zufolge jedoch klar die Hydrometallurgie als Kernprozess in den Hubs ab. Nur vereinzelt finde die Pyrolyse in der Vorbehandlung oder die Pyrometallurgie als Teilprozess im Hub noch Anwendung, etwa bei Umicore oder Nickelhütte Aue.
Die interaktive Karte zeigt ferner, dass Spokes für eine optimale Sammellogistik eher dezentral liegen, während Hubs für die Bearbeitung der Schwarzmasse zentral errichtet werden beziehungsweise zumeist gut infrastrukturell angeschlossen sind. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass der Transport von Lithium-Ionen-Batterien als Gefahrguttransport eingestuft wird und somit teuer ist. Der Weitertransport von Schwarzmasse zu den Hubs stellt hingegen keine große Anforderung dar.
In Europa übersteigen aktuell die kumulierten Kapazitäten der Hubs (Stand 2024: ca. 350 Kilotonnen/Jahr) die Kapazitäten der Spokes (Stand 2024: ca. 300 Kilotonnen/Jahr). Die aktuellen Kapazitäten von ganzheitlichen Recyclern (Spoke- und Hub-Aktivitäten gleichzeitig und an einem Standort) umfassen nur einige zehn Kilotonnen pro Jahr. „Auf den ersten Blick übersteigt die absolute Anzahl an Hubs die Anzahl der Spokes. Allerdings sind viele Hub-Aktivitäten entweder installierte oder angekündigte Kapazitätserweiterungen bereits bestehender Anlagen. Nahezu jeder Akteur im europäischen Batterierecycling plant, mehrere Standorte für seine Recyclingaktivität zu errichten“, so die Einschätzung des Fraunhofer ISI.
Methodisch ist noch anzumerken, dass es zwar zu den meisten Recyclinganlagen Kapazitäts-Informationen gibt. Da aber nicht alle Anlagen die gleiche Recyclingtiefe haben, können diese Kapazitäten nicht einfach addiert werden. „Jedoch lassen sich die Kapazitäten für Spokes und Hubs getrennt addieren und liefern so eine Abschätzung der gesamten Recycling-Kapazität in Europa. (…) Alle Kapazitäten spiegeln dabei nicht die tatsächlich vorbehaltenen Kapazitäten wieder, sondern die öffentlich gemeldete Maximalkapazität eines Standorts.“
Machen wir es konket: In Europa werden die Gesamtkapazitäten der Spokes für das LIB-Recycling bis Ende 2024 voraussichtlich auf 300.000 Tonnen pro Jahr steigen. Dabei sind bereits Kapazitäten inkludiert, die für das Jahr angekündigt, aber noch nicht offiziell eröffnet worden sind. Im Vergleich zu 2023 ist das mehr als eine Verdoppelung der Kapazitäten (160.000 Tonnen bis Ende 2023), etwa allein durch die Ankündigungen von Li-Cycle in Magdeburg, Eramet in Dünkirchen und Re.Lion.Bat in Meppen mit einer kumulierten Kapazität von 100.000 Tonnen im Jahr 2024. Mit angekündigten Neuanlagen und Erweiterungen werden die Kapazitäten in Europa 2026 voraussichtlich 330.000 Tonnen/Jahr erreichen. Bis 2030 sind insgesamt knapp als 370.000 Tonnen/Jahr an Kapazitäten allein für das Pretreatment angekündigt.
Nach 2024 steigen auch die angekündigten Kapazitäten zur Wiederaufbereitung der Rohstoffe und -materialien in Hubs deutlich an. Bis 2030 entspräche die Gesamtkapazität für die Materialrückgewinnung mit 900 Kilotonnen/Jahr nahezu dem Doppelten der Pretreatment-Kapazität. Ob und wie viel dabei der Import von Schwarzmasse als Input für die Materialrückgewinnung eine Rolle spielt, ist den Forschern zufolge noch unbeantwortet.
Ein Vergleich der geplanten Recycling-Kapazitäten mit den prognostizierten Rücklaufmengen an Recyclingbatterien und Produktionsausschüssen (2026 liegt die prognostizierte Rücklaufmenge bei ca. 270.000 Tonnen/Jahr) deutet laut Fraunhofer ISI unterdessen darauf hin, dass die kumulierten geplanten Kapazitäten in den kommenden Jahren über dem Bedarf liegen werden.
isi.fraunhofer.de
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