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Bild: Expresso
HintergrundFlotten

Expresso setzt seine Außendienstler ans Steuer von Elektroautos

Die Kassler Firma Expresso hat die Flotte ihres Vertriebsaußendiensts unter Strom gesetzt. Jeder in der Abteilung des Mittelständlers fährt mindestens 60.000 Kilometer pro Jahr. Die größte Hürde war nicht technischer Art, verraten die Initiatoren, sondern die Ermutigung der Mitarbeiter.

Expresso ist ein 1939 gegründeter Hersteller für Transport- und Hebegeräte, bekannt vor allem für seine Sackkarren. Das in Kassel ansässige Familienunternehmen produziert in Deutschland und beschäftigt insgesamt gut 130 Mitarbeiter, darunter Kollegen im Außendienst und Service, die monatlich tausende Kilometer schrubben. Vergangenes Jahr erfolgte im Vertriebsaußendienst die Umstellung auf E-Autos. Fünf Mitarbeiter sind seitdem mit einem Škoda Enyaq unterwegs. „Manch einer kratzt an 100.000 Kilometern pro Jahr“, äußert Maximilian Kühn, der Teamleiter des Vertriebsaußendiensts.

Die neuen Beschaffungsregeln für Geschäftsautos gelten für das ganze Unternehmen, mit Ausnahme der Transporter-Serviceflotte. Sprich: Auch die Poolfahrzeuge oder die Dienstwagen der Führungskräfte sind oder werden elektrifiziert. Alexander Bünz, Geschäftsführer der Expresso Deutschland GmbH, fährt beispielsweise einen BMW i4. Er erläutert, dass nur der Service zurzeit noch auf herkömmlichen Vito-Transportern basiere. „Wir beobachten die Entwicklung in diesem Bereich genau. Voraussichtlich werden wir aber auch im Service elektrisch.“ Dabei erwägt Expresso nicht nur Neu-Transporter, sondern will sich eventuell auf dem Gebrauchtwagen-Markt umschauen. Denn damit hat das Unternehmen gute Erfahrungen gemacht: Ein gebrauchter E-Skoda pendelt zurzeit zum Material-Transport zwischen dem Kasseler Stammsitz und einem Partnerbetrieb.

Autarkie-Quote von 60 – 70%

Die Flottenstrategie ist dabei in Expressos grundsätzliche Ambition eingebettet, seinen CO2-Fußabdruck zu minimieren. Geschäftsführer Bünz schätzt die aktuelle Autarkie-Quote seines Unternehmens auf 60 bis 70 Prozent und betont, dass das noch nicht das Ende der Fahnenstange sein soll. Dazu setzt Expresso auf Photovoltaik auf seinen Gebäuden und Speicher. Bald soll auch ein Fernwärme-Anschluss folgen, um in der Fertigung vom Gas wegzukommen. „Wir sind kein energieintensives Unternehmen“, so Bünz. „Das kommt uns dabei zu Gute.“ Dass Expresso gut darin ist, ausgetretene Pfade zu verlassen, belegen drei Top-100-Platzierungen als Innovationsführer des deutschen Mittelstandes binnen sieben Jahren.

Auch Ladesäulen hat Expresso am Stammsitz natürlich installiert. 18 Ladepunkte sind es zurzeit. Die E-Geschäftswagen laden dort gratis, private E-Autos von Mitarbeitern sehr günstig. Im Vertriebsaußendienst kommt daneben natürlich das Laden unterwegs oder teils auch beim Kunden dazu. Teamleiter Maximilian Kühn, privat ein E-Auto-Enthusiast, war die treibende Kraft hinter der Antriebswende in diesem Bereich. Er machte vorneweg den Selbsttest und fuhr im Job in einem Jahr 90.000 Kilometer rein elektrisch. Bei der Überzeugung seines Teams ließ er ebenfalls Taten sprechen. „Einen Kollegen habe ich eine Woche lang bei seinen Touren begleitet. Jeder hat sein eigenes Firmenauto genommen – er noch den Verbrenner, ich den Enyaq -, sodass offensichtlich wurde, dass alle Wege mit dem Elektroauto zu machen sind, und zwar in annähernd derselben Zeit.“

„Es braucht eine Änderung der Planungsbereitschaft“

Es gibt keinen Vorbehalt, den Kühn nicht kennt. Erforderlich ist aus seiner Erfahrung aber eigentlich nur eines: „Eine Änderung in der Planungsbereitschaft. Es geht darum, Pausen nicht als verlorene Zeit sehen.“ Er betont, dass noch nie jemand unterwegs liegengeblieben ist. Und inzwischen alle mitziehen. „Ich bin stolz auf mein Team, das die Umstellung am Anfang nicht prickelnd fand, aber sehr positiv heranging. Das Ergebnis ist eine echte Akzeptanz und die klare Aussage: E-Auto im Außendienst, das passt.“

Von seinem Chef bekommt er volle Rückendeckung. Bünz betont, dass das Geschäft im Vertriebsaußendienst keinesfalls leide. „Wir können den Plan erfüllen. Wir können unsere Umsätze generieren.“ Außerdem ist die Expresso-Mannschaft mit ihren Außendienstlern im Elektro-Wagen Gesprächsthema bei jedem Kunden: Sie werden durchaus als Pioniere wahrgenommen. Viele Kunden interessieren sich für die neuen Antriebe und fragen, wie die langen Wege machbar sind. „Es gibt nur Argumente für Elektro“, resümiert Bünz. Eine gewisse Identifikation mit diesem Thema verlangt er seinen Leuten dabei bewusst ab: „Wir klären Neueinsteiger über unsere Beschaffungsstrategie auf. Bei uns weiß jeder, was auf ihn zukommt.“

Arbeit auf viele Schultern verteilt

Einen Flottenmanager, der alles koordiniert, hat das Familienunternehmen übrigens nicht. Laut Geschäftsführer Bünz verlief der bisherige Aufbau des E-Auto-Ökosystems „on the fly“, also quasi im Vorübergehen. Kollegen vom Qualitätsmanagement bis zum strategischen Einkauf sind dabei eingebunden – und die Arbeit dadurch auf viele Schultern verteilt. Einmal den Start gemacht, entwickelt sich das System Stück für Stück agil und pragmatisch weiter. Los ging es etwa mit nur einer Ladekarte. Inzwischen haben die Außendienstler Karten mit Vorzugskonditionen bei EnBW und Ionity einstecken. Auch das vom Arbeitgeber unterstützte Heimladen per eigener Wallbox hat sich entwickelt. Das Credo: Wenn man Lösung finden will, gibt es Lösungen.

Wie deutlich sich die Betriebskosten durch die E-Autos verringern, kann Manager Bünz noch nicht dezidiert abschätzen. Klar ist aber, dass sich der Stromverbrauch des Stammsitzes trotz der nun regelmäßigen Ladevorgänge vor Ort reduziert hat – des selbst generierten Solarstroms sei Dank. Ein Fragezeichen bleibt freilich hinter dem Restwert der Elektroautos, die Expresso gekauft und nicht geleast hat. „Das ist das Risiko, das wir eingehen. Ein Stück weit muss man mutig sein“, sagt Bünz dazu.

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