VW: „Uns fehlen die Verkäufe für rund zwei Werke“

Nachdem die VW-Führung am Montag erstmals die Zukunft deutscher Werke in Frage gestellt hatte, stand am Mittwoch die Betriebsversammlung in Wolfsburg besonders im Fokus. Vor den Arbeitnehmern verteidigte der Vorstand seinen Kurs – Finanzchef Arno Antlitz nannte dabei konkrete Zahlen.

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Bild: Volkswagen

Konzern-Finanzvorstand Antlitz sagte bei der Betriebsversammlung laut Redemanuskript: „Es fehlen uns die Verkäufe von rund 500.000 Autos, die Verkäufe für rund zwei Werke. Und das hat nichts mit unseren Produkten zu tun oder schlechter Leistung des Vertriebs. Der Markt ist schlicht nicht mehr da.“

Der Topmanager umriss auch einen Zeitplan, den VW in seinen Augen noch für den Turnaround hat. „Wir haben noch ein Jahr, vielleicht zwei Jahre Zeit, das Ruder herumzureißen. Aber diese Zeit müssen wir nutzen“, sagte er. „Wir geben in der Marke seit geraumer Zeit schon mehr Geld aus, als wir einnehmen. Das geht nicht gut auf die Dauer!“

Zwar hatten schon in der Vergangenheit andere Manager zu alarmierenden Worten gegriffen, VW-Markenchef Thomas Schäfer sprach etwa von einem „brennenden Dachstuhl“. Allerdings wurden solche Aussagen meist in kleineren Runden getätigt, etwa vor Führungskräften. Der Appell von Antlitz wurde aber vor 10.000 Angestellten bei der Betriebsversammlung ausgesprochen – der Betriebsrat sprach sogar von mehr als 16.000 Teilnehmern.

Management drängt auf Kostensenkungen

Berichten zufolge war die Stimmung äußerst angespannt, nachdem Volkswagen am Montag auch die Schließung deutscher Werke nicht mehr kategorisch ausgeschlossen hatte. Wie etwa der „Spiegel“ berichtet, wurden bei der Betriebsversammlung Plakate hochgehalten mit Slogans wie „Hände weg von der Beschäftigungssicherung“ oder „Wir sind Volkswagen, ihr seid es nicht!“ gerufen, als die Vorstandsmitglieder auf der Bühne Platz nahmen. Auf einem von der DPA veröffentlichten Bild ist zu sehen, dass neben Markenchef Schäfer auch Konzern-CEO Oliver Blume an der Versammlung in Wolfsburg teilnahm.

„Wenn wir es jetzt schaffen, unsere Kosten nachhaltig zu reduzieren und in ein Modellfeuerwerk zu investieren, wie es der Wettbewerb und die Kunden noch nicht gesehen haben – dann werden wir es sein, die die Voraussetzungen geschaffen haben, damit auch die nächsten Generationen hier in Deutschland für Volkswagen arbeiten können“, sagte Schäfer bei dem Treffen in Halle 11. Auch Blume zeigte sich emotional: „Ihr könnt auf mich zählen und ich zähle auf euch – wir sind Volkswagen! Wir führen VW wieder dorthin, wo die Marke hingehört. Das ist die Verantwortung von uns allen.“

Obwohl nun weitere Statements aus der VW-Führungsetage bekannt sind, bleiben die genauen Pläne weiter unklar. Am Montag war davon die Rede, dass ein Fahrzeug- und ein Komponentenwerk auf der Kippe stehen würden. Aus Antlitz Rede mit 500.000 fehlenden Fahrzeugen ist jedoch abzuleiten, dass es eher um zwei Fahrzeugwerke geht – aber auf Konzernebene. Ob das Audi-Werk Brüssel, das vor der Schließung steht, dort mit eingerechnet wird, ist offen. Das belgische Werk ist auf 120.000 Einheiten ausgelegt, in diesem Jahr wird Audi dort aber maximal 25.000 Q8 e-tron bauen. Aktuell ist die Lage derart unübersichtlich, dass selbst noch unklar ist, ob die VW-Werke in Niedersachsen sicher sind. Einen für die kommende Woche geplanten Batterie-Workshop für Journalisten in Salzgitter hat VW schon abgesagt.

Vor den Reden der Vorstandsmitglieder hatte Betriebsratschefin Daniela Cavallo bereits heftigen Widerstand gegen die Sparpläne und Werksschließungen angekündigt: „Ich sage es auch hier in Halle 11 noch einmal ganz deutlich und für alle auf der Vorstandsbank zum Mitschreiben: Mit mir, Daniela Cavallo, Gesamt- und Konzernbetriebsratsvorsitzende der Volkswagen AG, wird es hierzulande keine Werksschließungen geben.“ Cavallo sprach auch von einer „Bankrotterklärung“ des Vorstands, dass VW „eben genau nicht an seinen deutschen Standorten und an den deutschen Personalkosten“ krankt, sondern weil der Vorstand seinen Job nicht mache.

Cavallo forderte auch einen „Masterplan Zukunftsfähigkeit 2025 – 2030 – 2035“, samt konkreter Forderungen: „Beispiele dafür sind neue Modelle im Volumensegment. Aber auch, die installierten Kapazitäten der Fabriken bestmöglich auszulasten und somit Fixkosten zu reduzieren. Nur so wird es uns gelingen, gestärkt und nachhaltig erfolgreich wieder aus dieser Situation herauszukommen. Alles andere ist blindes Sparen von einem Quartal zum anderen.“

Bundesregierung kündigt Unterstützung an

Eine Aussage Cavallos dürfte ihre volle Wirkung erst in den kommenden Wochen und Monaten entfalten: „Aktuell gibt es kein gemeinsames Verständnis, wie der Weg aus der Krise konkret aussehen soll.“ Nach einem Mitziehen der bei VW mächtigen Arbeitnehmerseite klingt das nicht, die von Antlitz angestrebten, schnellen Entscheidungen dürften nicht einstimmig getroffen werden. Wolfsburg steht ein heißer Herbst bevor.

Nicht nur der Betriebsrat, sondern auch die Politik will eine Werksschließung bei VW verhindern. „Es ist jetzt Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Standorte, und zwar alle Standorte, gesichert werden und dass betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden“, sagt etwa Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in Reaktion auf die Lage bei VW. Um die Standorte zu sichern, müsse es jetzt Verhandlungen geben, die auch politisch flankiert würden.

An den Plänen und Investitionen rund um die Elektromobilität will die Politik dabei aber nicht rütteln. „Das wäre ganz sicher der falsche Weg“, sagt Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD), der auch im VW-Aufsichtsrat sitzt. Die Alternative wäre aus Sicht des Ministers, so lange wie möglich Verbrenner zu verkaufen, wodurch man irgendwann den Anschluss verpassen werde.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) appelliert an Volkswagen, „unternehmerische Entscheidungen, wie sie jetzt im Raum stehen“, müssten „im Sinne dieser Verantwortung gefällt werden“. Er forderte das Unternehmen auf, Entscheidungen in enger Abstimmung mit den Sozialpartnern zu treffen.

spiegel.de, automobilwoche.de, web.de (Heil-Zitat), autohaus.de (Lies-Zitat), zeit.de (Habeck-Zitat), bild.de (Blume-Zitat)

2 Kommentare

zu „VW: „Uns fehlen die Verkäufe für rund zwei Werke““
Der Beobachter
04.09.2024 um 14:31
Modellfeuerwerk, wieviel fast gleiche Modelle denn noch? Blechbiegequalität können andere inzwischen auch leisten. Aus meiner Sicht geht es um etwas anderes. Aber um da aufzuholen, braucht es bessere Konzepte, Ideen und vorallem eine lange Sicht (nicht nur quartalsweise). Die Entlassung von Diess scheint mir ein sehr grosser Fehler gewesen zu sein. Aber der war halt zu unbequem. Jetzt hat man den Salat und hat wieder Jahre verloren. Ich behaupte mal, mit diesem Management wird es sehr sehr schwierig, die Kurve zu bekommen.
Kalle
04.09.2024 um 15:32
Und dann wird eben VW sterben! Juckt mich nicht die Bohne. Die Chance war da den besten BEV zu bauen. Wenn die es nicht schaffen Preis/Leistung in ein vernünftigen Maße zu bringen, machen es eben anderen 110 Automarken.

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