VW: „Uns fehlen die Verkäufe für rund zwei Werke“

Nachdem die VW-Führung am Montag erstmals die Zukunft deutscher Werke in Frage gestellt hatte, stand am Mittwoch die Betriebsversammlung in Wolfsburg besonders im Fokus. Vor den Arbeitnehmern verteidigte der Vorstand seinen Kurs – Finanzchef Arno Antlitz nannte dabei konkrete Zahlen.

volkswagen wolfsburg 2019 01
Bild: Volkswagen

Konzern-Finanzvorstand Antlitz sagte bei der Betriebsversammlung laut Redemanuskript: „Es fehlen uns die Verkäufe von rund 500.000 Autos, die Verkäufe für rund zwei Werke. Und das hat nichts mit unseren Produkten zu tun oder schlechter Leistung des Vertriebs. Der Markt ist schlicht nicht mehr da.“

Der Topmanager umriss auch einen Zeitplan, den VW in seinen Augen noch für den Turnaround hat. „Wir haben noch ein Jahr, vielleicht zwei Jahre Zeit, das Ruder herumzureißen. Aber diese Zeit müssen wir nutzen“, sagte er. „Wir geben in der Marke seit geraumer Zeit schon mehr Geld aus, als wir einnehmen. Das geht nicht gut auf die Dauer!“

Zwar hatten schon in der Vergangenheit andere Manager zu alarmierenden Worten gegriffen, VW-Markenchef Thomas Schäfer sprach etwa von einem „brennenden Dachstuhl“. Allerdings wurden solche Aussagen meist in kleineren Runden getätigt, etwa vor Führungskräften. Der Appell von Antlitz wurde aber vor 10.000 Angestellten bei der Betriebsversammlung ausgesprochen – der Betriebsrat sprach sogar von mehr als 16.000 Teilnehmern.

Management drängt auf Kostensenkungen

Berichten zufolge war die Stimmung äußerst angespannt, nachdem Volkswagen am Montag auch die Schließung deutscher Werke nicht mehr kategorisch ausgeschlossen hatte. Wie etwa der „Spiegel“ berichtet, wurden bei der Betriebsversammlung Plakate hochgehalten mit Slogans wie „Hände weg von der Beschäftigungssicherung“ oder „Wir sind Volkswagen, ihr seid es nicht!“ gerufen, als die Vorstandsmitglieder auf der Bühne Platz nahmen. Auf einem von der DPA veröffentlichten Bild ist zu sehen, dass neben Markenchef Schäfer auch Konzern-CEO Oliver Blume an der Versammlung in Wolfsburg teilnahm.

„Wenn wir es jetzt schaffen, unsere Kosten nachhaltig zu reduzieren und in ein Modellfeuerwerk zu investieren, wie es der Wettbewerb und die Kunden noch nicht gesehen haben – dann werden wir es sein, die die Voraussetzungen geschaffen haben, damit auch die nächsten Generationen hier in Deutschland für Volkswagen arbeiten können“, sagte Schäfer bei dem Treffen in Halle 11. Auch Blume zeigte sich emotional: „Ihr könnt auf mich zählen und ich zähle auf euch – wir sind Volkswagen! Wir führen VW wieder dorthin, wo die Marke hingehört. Das ist die Verantwortung von uns allen.“

Obwohl nun weitere Statements aus der VW-Führungsetage bekannt sind, bleiben die genauen Pläne weiter unklar. Am Montag war davon die Rede, dass ein Fahrzeug- und ein Komponentenwerk auf der Kippe stehen würden. Aus Antlitz Rede mit 500.000 fehlenden Fahrzeugen ist jedoch abzuleiten, dass es eher um zwei Fahrzeugwerke geht – aber auf Konzernebene. Ob das Audi-Werk Brüssel, das vor der Schließung steht, dort mit eingerechnet wird, ist offen. Das belgische Werk ist auf 120.000 Einheiten ausgelegt, in diesem Jahr wird Audi dort aber maximal 25.000 Q8 e-tron bauen. Aktuell ist die Lage derart unübersichtlich, dass selbst noch unklar ist, ob die VW-Werke in Niedersachsen sicher sind. Einen für die kommende Woche geplanten Batterie-Workshop für Journalisten in Salzgitter hat VW schon abgesagt.

Vor den Reden der Vorstandsmitglieder hatte Betriebsratschefin Daniela Cavallo bereits heftigen Widerstand gegen die Sparpläne und Werksschließungen angekündigt: „Ich sage es auch hier in Halle 11 noch einmal ganz deutlich und für alle auf der Vorstandsbank zum Mitschreiben: Mit mir, Daniela Cavallo, Gesamt- und Konzernbetriebsratsvorsitzende der Volkswagen AG, wird es hierzulande keine Werksschließungen geben.“ Cavallo sprach auch von einer „Bankrotterklärung“ des Vorstands, dass VW „eben genau nicht an seinen deutschen Standorten und an den deutschen Personalkosten“ krankt, sondern weil der Vorstand seinen Job nicht mache.

Cavallo forderte auch einen „Masterplan Zukunftsfähigkeit 2025 – 2030 – 2035“, samt konkreter Forderungen: „Beispiele dafür sind neue Modelle im Volumensegment. Aber auch, die installierten Kapazitäten der Fabriken bestmöglich auszulasten und somit Fixkosten zu reduzieren. Nur so wird es uns gelingen, gestärkt und nachhaltig erfolgreich wieder aus dieser Situation herauszukommen. Alles andere ist blindes Sparen von einem Quartal zum anderen.“

Bundesregierung kündigt Unterstützung an

Eine Aussage Cavallos dürfte ihre volle Wirkung erst in den kommenden Wochen und Monaten entfalten: „Aktuell gibt es kein gemeinsames Verständnis, wie der Weg aus der Krise konkret aussehen soll.“ Nach einem Mitziehen der bei VW mächtigen Arbeitnehmerseite klingt das nicht, die von Antlitz angestrebten, schnellen Entscheidungen dürften nicht einstimmig getroffen werden. Wolfsburg steht ein heißer Herbst bevor.

Nicht nur der Betriebsrat, sondern auch die Politik will eine Werksschließung bei VW verhindern. „Es ist jetzt Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Standorte, und zwar alle Standorte, gesichert werden und dass betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden“, sagt etwa Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in Reaktion auf die Lage bei VW. Um die Standorte zu sichern, müsse es jetzt Verhandlungen geben, die auch politisch flankiert würden.

An den Plänen und Investitionen rund um die Elektromobilität will die Politik dabei aber nicht rütteln. „Das wäre ganz sicher der falsche Weg“, sagt Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD), der auch im VW-Aufsichtsrat sitzt. Die Alternative wäre aus Sicht des Ministers, so lange wie möglich Verbrenner zu verkaufen, wodurch man irgendwann den Anschluss verpassen werde.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) appelliert an Volkswagen, „unternehmerische Entscheidungen, wie sie jetzt im Raum stehen“, müssten „im Sinne dieser Verantwortung gefällt werden“. Er forderte das Unternehmen auf, Entscheidungen in enger Abstimmung mit den Sozialpartnern zu treffen.

spiegel.de, automobilwoche.de, web.de (Heil-Zitat), autohaus.de (Lies-Zitat), zeit.de (Habeck-Zitat), bild.de (Blume-Zitat)

27 Kommentare

zu „VW: „Uns fehlen die Verkäufe für rund zwei Werke““
Der Beobachter
04.09.2024 um 14:31
Modellfeuerwerk, wieviel fast gleiche Modelle denn noch? Blechbiegequalität können andere inzwischen auch leisten. Aus meiner Sicht geht es um etwas anderes. Aber um da aufzuholen, braucht es bessere Konzepte, Ideen und vorallem eine lange Sicht (nicht nur quartalsweise). Die Entlassung von Diess scheint mir ein sehr grosser Fehler gewesen zu sein. Aber der war halt zu unbequem. Jetzt hat man den Salat und hat wieder Jahre verloren. Ich behaupte mal, mit diesem Management wird es sehr sehr schwierig, die Kurve zu bekommen.
Gerald Borg
05.09.2024 um 07:17
.. und vor allem weiter andauernd mit diesem Betriebsrat, dieser Gewerkschaftsmacht, diesen politischen Einflussnahmen und Steuerungen wird es sehr, sehr schwierig, die Kurve zu bekommen.
Kalle
04.09.2024 um 15:32
Und dann wird eben VW sterben! Juckt mich nicht die Bohne. Die Chance war da den besten BEV zu bauen. Wenn die es nicht schaffen Preis/Leistung in ein vernünftigen Maße zu bringen, machen es eben anderen 110 Automarken.
Andreas V.
05.09.2024 um 19:34
Du schaffst es ja auch nicht, ordentliches Deutsch zu schreiben, so what?!
Thomas Jakob
04.09.2024 um 16:37
Die Chinesen würden sicher gerne das ein oder andere Werk übernehmen, um so nicht mehr von den Zöllen betroffen zu sein. Also werden da auch einige Arbeitsplätze erhalten bleiben. Nur eben mir neuem Logo auf dem Arbeitsanzug.
Gerd Uit
05.09.2024 um 09:05
.. und freilich mit anderen Summen auf dem Gehaltszettel.
Andreas V.
05.09.2024 um 19:34
Tarifvertrag!!
Dixi K
04.09.2024 um 17:16
Und das hat nichts mit unseren Produkten zu tun oder schlechter Leistung.Modellfeuerwerk... Oh Gott, armes Deutschland. Hätte Mann mal lieber statt Abgasmanipulationen und Affentest mit Abgasen früher schon gute E-Autos gebaut. Aber nein, lieber viel Schwachsinn verbreiten und alles neue schlecht reden. Es gibt heute noch viel zu viele Menschen die eine komplette Abneigung gegen Elektroautos haben und denken das wäre nur eine Modeerscheinung.
Christian
04.09.2024 um 18:21
Warum kommt den in der Tagesschau was von VW, jede andere Firma ist auch wichtig. Sie sind selber schuld. Wenn selbst Start UPS wie damals Tesla bessere BEV bauen. Von einem Milliarden Konzern erwarte ich das er es schafft günstige Fahrzeuge mit 80kwh Akkus zu bauen für 15k. Dafür werden die ja unterstützt.
Jörg
04.09.2024 um 18:30
Erinnert sich noch jemand an den größten Droschken-Bauer Deutschlands? Nach dem Dieselskandal hab ich für VW auch keinerlei Mitleid mehr übrig....
Gustav Gans
04.09.2024 um 19:05
Klar, der Markt ist schuld, doch nicht das Produkt. Nachdem man über viele Jahre die Produktlaufzeiten verkürzt hat sind jetzt die Kunden schuld, denn die sind Markt.
Frank
04.09.2024 um 20:57
Das kommt davon, wenn man BEVs 20 Jahre lang nur belächelt.
Bruno Euler
05.09.2024 um 07:07
Warum schliessen? Verkauft die Standorte doch einfach den chinesischen Herstellern. Evtl. gibts dann zeitnah konkurrenzfähige Modelle "Made in Germany".
C. Brinker
05.09.2024 um 07:14
Das Statement von Hubertus Heil ist eine Unverschämtheit. Weshalb springt dieser Mensch ungefragt in die Bresche und kündigt an, Steuergelder für ein Abwenden der Schließungen verwenden zu wollen (anders kann es politisch ja nicht gehen)? Mit einem solchen Auffangnnetz können sich alle bei VW beruhigt zurücklegen und weitermachen wie bisher, bravo
sig
05.09.2024 um 07:48
2025 gelten neue Flottenverbrauchs-Grenzwerte. evtl. will man ja 2024 nicht so viele EVs verkaufen? die fehlen ja dann in der Berechnung und die Strafzahlungen wären höher?
David W
05.09.2024 um 08:26
Wo ist eigentlich das ganzen Geld das man angeblich in den "Fetten Jahren" verdient hat? Das kann doch nicht alles weg sein? Und wo ist mal ein wirklich praktisches E-Auto? Also eines mit AHK und Dachlast? Ich brauche keine riesen Displays und haufenweise piepsenden Firlefanz, ich brauche ein Auto mit dem man mal den Grünschnitt wegbringen oder ne Biertischgarnitur transportieren kann. Nicht 500km weit sondern 5. Ist das wirklich so schwer? Entscheidend wäre auch die Aussicht das man in 10 Jahren noch ein Batterie Upgrade bekommt. Wartungsfreundlichkeit ist in der Konstruktion auch zum Fremdwort geworden. Gefühlt gehen die allermeisten Produkte einfach an den Bedürfnissen vieler Autokäufer vorbei, sicher all derer die das Auto als Erstwagen und länger als 3 Jahre fahren wollen.
Klaus Amrum
05.09.2024 um 09:13
Das mit dem „Firlefanz“, riesigen Displays etc. ist auch eine Generationsfrage. Die jüngere Generation will das durchaus, nur sind sie nicht die typischen Neuwagenkäufer in Deutschland. U. a. Chinesen und Japaner wollen ebenfalls „Firlefanz“, riesige Displays und Avatare.
Mike
05.09.2024 um 09:04
Dann kommt endlich mal mit dem ID.2 in die Puschen, spendiert dem ID.3 echte Lenkradtasten, Drehregler für Temperatur und Tasten für Sitzheizung. Bietet Basisfunktionen wie Regensensor, Sitzheizung serienmäßig an (spart wertvollen Strom) und z.B. eine Rückfahrkamera ohne 4-stelligen Paketaufpreis. Wenn ich ein schlecht bedienbares Auto will, bekomme ich ein besseres bei T...a.
Richard
05.09.2024 um 09:38
Nach meinem Passat-Diesel-Gate juckt mich VW nicht mehr. Ist halt das Nokia unter den Autobauern. Aber da kommen bestimmt noch so 1-100 Milliarden von Lindner/Wissing und Co. Hat man ja sicher gut eingespart bei der Kürzung dem ganzen Förderstopp.
MWF
05.09.2024 um 11:58
Na wenn die Politik hier finanziell aushilft, sind das dann nicht ebenso marktverzerrende staatliche Subventionen die dann mit "Zöllen" sanktioniert werden müssen? Mal sehen wie es die Chinesen dann sehen. ; )
MWF
05.09.2024 um 12:02
"Und das hat nichts mit unseren Produkten zu tun oder schlechter Leistung des Vertriebs. Der Markt ist schlicht nicht mehr da.“ Das stimmt so nicht ganz. Weltweit wurden bis Juni 2024 (lt. statistika) mehr PKW verkauft als in den Vorjahren.
H.Ebel
05.09.2024 um 13:08
VW sollte sich schnell auf seinen eigentlichen Namen besinnen -nämlich das Wort "Volks-" mal verinnerlichen. Einen typischen Volkswagen bauen die doch bei diesen Preisen schon längst nicht mehr. Da helfen auch keine Steuervergünstigungen für den E-Autokauf für einen Firmenpark. Die Golfklasse zum erschwinglichen Preis für das "Volk", das wäre doch evtl. eine Maßnahme. Bringt aber wahrscheinlich zu wenig Gewinn für die abgehoben Manager.
Stefan
05.09.2024 um 12:31
Dort, wo der Markt wächst, werden nicht so viel in Europa hergestellte Autos verkauft. In vielen Fällen sind die Transportkosten nach Asien/andere Erdteile teurer als die Marktpreise vieler Billig- und Günstigautos.
MWF
05.09.2024 um 14:22
Ja? TESLA produziert in Deutschland das Model Y, verkauft die Produkte aber weltweit. Die schaffen das auch.
MWF
05.09.2024 um 14:29
Alle Gehälter der angestellten Vorstände plus Bonis, alle Gehälter der Aussichtsratsmitglieder, alle Gehälter der Markenchefs und Bereichsleiter addieren. Die Summe würde mich interessieren, für welche Fehlentscheidungen man das in den vergangenen 2-3 Jahren ausgegeben hat. Wer ist HR-Profi und kann das überschlagen?
Gregor
07.09.2024 um 09:14
Ich hatte einen Passat, den ich 2017 verkauft habe. Natürlich mit Betrugs Diesel Abschlag. Warum sollte ich also jetzt selbst VW kaufen, oder es jemand anderen empfehlen? Ich bin nicht dumm und lass mich nicht von VW für dumm verkaufen.
Jensen
08.09.2024 um 12:57
Ob man nun von 500.000 Autos an "fehlenden Verkäufen", 500.000 Autos die nicht abgesetzt werden können, 500.000 Autos die der Markt nicht will oder 500.000 Autos die für den Käufer nicht interessant oder gar zu teuer sind, spricht, dürfte dem Betrachter überlassen sein. Wenn man jedoch von Konzernseite von "fehlenden Verkäufen" spricht hat das zunächst einmal auch eine gewisse Arroganz in sich. Wenn etwas fehlt, hat man vermutlich sehr stark durch eigene Fehler dazu beigetragen. In erster Linie scheint da wohl die Absatzsteuerung im Konzern nicht zu funktionieren. Wenn ein Kaufmann oder Produzent auf den Absatz eines Produkts mit einem bestimmten Volumen angewiesen ist, hat er eben auch die Pflicht dafür zu sorgen, dass bestimmte Zahlen erreicht werden. Die Regeln des Marktes gelten da in beide Richtungen. Wer seine zwingend erforderlichen Zahlen nicht erreichen kann, wird entweder den Markt verlassen oder eben wie im Falle VW die ein oder andere Subventionsmelodie auf dem Unterstützungsklavier spielen lassen. Vielleicht wäre es auch einmal viel wichtiger, dauerhaft fachmännisch analysieren zu lassen, welche Volumen ein Konzern wie VW überhaupt absetzen kann und somit die aktuellen Kapazitäten und Planzahlen ohnehin evtl. gar nicht ausfüllbar oder erreichbar sind. VW ist aber nur ein Platzhalter, dies gilt für Firmen aller Gößen und Branchen.

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