Von Payment über Roaming-Wucher bis HPC-Ausbau – die Reportage von der ICNC24
Auf dem Gelände des früheren Flughafens Tempelhof hat sich electrive-Chefredakteur Peter Schwierz vergangenen Montag ins Branchen-Getümmel gestürzt und mit fünf Experten gesprochen. Die ICNC ist das größte Branchenevent in Berlin und wird jährlich von Hubject, dem Anbieter einer zentralen Roaming-Plattform, veranstaltet. Folglich kommt auch Geschäftsführer Christian Hahn zu Wort. Er kommentiert die aktuelle Stimmung in der Charging-Branche so: „Das ist ein Stück weit normal, dass Wachstum nie eine direkte Linie ist durch zwei Punkte, sondern es gibt Aufs und Abs.“ Die Debatte um hohe Roaming-Preise sieht Hahn eher entspannt – und vergleicht die Situation mit der Frühphase des Mobilfunks, wo es „sehr komplexe Preismodelle“ gegeben habe. Auf der anderen Seite habe der Elektroauto Fahrer „heute ganz viele Möglichkeiten“ vom Ladetarif bis zum Direct Payment per Kreditkarte.
Gesprochen haben wir außerdem mit Alexander Junge, dem Vorstand für Elektromobilität der Aral AG. Junge ist verantwortlich für den Ausbau des Ladenetzes Aral pulse und beteuert, dass sich an den Zielen nichts geändert habe. „Die Euphorie ist einem Realismus gewichen“, räumt Junge ein. Aber für Aral sei klar, dass sich „langfristig die Elektromobilität durchsetzen wird“. Die Frage sei nicht, was passieren wird, sondern nur, wie schnell es passieren wird. Wenn Alexander Junge drei Wünsche frei hätte, steht der Bau der Ladeparks und die Bürokratie beim Netzanschluss im Fokus: Baugenehmigungsfreiheit für Trafos und sonstige Nebeneinrichtungen von Ladestationen, schnellere Netzanschlüsse und eine Höchstbearbeitungsdauer bei den Netzbetreibern von einem halben Jahr. „Das würde uns wirklich sehr helfen“, so Junge.
Der für die Ladeinfrastruktur der EnBW verantwortliche Manager Jürgen Stein erklärt die neue Preisstruktur des Unternehmens. Und wirbt um Verständnis dafür, dass Kunden mit EnBW-Ladekarte jenseits des eigenen Netzes höhere Ladepreise zahlen müssten. Die Kunden hätten immerhin die Wahl. „Wir reden gerne von fairen Preisen und da muss man sehen, was hat die Infrastruktur gekostet.“ Auch der Chief Innovation & New Business Officer bekräftigt, dass der Hypernetz-Ausbau der EnBW wie geplant weitergehe – der Delle beim Hochlauf zum Trotz. „Wir haben uns ganz klar entschieden, nicht vom Gas zu gehen. Wir werden dabei bleiben. Wir bauen genauso stark aus, wie wir es geplant haben.“
Spannende Einblicke in die regulatorische Seite der Ladeinfrastruktur gewährt unterdessen Dr. Katharina Vera Boesche in der Reportage. Die Rechtsanwältin kümmert sich hinter den Kulissen seit vielen Jahren um alle Fragen von AFIR bis Eichrecht – und gibt bei einigen Themen wie dynamischen QR-Codes zum Glück Entwarnung für die Branche. Unklar sei dagegen, wann das BiDi-Gesetz komme. Und auch auf weitere Kleinigkeiten mit großer Wirkung macht sie aufmerksam: So könnten sich die Verschraubungen der HPC-Lader unterjährig lösen. „Das heißt, da müsste jedes Jahr einmal ein Eichbeamter rausfahren und das prüfen.“
Erkenntnisse aus den skandinavischen Märkten liefert Nicolai Woyczechowski von Virta. Das Unternehmen hat finnische Wurzeln und weitet den Vertrieb angesichts der Herausforderungen in Zentral-Europa nun auf neue Märkte aus. Norwegen etwa, bleibe der „Leader im Markt“, weshalb Virta dort Fuß fasse. „Schweden ist kurz dahinter.“ Auch die Niederlande seien ein „toll entwickelter Markt, da steigen wir jetzt auch ein“, so Woyczechowski. Er wünscht sich vor allem mehr politischen Rückenwind für die Elektromobilität.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit der electrive Reportage von der ICNC24!
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