xpeng p7 fahrbericht robin engelhardt 2024 15 min
Bild: Gesine Schurig
FahrberichtAutomobil

Der Xpeng P7 AWD Performance im Langstreckentest: Das beste chinesische Elektroauto?

Viele chinesische Elektroautos haben aktuell vor allem zwei Schwachstellen: Durchwachsene, teilweise auch schlicht sehr niedrige Ladegeschwindigkeiten und unausgereifte Software mit Übersetzungsfehlern und Rucklern. Beides wird zwar durch niedrige Preise kompensiert, aber längere Strecken machen mit vielen dieser Fahrzeuge trotzdem wenig Spaß. Mit Xpeng wagt nun der erste chinesische OEM den Markteintritt, der die Kategorien „bezahlbar“ und „hochwertig“ zu vereinen scheint. Wir waren 1.700 Kilometer mit der verblüffend guten Limousine P7 unterwegs.

Gewohnte Umgebung

Unser Test beginnt mit einer Überraschung: Ein Motor hilft nach, wenn die Tür nicht komplett ins Schloss fällt. So eine Soft-Close-Funktion ist in diesem Preissegment (unser Testwagen kostet 63.460 Euro) eher unüblich, meist findet man sie nur in sehr hochpreisigen Fahrzeugen.

Nach dem Einsteigen fühlt man sich sofort an diverse Wettbewerber erinnert. Ein großer Bildschirm in der Mitte, kaum Knöpfe, alles sehr aufgeräumt. Headup-Display gibt es keins, dafür aber ein schönes Tacho-Display, die Inhalte links und rechts der Geschwindigkeitsanzeige lassen sich frei konfigurieren. In der Mittelkonsole liegt die typische Smartphone-Ablage mit induktiver Ladefunktion, die Gangwahl erfolgt wie bei Mercedes und älteren Teslas über einen Hebel rechts der Lenksäule. Die Außenspiegel werden über die Tasten des Lenkrades verstellt.

Die Düsen der Klimaanlage werden am Touchscreen bedient, wo auch die Belüftung der Vordersitze aktiviert wird. Auf denen sitzt man ziemlich gut – in der hinteren Reihe dagegen hat der Xpeng P7 ein typisches Problemen vieler vollelektrischer Limousinen: Die Batterie im Unterboden schränkt das Platzangebot etwas ein. Nach oben hin ist dabei trotzdem erstaunlich viel Platz, bis exakt 1,80 Meter kann man gerade so aufrecht sitzen, aber ab 1,81 Meter muss man den Kopf einziehen. Auch die Position der Knie ist durch den hohen Boden nicht optimal und die Oberschenkel liegen nicht voll auf dem Sitz auf. Die Beinfreiheit nach vorne geht aber in Ordnung und generell ist das Platzangebot für eine E-Limousine passabel, denn irgendwo muss der Akku ja hin. Positiv fällt der sparsame Einsatz von glossy Oberflächen und das viele Leder auf. An einzelnen Stellen ist noch etwas Hartplastik im Einsatz, aber auch das ist hochwertig verarbeitet.

Schnelles Laden

So vertraut, wie der Wagen von innen wirkt, ist auch sein Äußeres. Auf den ersten Blick hebt der Xpeng P7 sich kaum von der Masse ab, er ist quasi ein automobiles Allerweltsgesicht. Geschlossene Front, durchgängige Leuchtbänder vorne und hinten, versenkbare Türgriffe und leicht geschwungene Linienführung fallen heute auf der Straße kaum noch auf – ecken aber auch nirgends an. Ein klassischer Köpfe-Verdreher ist er nicht, zumindest nicht beim Fahren. Beim Auf- und Zuschließen dagegen bleiben immer Passanten fragend stehen, wenn sie die lustige Bimmelmelodie hören, mit der der Wagen das Ver- oder Entriegeln quittiert. Erst dann fällt vielen das X-förmige Logo auf und die interessierten Fragen beginnen.

Viel Zeit haben wir dafür an den Ladesäulen allerdings nicht, 50 Prozent Ladestand sind bereits nach 14 Minuten erreicht, von 4 auf 80 Prozent lädt er in 28 Minuten. Die Spitzenleistung ab Ladesäule beträgt laut Ionity 189 kW, wir erreichen diesen Wert reproduzierbar immer wieder, ohne auf Vorkonditionierung oder optimale Wahl der Ladesäule zu achten.

Überzeugend auf der Langstrecke

Mit vollem Akku geht es auf die Autobahn, wo der Wagen viele positive Überraschungen liefert und zeigt, dass unter der Haube des „Allerweltsgesichts“ Spitzentechnologie steckt. Angefangen beim Verbrauch, den wir selbst bei sehr sportlicher Fahrweise nicht über 27 kWh/100 km bringen können (Luft nach oben ist sicher noch, allerdings nicht während des Sommerferien-Reiseverkehrs). Beschränken wir uns auf 130 km/h, geht der Zähler nur knapp über die 20 kWh-Marke, was bei 82,7 kWh netto nutzbarer Batteriekapazität einer realen Autobahnreichweite von gut 410 Kilometern entspricht. Auch das Fahrwerk ist überraschend „un-chinesisch“. Es ist zwar bequem, aber nicht so weich und gefühllos wie bei anderen Anbietern aus Fernost. Es bietet mehr Kontakt zur Straße, ohne so hölzern wie in einem Tesla zu sein. Auch die Lenkung ist zwar leicht zu bedienen, aber nicht so synthetisch wie bei vielen anderen Chinesen.

Optimierungsbedarf gibt es nur in Sachen Kurvenlage und bei sehr hohen Geschwindigkeiten: Abgeriegelt ist der Wagen bei 215 km/h laut Tacho, in die läuft er recht abrupt rein und hätte offensichtlich noch Reserven für höhere Geschwindigkeiten. Ab 180 km/h fühlt sich die Federung etwas flatterig an und die Lenkung könnte direkter sein. Dennoch: In diesem Preissegment macht das kaum jemand besser, erst recht niemand aus China.

Gute Verbrauchswerte

Auch abseits der Autobahn sind die Verbrauchswerte ordentlich: Über Land verbraucht der P7 etwa 17 kWh/100 km, in der Stadt gar nur 14. Damit sind für den normalen Alltagspendler 490-590 Kilometer real möglich. Einschränkend ist zu erwähnen, dass wir den Wagen bei sommerlichen 25 bis 32 °C in Süddeutschland getestet haben, diese Werte dürfen also gerne als Optimum begriffen werden, die im Winter eine ordentliche Ecke niedriger ausfallen könnten.

Die Fahrmodi gefallen uns gut: „Classic“ ist schön ausbalanciert, „Eco“ ähnelt der Gaspedal-Kennlinie eines Verbrenners und ist deshalb gut für Umsteiger. In „Sport“ hängt der Wagen so giftig und direkt am Strom, wie es bei einer Performance-Variante sein muss. Lediglich die „X-Pedal“ genannte One-Pedal-Drive-Option muss nochmal nachgebessert werden. Sie ist etwas hakelig, das haben z.B. BMW, Kia oder Tesla schöner gelöst.

Richtig gute Software

Das Infotainment läuft einwandfrei und sehr flott. Das Navi flüstert dank Lautsprecher in der Kopfstütze die Anweisungen diskret ins Ohr, statt ständig in die Musik oder in Telefongespräche hineinzuquaken. Die Integration von Drittanbieter-Apps ist sauber gemacht (von Spotify über TikTok bis zu Disney+ ist alles dabei) und in der logisch strukturierten Menüführung findet man sich sofort zurecht. In 2024 wirklich wichtig ist die One-Click-Abschaltung des Tempo-Warntons – gerade, weil das System auch bei strahlendem Sonnenschein energisch meckert, wenn man sich nicht an „80 km/h bei Nässe“ hält.

Die Sprachsteuerung versteht zwar nur Englisch, das aber tadellos. Nicht nur Entertainment, sondern auch Klimaanlage, Sitzlüftung oder die Scheinwerfer lassen sich darüber steuern. Beeindruckend ist die Präzision der Stauwarnungen. Wenn aus der Kopfstütze ein dezentes „Stau voraus“ ertönt, kann man schonmal den Fuß auf das Bremspedal stellen, denn hinter der nächsten Kurve lauert dann garantiert ein Stauende. Einen kleinen Abzug gibt es für den Ladeplaner, der regelmäßig auch auf der Autobahn langsame 50 kW-Ladestationen ansteuern möchte.

Schwachstelle Assistenzsysteme

Der einzige gravierende Nachteil, der uns am Xpeng P7 auffiel, waren die Assistenzsysteme. Die können theoretisch den üblichen Standard (Abstand halten, Spur halten und nach Blinken die Spur wechseln), allerdings zittert die Lenkung gerne etwas hin und her und wirkt etwas unsicher. Auf Landstraßen und in Baustellen macht der „X-Pilot“ zu viele Fehler und auch auf gerader Strecke kann das leicht ruckelige Spurhalten auf Dauer unangenehm werden. Das macht der Wettbewerb aus Deutschland noch besser. Wirklich gut sind dagegen Einparkhilfe und 360°-Grad-Kamera. Hier läuft alles, wie es soll.

Gekommen, um zu bleiben

Xpeng macht beim deutschen Marktstart fast alles richtig, der P7 ist ein ausgereifteres und besseres Auto als fast alle anderen chinesischen Modelle. Insbesondere die flüssige Software, die niedrigen Verbrauchswerte und die hohe Ladeleistung heben ihn von der übrigen fernöstlichen Konkurrenz ab. Über kleinere Fehler kann man bei dem guten Preis-Leistungsverhältnis hinwegsehen.
Neue Sterne am automobilen Himmel haben wir schon viele gesehen. Die ersten sind schon wieder untergegangen, es werden wohl noch viele folgen. Xpeng scheint hingegen einer zu sein, der bleiben wird. Ab 49.600 Euro rollt der P7 als Hecktriebler zu den Kunden – eine adäquate Antwort in dieser Preisklasse hat die deutsche Autoindustrie bislang nicht. Übrigens haben wir vor kurzem auch den großen Bruder des P7 getestet, den E-SUV Xpeng G9. Diesen Testbericht finden Sie hier.

6 Kommentare

zu „Der Xpeng P7 AWD Performance im Langstreckentest: Das beste chinesische Elektroauto?“
Arbeitnehmer
15.09.2024 um 22:31
Autos, die höher als ein brutto Jahresgehalt sind, kann man schlicht nicht als "günstig" bezeichnen!
Nachfrager
16.09.2024 um 11:04
Das durchschnittliche Jahresnettoeinkommen der deutschen Haushalte liegt bei rund 30 Tsd. Euro. Ca. 35% gehen für Wohnen und Energie drauf. Weitere 15% für Lebensmittel. Es fehlen in der Rechnung noch Posten wie Versicherungen, Sparen fürs Alter, Ausbildungskosten, Urlaub und andere Ausgaben. Es ist mir schleierhaft, wie die Redaktion in diesem Umfeld von einem bezahlbaren Preis sprechen kann. Oder adressiert dieser Blog nur Spitzenverdiener?
lanzu
17.09.2024 um 16:23
Das durchschnittliche Nettojahreseinkommen lag 2021 bei durchschnittlich ca. 45.000€ laut statistischem Bundesamt (aktuellere Zahlen habe ich nicht gefunden, die Einkommen sind aber weiter gestiegen).Natürlich ist das Auto dadurch nicht günstig, aber man sollte schon korrekte Zahlen verwenden.
Octavia_der_Zweite
16.09.2024 um 22:08
Kann es sein, dass das Fahrwerk etwas zu kurz für die Karosserie ist? Die Hinterachse steht auffallend weit vorn im Radhaus. Einzige optische Störstelle, aber bei dem Preis auch nicht unwichtig.
T. S.
17.09.2024 um 14:53
die Zielgruppe der Anbieter, die für sich einen Platz in der gehobenen oder Premium-Liga beanspruchen haben in puncto Bezahlbarkeit sicherlich nicht den Angestellten in einem Discounter, den Bauarbeiter oder den Einzelhandelsmitarbeiter im Fokus. Premium wit´rd immer etwas mit Premium zu tun haben und wenn es nur der Preis ist.Vor einigen Jahren gab es ein koreanisches H2-Auto, das unter 70T€ gekostet hat. Mit einer Ausstattung, die man bei Europäern nicht mal zu buchstabieren wusste. Aufgrund der nicht vorhandenen Krantstoff-Infrastruktur hat sich das BEV durchgesetzt und nicht die Brennstoffzelle. 70T€ ist auch nicht ohne. Heute kostet es 85T€, ABER; Die deutsche Automobilindustrie ist noch Jahrzehnte hinterher. Und in 30 Jahren redet kein Mensch mehr über deutsche Elektroauftos oder koreanische H2-ler. Dann wird Ware auch China das Leben prägen. Egal zu welchem Preis.
egal
19.09.2024 um 12:07
Das Design ist 0 8 15!innen das übliche 0 8 15das Format ebenfalls 0 8 15

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