Bund schreibt Lkw-Ladeparks an 130 unbewirtschafteten Rastanlagen aus

Der Bund stößt offiziell das Vergabeverfahren zum Aufbau eines Lkw-Ladenetzes entlang deutscher Autobahnen an. Dabei stehen zunächst allerdings nur Ladeparks an rund 130 unbewirtschafteten Rastanlagen im Fokus. Insgesamt soll das vom Bund geförderte, initiale Lkw-Schnellladenetz 350 Standorte umfassen.

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Bild: MAN

Gegenstand der jetzt publik gemachten Ausschreibung ist die Planung, Errichtung und der Betrieb von öffentlichen Ladehubs für E-Lkw und -Busse auf unbewirtschafteten Rastanlagen. Initiatoren des Verfahrens sind das Bundesverkehrsministerium (BMDV), die Autobahn GmbH des Bundes und die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur. Die geplanten Ladeparks an rund 130 unbewirtschafteten Rastanlagen werden nun in fünf Lose aufgeteilt, wobei jedes Los rund 25 Standorte umfasst. Zum Laden sind dabei Nennladeleistungen von
mindestens 400 kW pro CCS- und 1.000 kW pro MCS-Ladepunkt vorgesehen. Dazu gleich mehr.

Wir erinnern uns: Mitte Juni hatte das Verkehrsministerium erstmals bestätigt, dass mittels Ausschreibung ein deutschlandweites Lkw-Ladenetz mit 220 Standorten an bewirtschafteten und 130 Standorten an unbewirtschafteten Rastanlagen entstehen soll – und die Ladehubs mit einem nicht näher präzisierten Mix an CCS- und MCS-Ladern aufwarten sollen. Zum Start der Ausschreibung geben die Initiatoren nun bekannt, dass das Lkw-Schnellladenetz rund 4.200 Ladepunkte umfassen soll, „die den spezifischen Anforderungen des Schwerlastverkehrs gerecht werden“. Darunter rund 1.800 MCS-Ladepunkte (Megawatt Charging System) und rund 2.400 CCS-Ladepunkte (Combined
Charging System). Legt man die 350 geplanten Standorte zugrunde, macht das im Schnitt zwölf Ladepunkte pro Ladehub.

Zum Verfahren selbst: Die Vergabe an Unternehmen erfolgt nun in einem mehrstufigen Verfahren, das von der Autobahn GmbH verantwortet wird. „Unternehmen, die über die wirtschaftlichen und technischen Voraussetzungen zur Planung, Errichtung und zum Betrieb der Ladeinfrastruktur verfügen, sind eingeladen sich für die Teilnahme am Verhandlungsverfahren zu bewerben“, schreibt der Bund. Die Zuschlagserteilung wird voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2025 erfolgen, wobei die Ladeinfrastruktur sukzessive bis 2030 implementiert sein soll.

Konkret hat die Autobahn GmbH im Vorfeld sechs Verfahrensschritte angewandt, um geeignete Standorte für die Ladeparks an den bewirtschafteten und unbewirtschafteten Rastanlagen auszuwählen. Hier im Überblick:

  1. Ermittlung des Ladebedarfs im Fernverkehr (Fahrten länger als 300 km) für das Jahr 2030.
  2. Verortung des Ladebedarfs auf Streckenabschnitte der Bundesautobahn basierend auf Verkehrs- und Mautdaten.
  3. Auswahl geeigneter Rastanlagen auf der Bundesautobahn.
  4. Aggregation der Ladebedarfe je Streckenabschnitt der Bundesautobahn auf ausgewählte Standorte.
  5. Dimensionierung der Ladestandorte basierend auf Parkaufenthalten und -dauern.
  6. Bestimmung der Anzahl an Ladepunkten je Rastanlage unter Berücksichtigung von Flächenknappheiten und Festlegung von Umwandlungsanteilen der Stellplätze in Ladepunkte.

Die eigentliche Vergabe der Aufträge erfolgt in Losen, wobei die Gewinner der Ausschreibung gleichermaßen die Planung, die Errichtung und den Betrieb der Ladeinfrastruktur verantworten müssen. Die voraussichtliche Vertragslaufzeit beträgt dabei acht Jahre, wobei dem Bund eine Verlängerungsoption um vier Jahre vorschwebt.

Ausgeschrieben werden im jetzigen Verfahren fünf Lose à rund 25 Standorte. „Diese Aufteilung stellt sicher, dass Wettbewerb ermöglicht wird und Redundanz bei der Errichtung und dem Betrieb der Ladeinfrastruktur erreicht werden“, schreibt die Autobahn GmbH. Die Lose sind dabei so zusammengestellt, dass eine ausgewogene Verteilung der Standorte gewährleistet ist, jeder Gewinner sowohl attraktive als auch weniger lukrative Standorte zugeteilt bekommt und gegenüberliegende Rastanlagen demselben Los zugeordnet sind.

Das Ausschreibungsverfahren ist dabei wie schon beim Deutschlandnetz für Pkw als Wettbewerb organisiert: Die Zuschläge erhalten werden jene Kandidaten, die das Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis abgeben. Dabei gehen der Angebotspreis mit 70 Prozent und die Leistungsqualität mit 30 Prozent in die Gesamtbewertung ein. Jeder Bieter kann sich auf alle Lose bewerben, jedoch grundsätzlich nur ein Los gewinnen, es sei denn, es gibt kein zuschlagsfähiges Angebot für ein bestimmtes Los.

Wer den Zuschlag bekommt, muss anschließend Nennleistungen von 400 kW (CCS) bzw. 1.000 kW (MCS) pro Ladepunkt sicherstellen. Die Ladeleistung kann dabei aber „durch die gemeinsame Nutzung von Leistungseinheiten mehrerer Ladepunkte sichergestellt werden“. Stichwort: Ladeleistungs-Splitting. Die gesplittete Leistung darf bei MCS-Ladepunkten aber 800 kW nicht unterschreiten. Bei CCS muss laut der Autobahn GmbH „zum Übernachtladen mindestens 100 kW“ garantiert sein. Zudem soll Ladeinfrastruktur zur Stromversorgung von Transportkälteaggregaten von E-Lkw oder Anhängern für Kühltransporte errichtet werden.

Zum späteren Betrieb der Ladehubs stellt der Bund klar, dass die Ausschreibungsgewinner flankierende Maßnahmen – etwa zur Reduktion von Schallimmissionen und zur Sicherstellung der Energieeffizienz – einplanen müssen. Dazu zählen auch „nutzerfreundliche Zahlungs- und Abrechnungssysteme sowie eine gute Auffindbarkeit der Ladepunkte“. Die Kandidaten müssen in ihren einzureichenden Betriebskonzepten zudem darlegen, wie sie die Zuverlässigkeit und Reservierbarkeit ihrer Lader gewährleisten. Zu letzterem Punkt präzisiert die Autobahn GmbH, dass Kandidaten eine Reservierungsoption anbieten sowie offene Schnittstellen vorhalten müssen, „damit künftig (unabhängig vom Auftragsgegenstand dieser Ausschreibung) auch betreiberübergreifende Reservierungssysteme angeboten
werden könnten“.

Weiter sind die künftigen Betreiber verpflichtet, Ad-hoc-Laden zu einem selbst bestimmten Preis sowie vertragsbasiertes Laden über E-Mobilitätsdienstleister zu ermöglichen (wobei das Infrastrukturentgelt je gesondert ausgewiesen wird). Außerdem muss Laden nach dem sogenannten Durchleitungsmodell ermöglicht werden. Heißt: Kunden können ihren eigenen Stromvertrag nutzen und den Strom über ihren eigenen Lieferanten beziehen oder selbst beschaffen.

Der Bund geht davon aus, dass mit dem initialen öffentlichen Lkw-Ladenetz rund zwei Drittel des erwarteten Ladebedarfs für den Schwerlastverkehr auf bzw. an Bundesautobahnen abgedeckt werden kann. Er erwartet, dass komplementär „ein weiteres Drittel dieses Ladebedarfs durch den Aufbau einer Schnellladeinfrastruktur auf privaten Flächen in der Nähe von Bundesautobahnen erfolgt“. Private Akteure sind beispielsweise das Joint Venture Milence oder E.ON/MAN.

Die notwendigen Netzanschlüsse für die Standorte werden unterdessen vom Bund parallel zum Ausschreibungsverfahren beauftragt, um eine möglichst zeitnahe Inbetriebnahme zu gewährleisten. Man werde dazu mit den zuständigen Netzbetreibern Netzanschlussverträge abschließen und dem Auftragnehmer die Nutzung des Netzanschlusses auf vertraglicher Basis mit dem Netzbetreiber (Netznutzungsvertrag, Anschlussnutzungsvertrag) ermöglichen, präzisiert die Autobahn GmbH.

Im aktuellen Haushalt 2024 sollen für die erste Ausschreibungsrunde sowie die Finanzierung von Netzanschlüssen früheren Angaben zufolge 2,1 Milliarden Euro reserviert sein. Wichtig – es ist bereits angeklungen: Die Raststätten von Tank & Rast bleiben bei der ersten Ausschreibungsrunde des Lkw-Netzes außen vor. Das sind über 90 Prozent der in Deutschland bewirtschafteten Rastanlagen. Grund ist die laufende Klage der Unternehmen Tesla und Fastned gegen die Autobahn GmbH, durch die sich der Ausbau von HPC-Ladern für Pkw und Lkw an Autobahn-Raststätten bereits seit rund zwei Jahren verzögert. Bis zu einem Urteil dürfte noch etwas Zeit vergehen, auch wenn die erste mündliche Verhandlung in der Sache am Europäischen Gerichtshof naht. Durch die Rechtsunsicherheit ist der Roll-out bei Tank & Rast seit diesem Frühjahr ganz zum Erliegen gekommen.

Grundsätzlich ist der Aufbau des initialen, öffentlichen Lkw-Netzes keine freiwillige Aufgabe, sondern wird dem Bund per EU-Verordnung vorgegeben. So müssen etwa mit Blick auf Deutschland bis 2025 mindestens 32 öffentliche Lkw-Ladeorte entstehen, bis 2027 sind es 104 und bis 2030 mindestens 314 Lkw-Ladestandorte. Die damit einhergehende Ladeleistung für Lkw steigt von etwa 66 Megawatt im Jahr 2025 auf 918 Megawatt im Jahr 2030 an. Per EU-Verordnung ist ebenfalls geregelt, dass Schnellladeinfrastruktur für BEV-Lkw alle 60 bis 100 Kilometer entlang der wichtigsten deutschen Autobahnen zur Verfügung stehen muss.

bmdv.bund.de, autobahn.de (PDF)

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