Daimler feiert seine XXL-Stromer – und fordert Ladenetz-Offensive

Am Vorabend der IAA Transportation 2024 bat Daimler Truck Journalisten, Politiker und Stakeholder zur Media Night, um zu sehen, was das Unternehmen zu bieten hat. Neben elektrischen Lkw und Bussen und einem neuen Vorstandsvorsitzenden hat der Hersteller vor allem eine Botschaft mit auf die Messe nach Hannover gebracht: Wir sind bereit, aber wir brauchen Ladeinfrastruktur.

daimler truck iaa 2024 02 min
Bild: Daimler Truck

Der große Star des Abends ist der eActros 600, der Langstrecken-Lkw von Daimler. Die Produktion werde im November anlaufen, und die ersten Fahrzeuge sollen noch vor Jahresende ausgeliefert werden, so Daimler Truck. Und die Logistikunternehmen sind durchaus bereit, auf Elektroantrieb umzusteigen: Der Hersteller gab bekannt, dass er bereits mehr als 2.000 feste Bestellungen in den Büchern hat.

Der eActros 600 hat gerade eine 15.000 Kilometer lange Testfahrt von Deutschland in den Norden Europas, dann in den Süden und zurück nach Deutschland absolviert. electrive durfte einen Teil der Strecke durch Norwegen mitfahren – hier nachzulesen. Und am Vorabend der IAA wird der Elektro-Lkw auf eine weitere Tour geschickt. Er wird nach Berlin und zurück fahren, um Berliner für die Pressekonferenz des Unternehmens am ersten Messetag mitzubringen. „Wir wollen eine Botschaft an die politischen Entscheidungsträger in Brüssel und Berlin senden“, sagt die designierte Vorstandsvorsitzende von Daimler Truck, Karin Radström, als der Lkw die Messehalle verlässt. „Unsere emissionsfreien Fahrzeuge sind fertig, jetzt muss die Infrastruktur folgen. “

Diese Botschaft wiederholten die Manager des Unternehmens immer wieder: „Die Infrastruktur wird zu einem Hindernis für den nachhaltigen Verkehr“, so der Tenor. „Wir als Industrie sind nicht das Problem“, betont allen voran der scheidende CEO Martin Daum. „Wir sind ein Teil der Lösung.“ Die Produkte seien vorhanden, nun sei es an der Zeit, die Infrastruktur zu installieren, um Elektro-Lkw auf die Straße zu bringen.

Nach Angaben von Radström gibt es in Europa nur etwa 600 Ladestationen für schwere Elektro-Lkw. Um die Elektrifizierung des Verkehrssektors voranzutreiben, würden jedoch bis 2030 35.000 Ladestationen benötigt. „Und diese 35.000 sind keine künstliche Zahl, die ich mir ausgedacht habe, sondern sie ergeben sich aus den CO2-Zielen, die wir als Industrie haben. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten die CPOs 400 Ladestationen pro Monat installieren.“

Die Managerin fährt fort, dass die europäische Verordnung AFIR ein guter Ausgangspunkt sei. „Leider ist das Ziel [der zu bauenden Ladestationen] viel niedriger als das, was wir brauchen, um unsere CO2-Ziele zu erreichen und Europa zu dekarbonisieren“, erklärt Radström. Sie schlägt vor, die Verordnung „viel ehrgeiziger und viel verbindlicher“ zu gestalten.

Ein weiterer wichtiger Bereich ist die Depot-Elektrifizierung: In Europa sind immer mehr Elektrobusse unterwegs – und Till Oberwörder, CEO von Daimler Buses, erläutert vor den Gästen, dass der Hersteller ganze Betriebshöfe in ganz Europa elektrifiziere. „Wir sind derzeit dabei, über 20 Betriebshöfe in ganz Europa umzurüsten.“ Oberwörder kommt mit dem Bus zur Veranstaltung – und zwar mit dem neuen elektrischen eCitaro K. Er misst 10,6 Meter und hat einen kleineren Radstand als der klassische eCitaro. Er ermöglicht einen Wenderadius von 17,28 Metern und soll sich damit vor allem für den Verkehr in engen Stadtteilen eigenen. An Bord hat der eCitaro K bis zu sechs Batteriepacks und Platz für 84 Fahrgäste – nur sieben weniger als der große Bruder.

Auch ein zweiter Daimler-Manager ist mit einem Elektrofahrzeug angereist: Karl Deppen, Leiter von Daimler Truck Asia, rollt in einem Fuso eCanter vor. Die neueste Generation des kleinen Lkw wird als Abfallsammelfahrzeug erhältlich sein, das zunächst in Thessaloniki, Griechenland, zum Einsatz kommt.

Die Daimler Media Night auf der IAA Transportation ist auch die erste öffentliche Veranstaltung für Martin Daum und Karin Radström nach der Ankündigung, dass sie ab 1. Oktober seine Nachfolge als CEO von Daimler Truck antreten wird. Daum wird bis Ende des Jahres im Vorstand bleiben, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. „2025 ist das Jahr, in dem ich mich verabschieden muss, damit ich nicht der Joe Biden der Lkw-Branche werde“, scherzt Daum.

Aber es gab nicht nur gute Nachrichten aus Hannover. Auf die Frage, ob der Hersteller voll auf den elektrischen Weg setzt oder weiterhin Diesel-Lkw anbietet, findet Andreas Gorbach, Vorstand von Daimler Truck und Leiter der Lkw-Technik, klare Worte: „Wir werden auf der Dieselseite wettbewerbsfähig und konform bleiben.“ Das bedeutet, dass Daimler Truck weiterhin Diesel-Lkw verkaufen und produzieren wird, auch wenn das langfristige Ziel die vollständige Elektrifizierung ist.

Daum fügt mit Blick auf den Green Deal der EU und die CO2-Emissionsziele für die Lkw-Branche hinzu, dass es nicht ausreiche, nur zu erklären, dass eine Branche emissionsfrei werden müsse. „Nur weil wir Rechtsvorschriften erlassen, ändert sich nichts. Wir brauchen Produkte“, sagte er. Auch hier verweist er auf das eigene Portfolio des Unternehmens, das Produkte in Form von Elektrofahrzeugen anbietet. „Die Infrastruktur ist das Problem! Und deshalb müssen wir den ganzen politischen Fokus, das Geld, den Willen und die Geschwindigkeit auf die Infrastruktur legen“, so Daum. „Wenn die Infrastruktur nicht fertig ist, werden unsere Kunden nichts kaufen, weil sie nicht laden können, dann müssen wir das Ganze verzögern. “

Dieser Text erschien zuerst auf Englisch auf electrive global.

2 Kommentare

zu „Daimler feiert seine XXL-Stromer – und fordert Ladenetz-Offensive“
Stefan
17.09.2024 um 07:12
„Wir als Industrie sind nicht das Problem…“ Doch ihr seid das Problem und zwar das Scheuklappenproblem, welches bis heute nicht kapiert wurde. Ich sage nur siehe Tesla. Liefern Fahrzeuge inkl. Ladestruktur aus. Auch LKWs Noch mehr Kommentare? Die europäische Fahrzeugindustrie hat es einfach nicht kapiert
Stefan Klimpsch
17.09.2024 um 09:30
Das ist schön \enn Mann auf das Henne Ei Prinzip drauf rumreitet. Klar ist: wer zu seinen Produkt steht, sorgt auch für die nötige Infrastruktur. Wer das nicht kapiert hat schon verloren. Ich kann's nicht mehr hören, die Infrastruktur ist Schuld. Schuld sind al die, die sagen wir müssen auf andere warten, oder auf bessere Technik. auf die Politik. Ach ja da gab's auch noch CEO 's die bestimmten Politikern Flöhe ins Ohr setzten von wegen Technologieoffenheit.

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