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Bild: Milence
HintergrundInfrastruktur

Deutschlands Lkw-Ladenetz nimmt Gestalt an

Mit Vorstößen des Bundes und des Privatanbieters Milence auf der IAA in Hannover ist das kommende öffentliche Ladenetz für Lkw in Deutschland und darüber hinaus wieder ein Stück greifbarer geworden. Wir arbeiten die Quintessenz aus den frisch publik gemachten Rollout-Plänen heraus – identifizieren aber auch die Lücken beim Lkw-Laden.

Zwei Pläne, zwei verschiedene Zeithorizonte: Das vom Bund geförderte, initiale Lkw-Ladenetz soll bis 2030 rund 350 Standorte umfassen – allein in Deutschland. Milence hat auf der IAA Transportation kurzfristigere Zielzahlen veröffentlicht: Das Joint Venture von Daimler Truck, Traton und der Volvo Group will bis 2025 insgesamt 70 Standorte eröffnen – in zehn europäischen Ländern. Dennoch lohnt es sich, die Initiativen zusammen zu erörtern, denn trotz der europäischen Ambitionen bei Milence kommt der Hauptfokus auf Deutschland bei den Plänen des Joint Ventures deutlich heraus. Und die Bundesinitiative beschränkt sich freilich ohnehin nur auf die Bundesrepublik.

Gehen wir ins Detail: Der Bund will über Ausschreibungen an den genannten 350 deutschen Standorten bis 2030 rund 4.200 Ladepunkte für schwere Nutzfahrzeuge realisieren. Darunter rund 1.800 MCS-Ladepunkte (Megawatt Charging System) und rund 2.400 CCS-Ladepunkte (Combined Charging System). Zum Laden sind dabei Nennladeleistungen von mindestens 400 kW pro CCS- und 1.000 kW pro MCS-Ladepunkt vorgegeben.

Legt man die 350 geplanten Standorte zugrunde, machen die avisierten 4.200 Ladepunkte im Schnitt zwölf Ladepunkte pro Ladehub. Allerdings dürften je nach Lage auch deutlich größere und kleinere Ladehubs vorgesehen sein. Ausgeschrieben hat der Bund dieser Tage jedenfalls erst einmal nur 130 Standorte an unbewirtschafteten Rastanlagen. Sie werden in einem wettbewerblichen Verfahren in fünf Losen zu je rund 25 Standorten vergeben. Die weiteren 220 Standorte an bewirtschafteten Anlagen folgen später. Hintergrund sind rechtliche Unsicherheiten in Verbindung mit der laufenden Klage der Unternehmen Tesla und Fastned gegen die Autobahn GmbH.

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Bild: Autobahn GmbH des Bundes

Bei Milence steht seit Aufnahme des Geschäftsbetriebs 2022 das Ziel von 1.700 öffentlichen Lkw-Ladepunkten für Europa fest. Präzisiert hat das Joint Venture dreier zentraler Lkw-Hersteller nun, dass 570 davon bis 2025 entstehen sollen – verteilt auf 70 Standorte. Das sind fast genau ein Drittel der bis 2027 avisierten Ladepunkte. Die Aufbau-Aktivitäten konzentrieren sich derzeit auf zehn Länder (Niederlande, Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, Schweden, Großbritannien, Dänemark, Polen und Spanien), wobei der Hauptfokus auf Deutschland liegt. Das überrascht wenig, schließlich ist Deutschland als Transitland in Europa zentral gelegen und vereint mehr als 30 Prozent des europäischen Straßenverkehrs auf sich.

Konkret plant Milence bis kommendes Jahr 25 Hubs in der Bundesrepublik – der erste Standort wird am Hermsdorfer Kreuz vorbereitet. Anschließend folgen Ladeparks in Vockerode, Himmelkron, Hüttenberg, Kirchberg an der Jagst, Kassel Lohfelden und Recklinghausen.

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Bild: Milence

Da beim initialen Lkw-Ladenetz des Bundes die Zuschläge für die ersten 130 Ladeparks erst in der zweiten Jahreshälfte 2025 erfolgen werden (und diese dann auch erst einmal installiert werden müssen), sind die Milence-Hubs in Kombination mit Ladeparks erster anderer privater Anbieter bis auf Weiteres die einzigen Anlaufstellen für E-Lkw auf der Fernstrecke. Neben der reinen Anzahl und geografischen Verteilung der Ladeparks werden die künftigen Nutzer dabei natürlich auch die vor Ort bereitgestellten Ladeleistungen scannen. Stichwort: Megawattladen.

Dazu teilte Milence dieser Tage mit, dass die Einführung nun unmittelbar bevorsteht. „In den kommenden Monaten“ soll die MCS-Technologie an fünf der Milence-Ladeparks eingesetzt werden. Dazu muss man wissen, dass das Joint Venture bei allen bisher eröffneten oder angekündigten Ladeparks einen zweistufigen Ausbau vorsieht: Erst nur CCS-Ladepunkte mit 400 kW und – sobald verfügbar und standardisiert (da liegt der Hase im Pfeffer) – dann auch MCS-Ladepunkte mit Ladeleistungen im Megawattbereich.

Dazu setzt das Unternehmen auf eine Megawatt-Ladelösung von Power Electronics. Bei einem publik gemachten Test im Juli sprach Milence von einer erfolgreich übertragenen Leistung von 1.100 Kilowatt bzw. 1,1 Megawatt. Grundsätzlich möglich sein sollen mit der Lösung von Power Electronics bis zu 1,44 MW (1.500 A bei 960 V). Zum künftigen Verhältnis von MCS- zu CCS-Ladern an seinen Standorten und im gesamten Netz hat sich Milence bisher aber noch nicht geäußert.

Anders der Bund, der bis 2030 an den Standorten des „Lkw-Deutschlandnetzes“ 2.400 CCS- und 1.800 MCS-Ladepunkte vorsieht – also ein Verhältnis von grob 60:40. Von den geforderten Nennleistungen (mindestens 400 kW für CCS und 1.000 kW für MCS) ausgehend kann dabei aber die Ladeleistung „durch die gemeinsame Nutzung von Leistungseinheiten mehrerer Ladepunkte sichergestellt werden“. Stichwort: Power-Splitting. Die geteilte Leistung darf bei MCS-Ladepunkten aber 800 kW nicht unterschreiten. Bei CCS muss laut der Autobahn GmbH „zum Übernachtladen mindestens 100 kW“ garantiert sein.

Interessant in Zusammenhang mit dem künftigen MCS-Rollout: Die Forschungsergebnisse des für das öffentliche Lkw-Laden zentralen „HoLa“-Projekts in Deutschland hatte bereits im Frühjahr den Bedarf an öffentlichen Megawattladern ermittelt: „Bis 2030 sollte ein initiales, öffentliches Schnellladenetzwerk mit mindestens 1.000 MCS-Ladepunkten aufgebaut werden. Bei schneller Marktdurchdringung von E-Lkw im Fernverkehr und längeren Standzeiten von 45 Minuten werden eher 2.000 MCS-Ladepunkte bis 2030 benötigt“, gaben die Projektleiter im März bekannt. Aktuell sieht es so aus, als würde der Bund die schnellere Marktdurchdringung prognostizieren – und auch entsprechend unterstützen wollen.

Grundsätzlich geht der Bund davon aus, dass mit seinem initialen öffentlichen Lkw-Ladenetz rund zwei Drittel des erwarteten Ladebedarfs für den Schwerlastverkehr auf bzw. an Bundesautobahnen abgedeckt werden kann. Und er erwartet, dass komplementär „ein weiteres Drittel dieses Ladebedarfs durch den Aufbau einer Schnellladeinfrastruktur auf privaten Flächen in der Nähe von Bundesautobahnen erfolgt“. Neben Milence haben sich als private Akteure, die auf diesem Feld aktiv sind oder werden wollen, bereits unter anderem das Duo E.ON und MAN, Shell, Aral oder das Duo TST und EWR in Stellung gebracht.

Vor allem die Pläne von E.ON und MAN sind dabei ambitioniert: Die Partner wollen 170 Ladeparks in Europa errichten – darunter 125 Hubs in Deutschland. Bis Ende 2025 sollen bereits 80 Standorte am Netz sein. Es tut sich also einiges beim Lkw-Laden in Deutschland. Und das ist auch gut so. Denn die E-Trucks sind marktreif und stehen vor der Auslieferung, das hat die IAA in Hannover gezeigt!

Unsere Gespräche auf der Messe offenbaren aber ganz andere Probleme: Im Moment gibt es beispielsweise nicht mal eine App, die öffentliche Ladesäulen für E-Trucks anzeigt. Die ersten Pioniere wie Elektrotrucker Tobias Wagner setzen deshalb auf eigene Tools, die sie sich etwa mit Google Maps erstellen. Dort sind dann all jene Ladestationen gekennzeichnet, die sich für die Anfahrt mit dem Auflieger eignen. Meist handelt es sich dabei um CCS-Lader für Elektroautos. Ähnlich handhabt es ein großer deutscher OEM. Andere Firmen arbeiten mit Excel-Listen. Vom finalen Megawatt-Charging-Standard mal abgesehen, sind es solche simplen Dinge, die den E-Lkw-Fahrern gerade noch fehlen.

1 Kommentar

zu „Deutschlands Lkw-Ladenetz nimmt Gestalt an“
Fritz
19.09.2024 um 22:32
Naja alles schön und gut Hauptsache man kann den Lkw in 1 Ner Stunde laden auf 90 Prozent der Rest ist irrelevant

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