Video - 8:02 minNutzfahrzeug

Dr. Andreas Gorbach, CTO der Daimler Truck AG, über den Mercedes-Benz eActros 600

gorbach iaa web min

Für Dr. Andreas Gorbach ist der Lkw-Fernverkehr bei der Dekarbonisierung „die schwierigste Aufgabe “ überhaupt. Und deshalb feiert der CTO der Daimler Truck AG seinen elektrischen Langstrecken-Lkw Mercedes-Benz eActros 600 denn auch als „Meilenstein“. Wenn da nicht die Ladeinfrastruktur wäre...

Im Interview spricht der verantwortliche Manager mit electrive-Chefredakteur Peter Schwierz über den Fortschritt bei der Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs und die Herausforderungen, denen sich die Daimler Truck AG dabei stellt. Gorbach erläutert in dem Gespräch die Details der Markteinführung des eActros 600, den Start der Serienproduktion und die technischen Entwicklungen, die es zu meistern galt. Und fordert mehr Tempo beim Ausbau der Ladestationen für elektrische Trucks in Europa.

eActros 600: Vom Prototypen zur Serienproduktion

Aber zurück zum E-Lkw: Noch vor zwei Jahren sprach man lediglich von einem Prototypen, doch heute ist der eActros 600 bereit für die Serienproduktion. Gorbach betont: „In den zwei Jahren ist unglaublich viel passiert. Es war eigentlich eine Herkulesaufgabe.“ Besonders der Fernverkehr gilt als eine der größten Herausforderungen im Bereich der Dekarbonisierung. Es sei daher ein bedeutender Fortschritt, dass diese komplexe Aufgabe gelöst werden konnte.

Der gesamte Antriebsstrang des Fahrzeugs wurde neu entwickelt, von der Batterie über das Ladesystem bis hin zur E-Achse. Dies in kurzer Zeit zu integrieren und für den realen Einsatz im Serienbetrieb zu optimieren, erforderte eine enorme Leistung. Gorbach hebt im Gespräch mit electrive hervor: „1,2 Millionen Kilometer Haltbarkeit, das ist eine Riesenaufgabe gewesen!“

Reichweite undAkkukapazität: Wo ist der Sweet Spot?

Der eActros 600 beeindruckt mit einer Batteriekapazität von 621 Kilowattstunden, die eine Reichweite von 500 Kilometern ermöglicht. Doch wie viel Reichweite ist wirklich nötig? Gorbach erklärt: „Es ist ja kein Problem, auch einen Lkw zu bauen mit 1.000 Kilometer Reichweite. Wenn man die Batteriekapazität verdoppelt, dann kommen wir auch auf 1.000.“ Allerdings würde dies das Gewicht und die Anforderungen an das Fahrzeug erheblich erhöhen. Daher sei es entscheidend, den sogenannten „Sweet Spot“ zu finden – eine Balance zwischen Reichweite, Gewicht und Effizienz. Für besonders lange Strecken ohne Lade- oder Tankstopps ist Gorbach weiterhin überzeugt, dass Wasserstoff die bessere Lösung ist: „Wer wirklich 1.000 Kilometer Reichweite ohne nachladen, ohne tanken fahren will, da sind wir überzeugt, ist eigentlich der Wasserstoff die bessere Lösung.“

Doppelstrategie: Batterie und Wasserstoff

Die parallele Entwicklung von Batterie- und Wasserstofftechnologie stellt deshalb auch weiterhin eine wichtige Komponente in der Strategie der Daimler Truck AG dar. Gorbach betont, dass unterschiedliche Transportlösungen je nach Region und Anforderung variieren können. Für einige Kunden ist die Batterie die wirtschaftlichere Option, während für andere Wasserstoff die bessere Wahl sei.

Ladeinfrastruktur: Ein möglicher Flaschenhals?

Obwohl die Elektromobilität im Straßengüterverkehr Fortschritte macht, bleibt der Ausbau der Ladeinfrastruktur ein kritischer Punkt. Gorbach äußert sich besorgt über das langsame Tempo des Ausbaus und sieht in der Ladeinfrastruktur einen potenziellen Flaschenhals für die Dekarbonisierung. „Es wird auf jeden Fall ein Flaschenhals. Der Ausbau geht viel zu langsam“, betont er.

Daimler Truck beteiligt sich aktiv am Aufbau dieser Infrastruktur und hat gemeinsam mit anderen Herstellern das Joint Venture Milence ins Leben gerufen. Ziel ist es, bis 2030 etwa 35.000 Hochleistungsladestationen in Europa zu installieren, um die ambitionierten CO2-Reduktionsziele zu erreichen.

Zusammenarbeit mit Volvo: Digitalisierung als zweiter Megatrend

Neben der Dekarbonisierung ist die Digitalisierung ein weiterer Megatrend in der Transportbranche: Daimler Truck arbeitet hier eng mit Volvo Trucks zusammen, um die Elektronikarchitektur von Nutzfahrzeugen neu zu denken. Ziel ist es, zukünftig noch mehr Funktionen „over the air“ ins Fahrzeug zu übertragen, ohne dass der Lkw dafür in die Werkstatt muss. Gorbach beschreibt diese Vision so: „Komfort, Sicherheit, Effizienz, ohne dass das Fahrzeug überhaupt in die Werkstatt muss, ohne die Hardware anzufassen. Das können wir heute auch schon, aber da geht noch viel mehr.“

Das aktuelle Produktportfolio: Für die Zukunft gerüstet

Mit dem eActros 300, 400, dem eEconic und nun dem eActros 600 sieht sich die Daimler Truck AG gut gerüstet für die kommenden Jahre. Das Unternehmen hat bereits etwa zehn emissionsfreie Lkw in der Serienproduktion und wird das Portfolio laut Gorbach in den nächsten Jahren kontinuierlich erweitern. Trotz dieser Fortschritte zeigt sich der Markt derzeit vorsichtig, insbesondere in Deutschland, wo staatliche Förderungen wegfallen und gleichzeitig CO2-Aufschläge auf die Maut erhoben werden.

Appell an Politik: Ausbau der Infrastruktur beschleunigen

Abschließend richtet Gorbach einen Appell an die Politik: „Wir müssen dringend die Regelungen bezüglich CO2, die bisher nur mit Strafzahlungen für die Hersteller versehen sind, an den Hochlauf der Infrastruktur koppeln.“ Ohne einen schnelleren Ausbau der Ladeinfrastruktur wird die Dekarbonisierung gebremst und die Kunden werden weiterhin zögerlich in neue E-Fahrzeuge investieren.

Fazit: Wettbewerb und Zukunftsperspektiven

Die Elektromobilität bringt nicht nur technologische Fortschritte, sondern auch neue Wettbewerber auf den Markt. Gorbach zeigt sich unbeeindruckt von der Konkurrenz durch Unternehmen wie Tesla und asiatische Hersteller: „Natürlich sind wir es gewohnt, in unserer Branche immer harten Wettbewerb zu haben, das ist nichts Neues.“ Gorbach ist entschlossen, sich in diesem Umfeld zu behaupten.

5 Kommentare

zu „Dr. Andreas Gorbach, CTO der Daimler Truck AG, über den Mercedes-Benz eActros 600“
Stefan F.
27.09.2024 um 13:14
Warum keine Akku- Wechselstationen? Für LKW die bessere Option. Wir brauchen einen genormten Europa- Wechselakku.
vector
28.09.2024 um 12:13
Eine Normierung ist nicht immer ein Heilmittel. Je komplexer ein Teil ist umso mehr wird eine Norm zum Bremsklotz der Entwicklung. Ein Wechselakku muss immer bereitliegen. Dafür müssen alle draufzahlen. Wenn man auf Akku warten soll, bricht das ganze Konzept zusammen. Bei LKWs gibt es noch Pflicht-Pausen, die man mit Laden kombinieren kann. Also kurz zusammengefasst, einen Wechselakku bei e-LKW, wird es wahrscheinlich nicht geben
MWF
30.09.2024 um 07:43
Da kommt mal wieder die Wasserstoff-Nebelkerze um die Ecke… LKW Fahrer müssen auch mal auf die Toilette und brauchen eine Pause. MW Chargingstationen sind um ein vielfaches schneller und günstiger aufgebaut, als eine H2 Tanke. Also, echre 500km sind mehr als ausreichend wenn dann in 30 Minuten nachgeladen wird. Und die km-Kosten deutlich preiswerter für die Spedition.
Peter Kass
30.09.2024 um 18:25
„Wer wirklich 1.000 Kilometer Reichweite ohne nachladen, ohne tanken fahren will ..." mir scheint, der Herr hat keine Ahnung von seinem Geschäft und noch nie was von verpflichtenden Ruhezeiten gehört. 4 Stunden mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 80 km/h) (eh kaum zu erreichen), macht 320 km, dann muss man 45 Minuten Pause machen. In den 45 min NICHT zu laden, hat dann maximal mit nicht ausreichender Infrastruktur, schlechter Ladeplanung, oder unverständlicher Sturheit ("ich will nicht laden müssen") zu tun. Wer den Elektrotrucker verfolgt lernt: wenn die Ruhezeit-Pause kommt, ist meist noch 30-40% Saft im Akku, damit kann der locker in 45 min wieder für den Abschnitt zur nächsten Pause vollgeladen werden. Wasserstoff hat auch im Fernverkehr überhaupt nichts mehr verloren!
Der J
29.10.2024 um 00:11
dem stimme ich zu. sehe das problem vielmehr im laden selbst. Je mehr e Lkws umso knapper werden die ladesäulen ebenso das problem mit dem netzausbau hier im Lande. Keine Ahnung wie lange das Thema mit der grünen Energie und deren Transport von Nord nach Süd schon probleme machen und nicht abgeschlossen sind aber das zeigt das es wenn es ums Stromnetz geht, die Mühlen verdammt langsam mahlen. Der Strom Preis an sich und die kosten an den Säulen selbst. betriebshöfe müssten ans Netz oder ihren Strom selber produzieren am Standort. Bei so grossen Anlagen kann es aber auch vorkommen das der Versorger die Anlage abstellen muss weil das Netz sonst instabil wird, viele unternehmen die solar aufgerüstet haben mit Speicher klagen heute schon das sie abgeschaltet werden mit ihrer Anlage und dann den Strom einkaufen müssen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert