Keba übernimmt insolvente EnerCharge

Nachdem der österreichische Ladesäulenhersteller EnerCharge im Juli Insolvenz anmelden musste, ist ein Käufer gefunden. Dieser kommt auch aus Österreich und ist in der eMobility-Welt kein Unbekannter: Es handelt sich um die Keba Group aus Linz.

keba enercharge übernahme 2024
Bild: Keba

Kurz nachdem entsprechende Gerüchte durch die Branche kursierten, informierte Keba-CEO Christoph Knogler in einer kurzfristig angesetzten Video-Konferenz die Medien: „Keba übernimmt Enercharge und erweitert das Porfolio um DC-Ladetechnologie“, so Knogler. Die Keba Group ist ein Automatisierungsspezialist und baut in der Sparte Energy Automation auch AC-Ladepunkte für Elektroautos.

Die EnerCharge GmbH hatte im Juli 2024 Insolvenz anmelden müssen, auch Knogler sprach als Branchen-Kenner von einer „Überraschung“. In der Keba-Mitteilung heißt es, „nicht schnell genug zu fixierende Bestellungen zu Jahresbeginn“ seien ausschlaggebend gewesen, dass „sich die Kostenstruktur nicht nachhaltig decken ließ“. Im Sommer war von einer Schuldenlast von über 15 Millionen Euro die Rede. Über die genauen Konditionen der Übernahme wurde allerdings Stillschweigen vereinbart. Es gibt also keine Aussage zum Kaufpreis oder einer Übernahme der Schulden.

Dafür betont Keba-Chef Knogler, dass man sich „ab Tag eins für die EnerCharge GmbH interessiert“ habe. Mit Blick auf die Keba-Produkte ein nachvollziehbarer Gedanke: Das eigene Portfolio besteht aus AC-Ladelösungen mit maximal 22 Kilowatt, laut Knogler wurden bisher über 500.000 Einheiten verkauft. EnerCharge hat sich hingegen auf den Gleichstrom-Bereich fokussiert und bietet von der DC-Wallbox mit 40 kW bis zur Schnellladesäule mit 480 kW verschiedenste Lösungen an. „Legt man diese beiden Portfolios zusammen, hat man ein vollständiges Sortiment“, sagt Knogler. „Wir haben nun gemeinsam Antworten auf alle Ladetechnologien und -szenarien.“ Laut dem Chef war für Keba ebenfalls wichtig, dass mit den DC-Lösungen auch der wachsende Markt für elektrische Nutzfahrzeuge bedient werden kann. Hier hat EnerCharge bereits jetzt spezielle Nutzfahrzeug-Produkte im Angebot, die darauf ausgelegt sind, die hohen Ladeleistungen über einen längeren Zeitraum abzugeben – was bei großen Lkw-Batterien im Gegensatz zum E-Auto möglich ist und andere Anforderungen an die Lade-Technik mit sich bringt.

EnerCharge wird zur Keba eMobility DC GmbH

Stefan Richter, Geschäftsführer der Sparte Keba Energy Automation, geht etwas tiefer ins Detail. „Unser Fokus in der Vergangenheit war nicht nur auf die Technik, sondern auf die Use Cases unserer Nutzer gelegt. Bereits damals haben wir das DC-Segment genau beobachtet“, sagt Richter – auch wenn man selbst nur AC-Ladelösungen anbieten konnte. Die 40 kW starke DC-Wallbox von EnerCharge bezeichnet Richter zum Beispiel als „perfekte Ergänzung zur AC-Lösung, etwa für Supermärkte“.

In den vergangenen Wochen haben sich Richter und seine Experten ein „sehr intensives Bild von EnerCharge verschafft“, wie es der Manager vor der digital zugeschalteten Presse ausdrückt. Sprich: Die Entscheidung, EnerCharge zu übernehmen, ist nicht nur mit dem eher oberflächlichen Blick auf die sich ergänzenden Produktwelten gefallen, sondern nach einer detaillierten Analyse des Unternehmens, der Finanzen und der Produktion. „Uns hat die Modularität der Produkte überzeugt, dass man mit einer Basis in verschiedenen Konfigurationen viele Use Cases bedienen kann“, sagt Richter.

Das Ergebnis: Der Name EnerCharge wird verschwinden, die neue Gesellschaft wird als Keba eMobility DC GmbH weitergeführt und zur Tochter der Keba Energy Automation. Auch Jens Winkler, bisher einer der Geschäftsführer der EnerCharge GmbH, wird an Bord bleiben: „Unser Plan ist ganz klar: Wir werden die Geschäftsführung so zusammensetzen, dass Jens Winkler den kaufmännischen Part übernehmen wird – und der technische Part bei Gerhard Weidinger liegt“, kündigt Keba-CEO Knogler auf Nachfrage von electrive an. Weidinger ist derzeit bereits CTO der Keba Energy Automation und wird als CTO der neuen DC-Tochter künftig eine Doppelrolle einnehmen.

Winkler wird nicht der einzige EnerCharge-Mitarbeiter sein, der zur Keba eMobility DC GmbH wechselt, bei dem Pressegespräch ist von 60 Personen die Rede. Bei Bekanntgabe der Insolvenz kam EnerCharge noch auf 97 Angestellte. Seitdem haben sich jedoch einige zu einem freiwilligen Abschied entschlossen, es gab aber auch Kündigungen. Noch vor der Insolvenz hatte EnerCharge seine Produktion von drei Werken auf nur noch einen Standort in Oberlienz reduziert – den Wechsel des Arbeitsorts konnten und wollten nicht alle betroffenen Mitarbeiter mitgehen, wie der ebenfalls zugeschaltete Insolvenzverwalter Klaus Haslinglehner erläutert. Keba-Chef Knogler stellt auch neue Arbeitsplätze in Aussicht: „Wir sind zuversichtlich, dass wir bald wieder mehr Personal benötigen werden.“ Die offenen Stellen könnten auch mit ehemaligen EnerCharge-Mitarbeitern besetzt werden.

Insgesamt zeigt sich Haslinglehner mit dem Keba-Deal sehr zufrieden. „Wir erhalten Arbeitsplätze in Österreich“, sagt der Insolvenzverwalter. „ Es freuen sich auch die bisherigen Gesellschafter der EnerCharge.“ Haslinglehner hält es sogar für möglich, dass es auch künftig Geschäftsbeziehungen zu den früheren Eigentümern geben könnte. EnerCharge wurde 2018 innerhalb der österreichischen Alpen Adria Energie-Firmengruppe (AAE) gegründet, bis zuletzt hatte die AEE Hydro Solar GmbH mit 51 Prozent die Mehrheit gehalten – auch nachdem die Pfalzwerke aus Deutschland im Frühjahr 2024 noch mit 23 Prozent eingestiegen waren.

Aber: Knogler betont zwar, dass Keba „voll und ganz hinter der Wende hin zu emissionsfreier Mobilität“ stehe, ansonsten hätte man nicht diese strategische Investition in die Elektromobilität getätigt. Andererseits haben selbst die Mittel aus dem Einstieg der Pfalzwerke nur für wenige Monate gereicht, um EnerCharge weiter zu tragen. Und auch der Druck in der Ladeinfrastruktur-Branche allgemein steigt, weil in einigen Ländern der Markthochlauf nicht im erwarteten Tempo stattfindet oder Förderprogramme gestrichen wurden. Da die Unternehmen dennoch gezwungen sind, für das erwartete Wachstum zu investieren, aber nicht genau wissen, wann sich dieses Wachstum in den eigenen Bilanzen niederschlägt, kann das in einigen Fällen zu einer wirtschaftlich angespannten Lage führen. Zum Teil ist auch von Überkapazitäten und Lagerbeständen zu hören.

Quelle: Digitales Pressegespräch, reichlundpartner.com

1 Kommentar

zu „Keba übernimmt insolvente EnerCharge“
G. Nissen
26.09.2024 um 21:08
Super Sache! Glückwunsch zu dem Zukauf. Das macht Keba als Anbieter zuverlässiger Ladelösungen noch attraktiver - wenn der Preis stimmt ;-)

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert