Kia EV3: Kommt der bessere ID.3 aus Korea?
EV6 und EV9 waren nur das Vorspiel: Nachdem Kia die Generation E bislang vor allem mit Platz und Prestige gelockt hat und einzig mit dem eher halbherzig umgerüsteten Niro in annähend bürgerliche Preisregionen vorgedrungen ist, nehmen die Koreaner jetzt einen neuen Anlauf und zielen zum ersten Mal mit einem dezidierten Stromer auf die Mitte des Marktes. Wenn zum Jahreswechsel der EV3 in den Handel kommt, starten die Preise deshalb bei 35.990 Euro und der VW ID.3 (Start bei 36.900 Euro) bekommt einen neuen Widersacher.
Dafür gibt es einen Kompakten, der zwar wie die allermeisten Konkurrenten dem Trend zum Crossover folgt und deshalb ziemlich aufgeschossen daherkommt. Aber im Gegensatz zu all den konturlosen Raumschiffen aus China und dem seifengleich rundgeschliffenen ID.3 leistet er sich viele Kanten und bekommt dadurch Charakter – selbst wenn der dunkle Einschub an der C-Säule gefährlich an den seligen BMW i3 erinnert.
Innen allerdings ist es mit dem Esprit und dem Eigensinn nicht ganz so weit her: Sondern auch der EV3 präsentiert ist in jenem Mausgrau, das sie offenbar so lieben im westlich sozialisierten Teil Asiens. Und dass die meisten Materialien nachhaltig – weil nachwachsend oder recycelt – sind, ist da nur ein schwacher Trost. Immerhin ist die Bedienung eingängig und unkompliziert und lediglich der viel zu große Knubbel für die Gangwahl sowie die ins Armaturenbrett eingelassenen Schaltflächen unter dem breiten Display stören das ansonsten stimmige Bild aus haptischen Schaltern, brillanten Oberflächen und dem sinnvollen Einsatz fortschrittlicher Technik. Dieser beginnt bei den Einblendungen der Rückfahrkamera beim Blinken und reicht bis zur Augmented Reality auf dem Navi-Display. Ach ja, und ein großes Head-Up-Display gibt es natürlich auch noch.
Vor allem aber überrascht der Kia mit viel Platz auf kleiner Fläche. Bei 4,30 Metern Länge und 2,68 Metern Radstand sitzt man vorne mehr als bequem, reist auch in der zweiten Reihe ordentlich und hat einen mit 460 Litern fast konkurrenzlos großen Laderaum, den Frunk noch nicht einmal mitgerechnet. Der ID.3 jedenfalls ist nur drei Zentimeter kürzer, schluckt aber fast 80 Liter weniger. Schade nur, dass es keine verschiebbare Rückbank gibt, mit der jeder seinen persönlichen Kompromiss aus Kniefreiheit und Kofferraum suchen kann.
Dabei haben die Koreaner doch sonst so viele pfiffige Ideen für praktische Petitessen umgesetzt. Nicht umsonst gibt es an allen denkbaren und undenkbaren Stellen Buchsen für die Stromversorgung mit USB, 12 oder 230 Volt oder eine ausziehbare Mittelarmlehne, die spätestens beim Laden als Tisch für Lunch oder Laptop taugt. Achtung Skoda, da ist jemand simply cleverer als ihr!
Die technische Basis für den EV3 bildet anders als beim stolze 10.000 Euro teureren Niro, der noch eine Verbrennerarchitektur nutzt, die konzernweite Elektroplattform E-GMP. Allerdings wurde die für den Angriff über den Preis ein wenig abgespeckt. Die Systemspannung liegt deshalb hier erstmals nur bei 400 statt 800 Volt und fürs erste gibt es nur eine Motorvariante mit 150 kW an der Vorderachse, die in knapp 8,0 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigt und bei 170 Sachen wieder eingebremst wird.
Allerdings hat Kia schon angekündigt, dass im neuen Jahr eine Allradversion mit 128 kW an der Vorder- sowie 70 kW an der Hinterachse und später sogar einen GT mit einer Systemleistung von rund 220 kW geben soll, der dann auch schneller fahren darf.
Immerhin haben die Koreaner zwei Akku-Pakete im Angebot, die – wie immer bei Hyundai und Kia und ganz anders als die Konkurrenz aus Deutschland –aufs bidirektionale Laden ausgelegt sind. Schon heute kann der EV3 deshalb ein E-Bike laden oder einem gestrandeten Stromer Pannenhilfe geben, und sobald Wallboxen und Stromversorger soweit sind, puffert er auch den Solarstrom vom Dach und speist ihn nachts wieder ins Netz.
In der Basisversion baut Kia einen LFP-Akku mit einer Kapazität von 58,3 kWh ein, der für 436 Normkilometer reicht. Wer 5.400 Euro mehr ausgibt, bekommt NMC-Zellen von zusammen 81,4 kWh, mit denen der EV3 605 Kilometer weit kommt. Wer da auf den ID.3 schielt, der muss den EV3 wahlweise mit dem Pro (59 kWh, 434 Kilometer, 39.995 Euro) oder dem neuen GTX (79 kWh, 604 Kilometer, 50.795 Euro) vergleichen.
Er sieht spannender aus als der VW, hat den pfiffigen Innen- und den größeren Kofferraum, fährt weiter und schneller und ist auch noch ein bisschen billiger. Als hätte es die Niedersachsen mit der Elektromobilität nicht gerade schon schwer genug, kommt jetzt aus Korea der vielleicht härteres Wettbewerber für den elektrischen Enkel des Golf.
Nur in einer Disziplin patzt Kia: Beim Laden. Denn während die 11 kW am Wechselstrom noch in Ordnung gehen, sind am Gleichstrom die 101 kW für den kleinen und die 128 kW für den großen Akku ganz schön blamabel und zwingen den Kia-Kunden zu einer argen Geduldsprobe.
Offenbar haben die Entwickler das Problem kommen sehen und mit einem zumindest in dieser Klasse ungewöhnlichen Detail gegengesteuert – wie sonst nur die großen Korea-Stromer bekommt auch der EV3 in der ersten Reihe spezielle Ruhesitze, mit denen das Laden gleich nicht mehr ganz so weh tut.
EV3 Standard Range | EV3 Long Range | |
---|---|---|
Antrieb | FWD | FWD |
Leistung | 150 kW | 150 kW |
Drehmoment | 283 Nm | 283 Nm |
Beschleunigung | 7,6 s | 7,9 s |
Höchstgeschwindigkeit | 170 km/h | 170 km/h |
WLTP–Reichweite | 436 km | 605 km |
Batteriekapazität | 58,3 kWh | 81,4 kWh |
Ladeleistung DC | 101 kW | 128 kW |
Ladezeit DC 10-80% | 29 min | 31 min |
Preis | 35.990 Euro | 41.390 Euro |
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