Bundesverband THG Quote kritisiert geplante Neuregelung
Kurz zur Einleitung: Die THG-Quote als Klimaschutz-Instrument ist in der Elektromobilität relevant, seitdem der Markt 2022 für Halter privater E-Autos, E-Flottenbetreiber und Betreiber von Ladesäulen geöffnet wurde. Sie können sich so recht unkompliziert Erlöse sichern, was die Nutzung von E-Autos finanziell attraktiver machen sollte. Nach einer Boom-Phase direkt zum Start hat sich der Markt aber merklich abgekühlt – erste Anbieter sind bereits insolvent gegangen.
Die aktuelle Kritik des Bundesverbands THG Quote e.V., der sich auch weitere Akteure aus der Lade-Branche angeschlossen haben, zielt auf die Novelle der 38. Bundesimmissionsschutzverordnung, die das Umweltministerium im September vorgelegt hatte. Ein zentraler Punkt dieser Novelle: Grundsätzlich ist es möglich, Übererfüllungen der THG-Quote aus der Vergangenheit anzusparen und später anrechnen zu lassen. Diese Option will der Verordnungsgeber für die Jahre 2025 und 2026 aussetzen.
Um die THG-Quote zu erfüllen, können Mineralölhersteller etwa nachhaltige Biokraftstoffe aus Rest- und Abfallstoffen oder erneuerbare synthetische Kraftstoffe anstelle von fossilen Kraftstoffen verkaufen. Da diese aber nicht ausreichend verfügbar und teuer sind, ist auch der Einsatz von Strom in Elektrofahrzeugen oder grüner Wasserstoff in den Raffinerien anrechenbar. Das Problem: In der Vergangenheit haben die Kraftstoffanbieter die THG-Quote häufig übererfüllt. Das heißt, sie haben in einem Jahr höhere CO2–Minderungen geltend gemacht als vom Gesetz vorgeschrieben. Diese Übererfüllungen konnten dann auf die Verpflichtung im Folgejahr angerechnet werden.
Branche befürchtet negative Folgen und Schlupflöcher
„Wenngleich diese flexible Handhabung der Anrechnung eine wirtschaftlich sinnvolle Regelung für Marktteilnehmende ist, wurden in den vergangenen Jahren sehr große Mengen an Übererfüllungen angehäuft. Allein im Verpflichtungsjahr 2022 betrug die Menge an Übererfüllungen rund 3,4 Millionen Tonnen CO2 und überstieg damit die Minderungsverpflichtung von 14 Millionen Tonnen um rund 24 Prozent“, teilte das Umweltministerium im September mit. Diese Übererfüllungen würden dem grundlegenden Gedanken der EU-Vorgaben widersprechen, die Ziele über die Menge der jährlich eingesetzten erneuerbaren Energie im Verkehr zu erfüllen. Daher sollte die Übererfüllung für die kommenden beiden Jahre ausgesetzt werden. Die „Sofortmaßnahme“ soll „die Nachfrage nach klimaneutralen Kraftstoffen und Strom auf das von der THG-Quote vorgesehene Niveau heben“.
In der nun veröffentlichten Stellungnahme des Bundesverbands THG Quote, Tesla, Ionity, Allego, EWE Go und der Pfalzwerke die die geplante Änderung „insbesondere die Aussetzung der Übererfüllung für 2025 und 2026“ begrüßt. „Allerdings werfen diese Maßnahmen erhebliche Unsicherheiten für das Jahr 2024 auf. Bereits jetzt führt dies, obwohl der Entwurf noch nicht rechtskräftig ist und zudem auch nicht auf die derzeit am Markt präsenten Betrugsvorfälle referenziert, zu einem weiteren Preisverfall und gefährdet die Marktliquidität massiv, ohne die grundlegenden Probleme im Markt effektiv zu adressieren“, heißt es in dem Schreiben. Die Unterzeichner fürchten höhere Gesamtkosten für nachhaltige Mobilität, geringere Quotenerlöse für Endkunden und eine erneute Preissteigerung bei öffentlicher Ladeinfrastruktur.
Daher fordern der Verband und die großen Ladepunkt-Betreiber eine „unmittelbare Anpassung des BImSchG zur Neujustierung einiger ungewollter Mechanismen“ – es wird auch auf die Dringlichkeit hingewiesen. Um dem Ministerium klar zu machen, wie diese Änderungen aussehen sollen, werden in dem Schreiben acht Forderungen aufgestellt.
Die vollständige Liste können Sie in dem unten verlinkten PDF nachlesen, allerdings stechen drei Punkte heraus. Mit einer „Quotenratsche“ soll „die Gesamtübererfüllung (laut Zoll Statistik), die 10 Prozent der jeweiligen Jahresverpflichtung übersteigt, auf die Quotenverpflichtung im übernächsten Verpflichtungsjahr addiert“ werden. Außerdem sollen die Verpflichtungsziele angehoben werden (aktuell liegt die Quote bei 9,35 Prozent, sie steigt stufenweise auf 25 Prozent im Jahr 2030) – eine konkrete Höhe wird in dem Schreiben nicht genannt, allerdings wird bemängelt: „Bereits jetzt zeigt sich in den verhaltenen Marktreaktionen, dass die quotenverpflichteten Unternehmen davon ausgehen, dass eine erforderliche Anhebung der Quotenziele nicht so rechtzeitig und ausreichend erfolgen wird, wie es für weitere Investitionen in gewollte Projekte, z.B. den verstärkten Ausbau der Ladeinfrastruktur, erforderlich wäre. So kommt der Klimaschutz im Verkehr zum Erliegen.“ Außerdem soll eine „Übererfüllung durch die Hintertür“ verhindert werden – der derzeitige Entwurf lasse die Möglichkeit offen, Biokraftstoffe, die 2024 in Verkehr gebracht wurden, zwar 2024 angezeigt, aber erst im Folgejahr auf die Unterquote sowie die Gesamtquote angemeldet werden.
Die offen geäußerte Befürchtung: Verzögerungen und fehlende Klarheit könnten die Elektromobilität und Deutschlands Klimaziele für 2030 gefährden, so die Unterzeichner. „Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit, wie der Bau der LNG-Terminals oder die schnelle Anpassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG-Novelle), zeigen, dass auch komplexe gesetzliche Änderungen in kurzer Zeit erfolgen können, wenn die politische Priorität entsprechend gesetzt wird“, heißt es im Fazit. „Der Klimaschutz und die Förderung der Elektromobilität erfordern dieselbe Entschlossenheit. Wir fordern, den Schockzustand bei der THG-Quote und die notwendige und von allen Seiten verlangte Anpassung des BImSchG nicht weiter zu verschleppen.“
linkedin.com, licdn.com (Stellungnahme als PDF)
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