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E-Auto-Restwerte im Keller: Wie die Autovermieter reagieren

Die bröckelnden Restwerte von E-Autos erschweren Autovermietern und Aboanbietern das Geschäft. Die Branche ringt um die richtige Reaktion. Aber während die einen E-Autos einfach wieder ausmustern, sagen die anderen: „Jetzt erst recht“. Ein Lagebild.

Nicht einmal jedes 25. Neufahrzeug war bei den europäischen Autovermietern im ersten Halbjahr ein Elektroauto. Die Branche zaudert angesichts unzuverlässiger Restwerte. Dieser Tage meldete etwa der Münchner Autoabo-Anbieter Finn, dass er aufgrund des starken Restwerk-Rückgangs bei E-Fahrzeugen („insbesondere bei Tesla-Modellen“) im vergangenen Jahr rund 60 Millionen Euro verloren habe. Finn ist zwar kein klassischer Autovermieter, aber der wiederkehrende Turnus von Anschaffung und Weiterverkauf der Fahrzeuge liegt auch dessen Business zugrunde.

Wir erinnern uns noch gut an eine symptomatische Szenerie im Sommer: In Berlin-Wilhelmstadt reihten sich in der Jordanstraße etliche elektrische Maxus-Transporter aneinander. Ihre Kennzeichen mit den Buchstaben „NM“ in der Mitte zeugten davon, dass sie zur Flotte des deutschen E-Auto-Vermieters Nextmove gehörten. Es handelte sich um die Rückläufer aus der Liefergrün-Pleite. Auch das ein Sinnbild für E-Autos als Ladenhüter bei den deutschen Kurzzeitvermietern?

Europcar und Nextmove widersprechen ebenso wie Finn deutlich. Anders Sixt: Der Pullacher Vermieter trennt sich vermehrt von Elektroautos. Avis und Hertz wollten sich auf electrive-Anfrage nicht äußern. Aber auch von Hertz ist bekannt, dass der Konzern E-Autos vermehrt loswerden will.

Mietwagen-Markt kehrt aus Corona-Tief zurück

Unstrittig sind die Statistiken zum ersten Halbjahr 2024: Laut Dataforce wurden auf dem europäischen Mietwagenmarkt (ohne Aboanbieter) zwischen Januar und Juni nur 30.000 Elektrofahrzeuge zugelassen. Das sind 10.000 bzw. 33 Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2023. Dabei wuchsen die Fahrzeug-Neuzulassungen bei den Kurzzeitvermietern nach den prägenden Corona-Jahren wieder kräftig, im H1 2024 um 24 Prozent. Die Neuzulassungen erreichten somit wieder die Marke von 779.000 Einheiten (Deutschland: 190.000). Das ist zwar noch weit weg von dem 2019er Vor-Corona-Wert in Höhe von 1,11 Millionen Fahrzeugen. Aber laut Dataforce-Interpretation „besteht kein Zweifel daran, dass der Mietwagenmarkt zurückkehrt“.

Ein genauerer Blick auf die Antriebsarten offenbart, dass europäische Kurzzeitvermieter von Januar bis Juni zu 57,3 Prozent Benziner und zu 26,9 Prozent Diesel anschafften. Rechnet man die Vollhybride (6,1%) hinzu, hatten 90 Prozent gänzlich oder hauptsächlich einen Verbrenner an Bord. Nur 3,8 Prozent der Neuzulassungen (H1 2023: 6,4%) waren rein elektrisch und 4,8 Prozent Plug-in-Hybride. Damit unterscheidet sich das Lagebild bei den Vermietern deutlich vom Gesamtmarkt mit 12,9 Prozent Elektro-Anteil an den Neuzulassungen.

Als Begründung führt Dataforce an, dass „eine geringe Kundennachfrage und operative Schwierigkeiten E-Fahrzeuge derzeit unbeliebt machen“. Zum einen sollen also die Kunden unterdurchschnittlich interessiert sein, für ihre Urlaubs- oder Geschäftsreisen ein E-Fahrzeug zu mieten. Zum anderen sollen die Unternehmen schwer kalkulierbare Restwerte fürchten. Offenbar ein Teufelskreis, denn: „Der hohe Wertverlust des Fahrzeugs erhöht den Mietpreis, was durch die geringe Kundennachfrage noch verstärkt wird.“

Mit Blick auf das E-Auto-Modellranking bleibt noch zu sagen, dass unter den 30.000 in Europa neu zugelassenen Stromern der Renault Megane E-Tech bei den Vermietern das beliebteste Modell war, gefolgt vom Tesla Model Y. Es ist interessant, dass das Model Y hier auf Platz zwei auftaucht, wurde doch gerade Tesla in den vergangenen Monaten häufig in Verbindung mit besonders niedrigen Restwerten genannt. Sixt äußerte gar, unter anderem aus diesem Grund die Elektroautos von Tesla komplett ausmustern zu wollen. Offenbar sind andere Branchenvertreter eher Tesla-Befürworter. Anders lassen sich diese Zahlen jedenfalls nicht deuten.

Doch bleiben wir noch kurz bei Sixt: Der Autovermieter aus Pullach hat im Sommer seine Gewinnprognose für das laufende Jahr gesenkt und begründete dies unter anderem mit der unsicheren Entwicklung bei den Restwerten für Gebrauchtwagen. Bei rund 21 Prozent der Sixt-Flotte trägt das Unternehmen selbst das Restwert-Risiko (sprich: Jedes fünfte Auto in der Flotte wurde gekauft und muss anschließend selbst vermarktet werden gegenüber 80 Prozent der Flotte, die von Hersteller oder Händler wieder zurückgenommen werden).

Da die Restwerte zuletzt besonders stark bei Elektroautos geschrumpft sind, trennt sich Sixt laut dessen Finanzchef Franz Weinberger „vor allem von den Elektroautos, die Sixt vollständig übernommen hatte“. Wie das Manager Magazin Anfang August berichtete, liegt ihre Zahl inzwischen nur noch in einem niedrigen vierstelligen Bereich – bei einer Gesamtflotte von fast 190.000 Autos. Damit ist laut Weinberger aber keine Grundsatzentscheidung gegen Elektromobilität getroffen: Sixt könne schnell reagieren und den Anteil der Elektroautos steigern, wenn sich der Markt drehe, heißt es. Wie viele Elektroautos Sixt insgesamt noch in der Flotte hat, wollte Sixts Finanzchef nicht präzisieren.

Eine ganz andere Haltung vertritt Mitbewerber Europcar mit Hauptsitz in Paris. Das Unternehmen bezeichnet den kontinuierlichen und organischen Ausbau seiner “Green Fleet”, also Elektro- und Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge, als einen seiner wichtigsten Hebel zur Reduzierung seines CO2-Fußabdrucks. „International beträgt der Anteil von Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeugen bei Europcar aktuell rund 12 Prozent, in Deutschland ist dieser Anteil sogar noch höher“, erläutert Europcar auf electrive-Anfrage. Und der Ausbau der Elektroauto-Flotte soll weitergehen – „aufgrund der positiven Nachfrage unserer Kunden“, wie es heißt. Und flankiert von „starken Partnerschaften, überwiegend mit europäischen und deutschen Herstellern (z.B. Audi, Mercedes und VW)“. Zur Kundennachfrage präzisiert das Unternehmen noch: „Bei Europcar ist die Nachfrage von Kunden da, unsere Auslastung bei E-Autos ist aktuell gut. Geschäfts- und Privatreisende probieren mit uns Elektrofahrzeuge aus (…).“

Gleichwohl räumt Europcar ein, „natürlich auch die Herausforderungen zu sehen, die die Elektromobilität mit sich bringt“ – nennt an dieser Stelle aber keine Restwerte, sondern den notwendigen Ladeinfrastruktur-Ausbau. Tobias Zisik, Geschäftsführer der Europcar Mobility Group Germany, hält aber fest: “Dieser Bereich wird weiter wachsen, davon bin ich fest überzeugt. Ich glaube, es wäre ein Fehler, zurückzurudern und wieder verstärkt auf Verbrennermotoren zu bauen. Im Gegenteil. Wir müssen als positives Beispiel vorangehen und Benchmarks setzen. Es gibt keine Alternative zu umweltschonenderen Antrieben, wir alle sehen doch täglich die weltweiten Folgen des Klimawandels.”

Nextmove konnte Mietpreise wieder erhöhen

Zisiks Überzeugungen spiegeln sich auch in seinem Engagement für den noch jungen Verband der Internationalen Autovermieter (VIA) wider. Der Europcar-Manager ist dort Präsident. Der 2021 gegründete Verband ist eine Interessenvertretung der international operierenden Autovermieter in Deutschland und repräsentiert die Mitgliedsunternehmen Avis, Europcar, Enterprise Mobility und Hertz mit weltweit insgesamt rund drei Millionen Fahrzeugen. Zisiks verweist darauf, dass der VIA vor allem die Herausforderungen der Flottenelektrifizierung auf seine politische Agenda holen wolle. Denn: „Wir Autovermieter sind ein Schaufenster für Elektromobilität.“ Mit Blick auf Europcar versichert er, man wolle ein verlässlicher Partner bleiben, „gerade wenn die Stimmung gegenüber Elektromobilität aktuell etwas abgekühlt ist“. Denn: „Es gibt keine Alternative zur Elektromobilität. Die entscheidende Frage ist, wie schnell wir jetzt bei der Transformation vorankommen – und da sind wir alle gefragt und gefordert.”

Eine Sonderstellung kommt Nextmove zu, einer reinen Elektroauto-Vermietung mit Sitz im thüringischen Arnstadt, die nach eigenen Angaben über 400 Batterie-elektrische Fahrzeuge in ihrer Flotte hat – darunter die eingangs genannten Maxus-Transporter in Berlin. Geschäftsführer Stefan Moeller gibt an, dass er 2023 mit den Mietpreisen deutlich runter musste, aber das Preisniveau 2024 wieder steigern konnte – „bei zugleich deutlich verbesserter Auslastung der Pkw“. Das Interesse der Kunden, mit E-Autos längere Strecken zu fahren, „ist deutlich gestiegen“.

Die Restwerte sind laut Moeller für den gesamten E-Auto-Markt ein dominierendes Thema. Seine Firma bezeichnet er als Marktteilnehmer mit einem hohen Anteil an „Risk-Fahrzeugen“, da Nextmove das Restwert-Risiko selbst trägt. Man sei „aktuell meist im Verkauf noch in den schwarzen Zahlen, da wir intern mit relativ niedrigen Restwerten gearbeitet haben“, aber laut Moeller ist der Verkauf grundsätzlich sehr schwierig geworden, die Standzeiten seien auf ein Vielfaches gewachsen. Die Taktik: „Aktuell verkaufen wir überwiegend günstige Elektro-Kleintransporter, im Pkw-Segment versuchen wir die Autos länger in der Flotte zu halten als bei klassischen Autovermietern üblich. Dazu ergänzend steuern wir Neuwagen mit kurzen Laufzeiten ohne Restwertrisiko ein. Bei hoch rabattierten Angeboten gehen wir aber auch weiterhin selbst ins Restwertrisiko.“ Moeller glaubt an eine Übergangsphase: Mit zunehmender Marktdurchdringung im Fahrzeugbestand, werde das E-Auto auch bei Autovermietungen wieder stärkere Flottenanteile gewinnen.

Auch in der Münchner Zentrale von Finn sind die Millionenverluste durch den Restwert-Absturz kein Grund zur Panik – im Gegenteil: „Wir haben die Anzahl der E-Autos inzwischen verdoppelt“, so Finn-Flottenmanager Jürgen Lobach. Allerdings auf einer veränderten Risikobasis: Lag das Restwertrisiko vor dem Sturz der Wiederverkaufswerte noch bei drei Viertel der Flotte bei Finn, sei die erneuerte Flotte nahezu vollständig abgesichert, äußert Lobach gegenüber der „WirtschaftsWoche“. Dabei sei „die Bereitschaft der Autobauer, das Restwertrisiko zu übernehmen, sehr unterschiedlich“. Dennoch solle der E-Anteil in der Flotte bei Finn weiter steigen.

Quellen: Dataforce per E-Mail, linkedin.com, wiwo.de (beide Finn), manager-magazin.de (Sixt), autovermieter-verband.de

1 Kommentar

zu „E-Auto-Restwerte im Keller: Wie die Autovermieter reagieren“
Gregor
15.10.2024 um 13:08
E Autos sind einfach zu teuer!!!! Keiner kann die sich leisten!!!! Wie soll sich ein 0815 nicht reicher Mensch ein E Auto leisten können!!!!!Electrive so: "E-Auto-Restwerte im Keller: Wie die Autovermieter reagieren"Was denn jetzt? Hat Diesel Dennis recht oder sind E Autos wirklich billig zu kaufen? Waaaas dennn nuuuuun? ;)

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