ICCT: Verbrenner-Abwrackprogramm könnte deutsche CO2-Ziele im Verkehr retten
Dass Deutschland ein Problem bei seinen CO2-Sektorzielen im Verkehr hat, ist nicht neu. 2023 hat der Verkehrssektor 13 Millionen Tonnen CO2 zu viel ausgestoßen. Und ohne einschneidende Maßnahmen könnte diese Lücke bis 2030 auf 34 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (CO2e) ansteigen, schreibt das International Council on Clean Transportation (ICCT).
Vor diesem Hintergrund hat das ICCT eine mögliche Maßnahme untersucht, ein (politisch und gesellschaftlich sicher umstrittenes) Abwrackprogramm für alte, ineffiziente Diesel- und Benzinfahrzeuge. Das Ergebnis ist aber eindeutig: Damit könnten bis zu elf Millionen Tonnen CO2e eingespart werden, also rund ein Drittel der entstehenden Lücke mit nur einer Maßnahme geschlossen werden.
Die ICCT-Kriterien sehen vor, Dieselfahrzeuge, die mindestens 15 Jahre alt sind, und Benzinfahrzeuge, die mindestens 25 Jahre alt sind, gegen einen Geldbetrag vom Staat auszumustern. „Freiwillig teilnehmenden Autobesitzer:innen würde bei der Verschrottung ihres Fahrzeugs eine Prämie ausgezahlt werden, die 80 Prozent des Restwerts entspricht: zwischen 2.000 und 6.000 Euro für Diesel-Pkw und zwischen 2.000 und 3.000 Euro für Benzin-Pkw, gestaffelt nach Alter“, heißt es in der Mitteilung. Mit einem solchen Programm und der Stilllegung von acht Millionen Pkw – sieben Millionen Diesel und eine Million Benziner – könnten bis zu elf Millionen Tonnen CO2e eingespart werden.
Außerdem rechnet das ICCT mit einer Reduzierung der Luftschadstoffe und somit mit „erheblichen gesundheitlichen Vorteilen“ wie weniger vorzeitige Todesfälle durch Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen. Die „gesamtgesellschaftlichen Vorteile“, wie sie das ICCT bezeichnet, würden vor allem bei der Stilllegung alter Diesel greifen, da diese in der Regel höhere Schadstoffemissionen aufweisen.
„Es sind aktuell 49 Millionen Benzin- und Dieselfahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs, was die Erreichung unserer Klimaziele ernsthaft gefährdet. Um Emissionen zu reduzieren, gibt es verschiedene Strategien mit jeweils eigenen Kosten und Vorteilen“, sagt Kyle Morrison, Wissenschaftler am ICCT und Hauptautor der Studie. „Unsere Studie präsentiert ein kosteneffizientes Abwrackprogramm, das gesundheitliche Vorteile für die Gesellschaft maximiert und den Fortschritt in Richtung Verkehrswende beschleunigt.“
Die Kosteneffizienz ist der entscheidende Punkt, weshalb das ICCT das Abwrackprogramm bevorzugt. Denn für die Studie haben die Wissenschaftler um Morrison auch E-Fuels als viel diskutierte Alternative betrachtet, um die CO2e-Emissionen zu senken. Um eine Tonne CO2-Äquivalente einzusparen, werden die vom ICCT geschätzten E-Fuel-Produktionskosten im Jahr 2030 bei 910 Euro je Tonne liegen, wenn der Kraftstoff in Deutschland hergestellt wird – bei importierten E-Fuels sind es immer noch 619 Euro pro Tonne. Und das gesamte Emissionsminderungspotenzial liegt nur bei 190.000 Tonnen, nicht bei den elf Millionen Tonnen der Abwrackprämie.
In der ICCT-Rechnung liegen die Kosten dabei auf einem deutlich geringeren Niveau: Pro vermiedener Tonne CO2e werden bei einem Diesel 313 Euro fällig, bei Benzinern sind es 255 Euro/Tonne. Der beschriebene gesundheitliche Nutzen sei dabei nicht berücksichtigt. „Würde dieser mit einberechnet, wären die Vermeidungskosten pro stillgelegtem Fahrzeug negativ, da das Programm einen positiven Nettonutzen erbringt“, so das ICCT.
„Die Produktionskosten für E-Fuels sind hoch, und der Import aus dem Ausland wird voraussichtlich auch in einigen Jahren noch dreimal so teuer sein wie ein Abwrackprogramm – ohne dabei die gesundheitlichen Vorteile eines solchen Programms zu berücksichtigen“, sagt Peter Mock, Direktor des ICCT in Europa. „Denn: E-Fuels leisten keinen Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität und der öffentlichen Gesundheit.“
Ob Deutschland eine solche Abwrackprämie einführt, ist freilich offen. Das ICCT selbst sieht mögliche Hürden in der „staatlichen Finanzierung und Unsicherheit hinsichtlich der freiwilligen Teilnahme“. Denn vielerorts sind die Menschen schlichtweg auf ihr Auto angewiesen, da es keine Verkehrsalternativen gibt – und selbst mit der Prämie von maximal 6.000 Euro kein passendes E-Auto angeschafft werden kann. Daher empfiehlt das ICCT etwa auch die Einführung eines Tempolimits und eine verstärkte Förderung des Nahverkehrs.
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