ICCT: Verbrenner-Abwrackprogramm könnte deutsche CO2-Ziele im Verkehr retten

Ein gezieltes Abwrackprogramm für ältere Diesel- und Benzinfahrzeuge könnte ein Drittel der erforderlichen Emissionseinsparungen im deutschen Verkehrssektor erzielen. Das ist das Ergebnis einer neuen ICCT-Studie. Die betroffenen Fahrzeuge sind dabei mindestens 15 Jahre alt.

Bild: Unsplash

Dass Deutschland ein Problem bei seinen CO2-Sektorzielen im Verkehr hat, ist nicht neu. 2023 hat der Verkehrssektor 13 Millionen Tonnen CO2 zu viel ausgestoßen. Und ohne einschneidende Maßnahmen könnte diese Lücke bis 2030 auf 34 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (CO2e) ansteigen, schreibt das International Council on Clean Transportation (ICCT).

Vor diesem Hintergrund hat das ICCT eine mögliche Maßnahme untersucht, ein (politisch und gesellschaftlich sicher umstrittenes) Abwrackprogramm für alte, ineffiziente Diesel- und Benzinfahrzeuge. Das Ergebnis ist aber eindeutig: Damit könnten bis zu elf Millionen Tonnen CO2e eingespart werden, also rund ein Drittel der entstehenden Lücke mit nur einer Maßnahme geschlossen werden.

Die ICCT-Kriterien sehen vor, Dieselfahrzeuge, die mindestens 15 Jahre alt sind, und Benzinfahrzeuge, die mindestens 25 Jahre alt sind, gegen einen Geldbetrag vom Staat auszumustern. „Freiwillig teilnehmenden Autobesitzer:innen würde bei der Verschrottung ihres Fahrzeugs eine Prämie ausgezahlt werden, die 80 Prozent des Restwerts entspricht: zwischen 2.000 und 6.000 Euro für Diesel-Pkw und zwischen 2.000 und 3.000 Euro für Benzin-Pkw, gestaffelt nach Alter“, heißt es in der Mitteilung. Mit einem solchen Programm und der Stilllegung von acht Millionen Pkw – sieben Millionen Diesel und eine Million Benziner – könnten bis zu elf Millionen Tonnen CO2e eingespart werden.

Außerdem rechnet das ICCT mit einer Reduzierung der Luftschadstoffe und somit mit „erheblichen gesundheitlichen Vorteilen“ wie weniger vorzeitige Todesfälle durch Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen. Die „gesamtgesellschaftlichen Vorteile“, wie sie das ICCT bezeichnet, würden vor allem bei der Stilllegung alter Diesel greifen, da diese in der Regel höhere Schadstoffemissionen aufweisen.

„Es sind aktuell 49 Millionen Benzin- und Dieselfahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs, was die Erreichung unserer Klimaziele ernsthaft gefährdet. Um Emissionen zu reduzieren, gibt es verschiedene Strategien mit jeweils eigenen Kosten und Vorteilen“, sagt Kyle Morrison, Wissenschaftler am ICCT und Hauptautor der Studie. „Unsere Studie präsentiert ein kosteneffizientes Abwrackprogramm, das gesundheitliche Vorteile für die Gesellschaft maximiert und den Fortschritt in Richtung Verkehrswende beschleunigt.“

Die Kosteneffizienz ist der entscheidende Punkt, weshalb das ICCT das Abwrackprogramm bevorzugt. Denn für die Studie haben die Wissenschaftler um Morrison auch E-Fuels als viel diskutierte Alternative betrachtet, um die CO2e-Emissionen zu senken. Um eine Tonne CO2-Äquivalente einzusparen, werden die vom ICCT geschätzten E-Fuel-Produktionskosten im Jahr 2030 bei 910 Euro je Tonne liegen, wenn der Kraftstoff in Deutschland hergestellt wird – bei importierten E-Fuels sind es immer noch 619 Euro pro Tonne. Und das gesamte Emissionsminderungspotenzial liegt nur bei 190.000 Tonnen, nicht bei den elf Millionen Tonnen der Abwrackprämie.

In der ICCT-Rechnung liegen die Kosten dabei auf einem deutlich geringeren Niveau: Pro vermiedener Tonne CO2e werden bei einem Diesel 313 Euro fällig, bei Benzinern sind es 255 Euro/Tonne. Der beschriebene gesundheitliche Nutzen sei dabei nicht berücksichtigt. „Würde dieser mit einberechnet, wären die Vermeidungskosten pro stillgelegtem Fahrzeug negativ, da das Programm einen positiven Nettonutzen erbringt“, so das ICCT.

„Die Produktionskosten für E-Fuels sind hoch, und der Import aus dem Ausland wird voraussichtlich auch in einigen Jahren noch dreimal so teuer sein wie ein Abwrackprogramm – ohne dabei die gesundheitlichen Vorteile eines solchen Programms zu berücksichtigen“, sagt Peter Mock, Direktor des ICCT in Europa. „Denn: E-Fuels leisten keinen Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität und der öffentlichen Gesundheit.“

Ob Deutschland eine solche Abwrackprämie einführt, ist freilich offen. Das ICCT selbst sieht mögliche Hürden in der „staatlichen Finanzierung und Unsicherheit hinsichtlich der freiwilligen Teilnahme“. Denn vielerorts sind die Menschen schlichtweg auf ihr Auto angewiesen, da es keine Verkehrsalternativen gibt – und selbst mit der Prämie von maximal 6.000 Euro kein passendes E-Auto angeschafft werden kann. Daher empfiehlt das ICCT etwa auch die Einführung eines Tempolimits und eine verstärkte Förderung des Nahverkehrs.

theicct.org

11 Kommentare

zu „ICCT: Verbrenner-Abwrackprogramm könnte deutsche CO2-Ziele im Verkehr retten“
Gregor
17.10.2024 um 14:15
Gut das es quasie kein Geld für solche voll bekloppten Ideen gibt. Wobei das die CDU ganz sicher sofort machen wird.Tempolimit kann man aber nicht machen, denn damit werden keine Steuern verschwendet.
Thomas
17.10.2024 um 17:20
Die meisten die ein so altes Auto fahren, haben auch mit der Prämie nicht genügend Geld, um sich ein BEV zu kaufen. Oder wollen nicht so viel geld für ein Auto ausgeben. Da müssen die Preise noch einiges nach unten gehen. Da nützen die geringeren Betriebskosten auch nichts, wenn das Geld für die Anschaffung nicht reicht.
Aloha Mufasa
21.11.2024 um 09:37
Wie weit helfen bessere Finanzierungsmöglichkeiten? Think big:)
Bruno Klein
17.10.2024 um 23:09
Verstehe ich das jetzt richtig? Würde ich einen alten Diesel durch ein neueres Modell (wieder Diesel) ersetzen, bekomme ich die Prämie? Das ist doch Unfug. Die Prämie dürfte mir nur bei Ersatz durch BEV zustehen. Alles Andere wären nur wieder Steuergelder für die verkorkste deutsche Autoindustrie.
Robert
18.10.2024 um 06:59
so eine Prämie würde nur dann einen nutzen haben wenn man damit auch gebrauchte E-Autos kaufen kann die man in 10 Jahren dann auch für unter 10.000 Euro bekommen kann ansonsten wäre das wie üblich rausgeworfenes Geld obwohl auch hier die gefahr besteht das die gebrauchten dann wieder wegen der Prämie dann wieder teurer werden nein das sinnvollste sind günstige Strompreise aber dann für alle nicht nur an den Ladsäulen auch Haushaltstrom und Industrie. Jede Subvention ist eine Marktverzerrung und die sind immer Schlecht
Aloha Mufasa
21.11.2024 um 09:41
Mehr Satzzeichen wagen :)
Bernd
18.10.2024 um 08:55
Die übliche Milchmädchen-Rechnung. Ein BEV verursacht "Null Emissionen", da wir ja in Deutschland anscheinend einen CO2-freien Strommix haben. (Ein "Grünstrom-Vertrag" ändert am CO2-Wert / kWh auch nichts...). Der CO2-Rucksack von BEVs wird ebenso wenig berücksichtigt. Wir verschieben das CO2 einfach nur mit viel Geld vom Verkehr in die Kraftwerke und die (meist ausländische) Zellproduktion.
Markus
18.10.2024 um 10:32
Immer dieselben, alten Argumente: Dadurch, dass BEVs etwa Faktor 4 effizienter sind, wird in der gesamten Kette selbst mit 100% Kohlestrom weniger CO2 freigesetzt als bei Verbrennern (inkl. Vorkette). Beim aktuellen Strommix werden über ein Fahrzeugleben 50-70% CO2 eingespart (inkl. Batterieproduktion).
Thomas HD
18.10.2024 um 09:37
Wieder einmal haben Lobbyisten ganze Arbeit geleistet. Wie soll denn privat bei aktuellen Preisen für E-Autos eine solche Investition verkraftet werden? Ganz einfach, man verschrotten seinen voll funktionsfähigen PKW und kaufe sich dann einen neuen für mindestens 30000 € abzüglich max. 6000 € Prämie. Und wenn wir alle E-Autos fahren, wird dem Staat der Ertrag aus der Kraftstoffsteuer fehlen, sodass er eine PKW-Stromsteuer erfinden wird. Ich bin absoluter E-Autofan, insbesondere TESLA, aber es muss sich rechnen!
Jochen0987
18.10.2024 um 11:59
Ein Abwrackprogramm mag die CO2-Emissionen im Verkehr reduzieren, aber wie ist die Cradle-to-grave (Wiege bis Bahre) - Betrachtung? Ein funktionierendes großes technisches Gerät zu verschrotten kann wohl kaum nachhaltig sein (?)
Rolf
24.10.2024 um 08:20
Warum muss immer alles verschrottet werden wenn es andere Lösungen gibt? Es gibt die Möglichkeit des "Retrofitting" also den Umbau von Diesel/Benziner auf E-Antrieb. Dies ist nachhaltig und Ressourcen sparend! Das meiste des Fahrzeuges wird wiederverwendet, muss also nicht neu produziert werden. D.h. es werden genau die Fahrzeuge adressiert die schon auf der Straße sind und sie werden weiter verwendet. Nachhaltig und weniger umweltbelastend. Da gibt es wohl auch schon Lösungen die auf Stückzahlen ausgelegt sind. So etwas muss gefördert werden!!

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