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Foto: Huawei
HintergrundAutonomes Fahren

P3 ADAS Benchmark – China-Edition: Huawei-Technik hat die Nase vorn

Autos entwickeln sich zu Computern auf Rädern. In China wird diese Entwicklung besonders deutlich. Das zeigt eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung P3: Für diese wurde die Performance von Fahrerassistenzsystemen (Advanced Driver Assistance Systems, ADAS) verschiedener Hersteller unter die Lupe genommen.

Im Rahmen der Beijing Auto Show im April dieses Jahres hat P3 sein zweitägiges Car Experience Event veranstaltet. Knapp 70 Kunden waren der Einladung gefolgt. Insgesamt standen vor Ort acht Fahrzeuge für Testfahrten bereit. Fast alle der acht Testwagen hatten ein Level 2++ Feature an Bord, konkret die Funktion „Navigation on Pilot“ (NoP) in der Stadt (Ausnahmen: Baojun Yunduo mit L2+ und BYD Song L mit L2). Zur Erklärung: Das Level 2+/2++ geht über die üblichen Level 2-Systeme hinaus, indem es fortgeschrittene Assistenzfunktionen wie hands-free-Fahren unter bestimmten Bedingungen ermöglicht – etwa in klar definierten Bereichen wie auf Autobahnen (L2+) oder in der Stadt (L2++) . Eigentlich gibt die Regulation in China hands-free-Fahren noch gar nicht her. Chinesische Hersteller setzen jedoch auf vergleichsweise großzügige Zeitfenster, in denen der Fahrer zur Übernahme des Lenkrads aufgefordert wird. Dadurch entsteht der Eindruck, das Fahrzeug könne minutenlang autonom fahren. Die Verantwortung liegt jedoch, wie bei allen L2-, L2+ und L2++ Systemen, weiterhin vollständig beim Fahrer.

Der P3 ADAS Index

Die Bewertung und der Vergleich von ADAS stellen eine große Herausforderung in der Automobilbranche dar. Trotz der zunehmenden Verbreitung und Bedeutung von ADAS-Funktionen fehlt es an klar definierten KPIs und standardisierten Bewertungsmethoden. Diese Lücke führt zu einer Unsicherheit bei Verbrauchern, Herstellern und Regulierungsbehörden, die die Leistungsfähigkeit und den Nutzen von ADAS nur schwer einschätzen können. P3 hat den ADAS Index entwickelt, um genau dieses Problem zu lösen. Durch ein standardisiertes Framework und über 100 spezifische Testfälle ermöglicht der P3 ADAS Index eine objektive und nachvollziehbare Bewertung der ADAS-Performance über alle Funktionscluster (Fahren, Parken und Sicherheit) bis einschließlich dem SAE Level 3.

P3 hat es sich zum Ziel erklärt, Transparenz und Vergleichbarkeit in diesem komplexen Feld zu schaffen, um so die Entwicklung sicherer und effizienter Fahrerassistenzsysteme voranzutreiben. Der P3 ADAS Index trägt dazu bei, dass sowohl Industrie als auch Verbraucher fundierte Entscheidungen treffen können und unterstützt gleichzeitig die Weiterentwicklung dieser entscheidenden Technologien. Der Index berücksichtigt dabei die Kategorien Performance, Komfort, Sicherheit, Benutzerfreundlichkeit und Wahrnehmung, um ein umfassendes und aussagekräftiges Gesamtbild zu liefern.

Wie gut und wie zuverlässig funktionierten die Systeme im Test?

Die Fahrzeuge waren in der Lage, auch komplexe Manöver auszuführen – und das in sehr dichten Verkehrsszenarien. Angefangen bei automatisierten Links- und Rechtsabbiegungen bis hin zu Spurwechseln. Im dichten Verkehr auf Chinas Straßen – sowohl in der Stadt als auch auf der Autobahn – konnten die ADAS-Systeme aller Testwagen unterm Strich überzeugen. Getestet wurde in den Funktionsclustern Fahren, Parken und Sicherheit an Bord.

Chinesische OEMs erreichen hier übrigens ein hohes Maß an Vertrauen in die Systeme, da sie eine detaillierte Anzeige der Umgebungssituation in den HMI-Displays anzeigen und ein ständiges Audio-Feedback über beabsichtigte und bevorstehende Manöver geben.

Gewinner und Verlierer im P3 ADAS Index

Die Skala des ADAS Index von P3 erstreckt sich von 1 (Basic) bis 5 (Ideal) – wobei der europäische Durchschnitt  bei 3,6 liegt. Den Spitzenplatz im Index konnte sich der Aito M9 mit einer 4,73 sichern. Der Ji Yue 01 (4,64) und der Xpeng X9 (4,60) folgen auf den Plätzen zwei und drei. Einzig der BYD Song L mit seinem L2 landet bei 3,37 – und damit unter dem europäischen Durchschnitt.

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Grafik: P3

Im internationalen Vergleich führen chinesische OEMs den P3 ADAS Benchmark klar an. Das macht es für internationale OEMs sehr schwierig, auf dem chinesischen Markt konkurrenzfähig zu sein. Zudem ist bei den internationalen Herstellern nicht vor Ende 2025 mit Level 2+ Funktionen auf dem chinesischen Markt zu rechnen.

Bei den Ergebnissen des P3 ADAS Index handelt es sich natürlich um eine Momentaufnahme – die Fahrfunktionen entwickeln sich dank regelmäßiger Software-Updates stetig weiter. Im Test war beispielsweise der Aito M9 mit dem ADS 2.0 unterwegs – mittlerweile ist das ADS 3.0 gelauncht. Dennoch zeichnet sich eine grundlegende Performance-Tendenz der chinesischen Player ab. Vor diesem Hintergrund plant P3, solche Tests regelmäßig durchzuführen und die technische Entwicklung zu begleiten.

Marktausblick

In dem sich verschärfenden Wettbewerbsumfeld hinsichtlich ADAS und Ladeleistung werden sich chinesische OEMs wohl weitere Marktanteile auf dem heimischen NEV-Markt sichern. Und natürlich blicken die chinesischen Hersteller auch nach Europa – wobei dort neben Sonderzöllen auch weitere regulatorische Hürden hinsichtlich Cyber Security und funktionaler Sicherheit warten.

Etablierte chinesische Technologieunternehmen wie Huawei oder Baidu treiben die Fortschritte bei der ADAS-Leistung und Kooperationen mit internationalen OEMs (Baidu & Tesla, VW & Xpeng). Die Folge: EU-Tier 1-Zulieferer wie Bosch verlieren hier Boden.

„In der Gesamtbetrachtung haben europäische Automobilhersteller einen Rückstand in der Entwicklung von aktuell mindestens zwei Jahren auf die chinesischen Wettbewerber“, lautet das Fazit von Marco Dargel, Partner bei P3. „Damit wird das Rennen um die Führung bei den so wichtigen Fahrerassistenz-Systemen und Software in China nicht nur zu einer Herausforderung für deutsche und internationale OEMs, sondern auch für die etablierten Zulieferer.“

Und auch bei chinesischen Technologieunternehmen und Startups wie Horizon Robotics, Black Sesame, Phigent Robotics oder Robosense steht die Entwicklung nicht still. Mit neuen wichtigen Produkten und Technologien (Lidar, kostengünstige Kameralösungen, SoC) werden sie wohl zu immer wertvolleren Partnern für OEMs, damit diese ihr Produktangebot verbessern können. „China muss jetzt als Leitmarkt begriffen werden, um mit gezielten Kooperationen die Entwicklungsgeschwindigkeit zu erhöhen“, betont Dargel abschließend.

Quelle: P3 ADAS Benchmark – China

8 Kommentare

zu „P3 ADAS Benchmark – China-Edition: Huawei-Technik hat die Nase vorn“
Aztasu
21.10.2024 um 00:55
Top Ergebnisse von den chinesischen Herstellen und auch von den deutschen Herstellern, wie erwartet. Und die next-gen E-Auto Plattformen von BMW und Mercedes, die 2025 (MMA, "Neue Klasse") und 2026 (MB.EA, EVA2+ (Upgrade auf 800V und Hardware 6 für E- und S-Klasse)) auf den Markt kommen, machen nochmal einen Schritt nach vorne. Sollte sich einige aus gewissen Info-Blasen mal genauer ansehen. Wird nur leider nicht passieren. Gegen chinesische Hersteller wird es aber sehr schwer bleiben, auch für die deutschen Premium-Hersteller.
John
21.10.2024 um 13:55
Wenn ich folgendes lese "Chinesische OEMs erreichen hier übrigens ein hohes Maß an Vertrauen in die Systeme ..." stelle ich mir die Frage was hier bewertet wurde? Spielt das Thema Overtrust hier eine Rolle? Diese L2+ und ++ Funktionen gibt es vielleicht in CN und sie sind dort akzeptabel. In der EU haben wir aber ein anderes Sicherheitsverständnis und ggf. eine andere ethische Einstellung bzgl. Funktionsvalidierung beim Kunden und ich muss sagen in der Gesellschaft. Es ist eventuell in der EU nicht akzeptabel wenn eine Familie bei einem Frontalcrash mit einem L2++ ums leben kommt. In CN ist das eventuell ein Kollateralschaden. Nicht jede L2+/++ ist daher überall gleich akzeptabel und gleichwertig.
Peter Wulf
23.10.2024 um 18:20
Ich habe gestern auf youtbe einen" zdf Bericht zum Selbständigen Fahren eines Mercedes" auf einer deutschen Autobahn mit Begleitung eines Mercedes Entwicklers gesehen. Angeblich Stufe 3 ohne das Lenkrad festzuhalten. AUF Autobahn Höchstgeschwindigkeit 90kmh ohne Spurwechsel zum Überholen , muss bei spurwechsel / Einengung/ Baustelle ausgeschaltet werden . Was soll das ? Mein Tesla S70D vor facelift BJ2015/16 EZ märz 2016 nur mit AP 1 1xfrontcamera vorn Radar uns Sensoren und 1heckcamera kann . Bis 130kmh mit Blinker setzen überholen und wieder zurück in die Spur mit notwedigem Abstand. Er fährt auch auf Landstraßen Schnellstr. Bei mittler Fahrbahnmarkiering genau an der Linie und selbst durch enge Kurven,gilt auch für lange Autobahntunnel neuen Bundesländern. Für 8,5 jahre alte technik eine Leistung. Merceds Sollte sich mal den neusten Stand der bei Tesla mit FSD anschauen . Von Zieleingabe bis zum Einparken fahren Teslas selbstständig auch in Tunneln. Dazu kosten die Tesla Moder 3 und Y fast 1/3 des vorgestellten Mecedes.
Aztasu
24.10.2024 um 23:30
Leider hast du den Unterschied zwischen Level 2/Level 2+(inoffiziell) und Level 3 nicht verstanden. BMW kann auch Level 2 bis 130km/h, eigentlich könnnen das alle. Level 3 ist aber noch mal eine ganz andere Sache und bisher hat nur BMW und Mercedes eine Level 3 Lizenz, wobei Mercedes diese in mehreren Teilen der Welt besitzt und die Fahrzeuge können mit 95km/h im fließenden Verkehr völlig autonom fahren während man selbst zum Beispiel ein Buch liest. Tesla hängt der Konkurrenz hinterher.
Thomas
26.10.2024 um 05:38
Ne Du hast es nicht verstanden.Ob Level 2, 3 oder was auch immer.Es geht um den Versicherungsschutz und wer wie haftet.Ein Hersteller kann ein vollautonomes Fahrzeug rausbringen uns es trotzdem nur als Level 2 irgendwas anbieten.Aber gut, mittlerweile kenne wir Dich hier im Kommentarbereich ja schon als jemanden mit wenig Wissen (aber glaubend vielwissend zu sein) und sehr überheblicher Redeweise.
Aztasu
27.10.2024 um 07:02
Bitte noch mal nachlesen wie das mit sen Abstufungen funktioniert und welche Sicherheitsanforderungen gelten
Aztasu
26.10.2024 um 20:10
Nein, das ist schlicht falsch. Da solltest du noch mal in die Abstufungen reinschauen. Level 2+ bedeutet das du immer Aufmerksam sein musst, und Level 3 bedeutet das man Tätigkeiten ausführen darf die die Aufmerksamkeit vom Straßenverkehr nimmt, aber nach einer kurzen Übergangszeit muss man übernehmen können (bzw. muss man nicht, aber dann bleibt das Fahrzeug am Fahrbahnrand stehen). Man könnte also nicht schlafen und darf auch nicht auf den Rücksitzen Platz nehmen. Es hat nicht nur mit Versicherungsschutz zu tun, sondern auch mit dem Ausfallrisiko. Level 3 muss deutlich höhere Anforderungen erfüllen als Level 2. Level 4 erlaubt auch die Fahr auf den Rücksitzen ohne Fahrer, dafür ist Level 4 aber noch an einige Einschränkungen des Einsatzgebietes gebunden. Level 5 hat gar keine Beschädigungen mehr
Aztasu
27.10.2024 um 13:01
*BeschränkungenWenn man ohne Aufmerksamkeit auf den Straßenverkehr eingeschränkt autonom fahren kann, dann wäre das Level 3 und dafür muss der Hersteller haften. Ein Zwischending das man Level 3 funktionalität anbietet aber nicht die Haftung übernimmt ergibt keinen Sinn und wird es auch nicht geben. Dann wäre es Level 2 (Level 2+) und man MUSS ganz normal immer auf die Straßen schauen. Das hat überhaupt keinen Nutzen wenn man eigentlich wie bei Mercedes ein Buch lesen möchte. Die Hersteller entscheiden zum Glück nicht selbst wie sie dieses heikle Thema handhaben, sondern da sind immer die Zulassungsbehörden und die Sicherheitsvorschriften involviert. Diese sind nicht in Stein gemeißelt, aber wie du dir das denkst funktioniert das eben einfach nicht. Zum Glück machen es bei den privaten Fahrzeugherstellern etliche chinesische und deutsche Hersteller besser. Und bei den rein als Robotaxi operierenden Unternehmen ist Waymo oder Baidu vorne.

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