Mercedes-Benz eröffnet erste Batterie-Recyclingfabrik
Kurz zu den Begrifflichkeiten: Oft handelt es sich bei „Recyclingfabriken“ lediglich um Anlagen, in denen die ausgedienten oder defekten Batterien entladen, demontiert und zerkleinert werden. Dabei können zwar schon Materialien wie Aluminium und Kupfer abgetrennt werden, am Ende dieses Prozesses steht aber nur die sogenannte schwarze Masse als Mischung aus den wertvollen Aktivmaterialien. Diese werden dann in einer anderen Anlage, oft bei einem Partnerunternehmen, erst in die eigentlichen Rohstoffe aufgespalten, die dann wieder für die Batterieproduktion genutzt werden können.
Nicht so im Falle von Mercedes-Benz. Der Stuttgarter Autobauer hat in Kuppenheim eine integrierte, mechanisch-hydrometallurgische Anlage errichtet. Das heißt, in dem hydrometallurgischen Verfahren findet auch genau diese Aufarbeitung der schwarzen Masse statt. Laut der Mercedes-Mitteilung ist Kuppenheim „die erste Batterie-Recyclingfabrik Europas“, die auf ein solches Verfahren setzt. Und damit werde das Unternehmen „zum ersten Automobilhersteller weltweit, der den Batterie-Wertstoffkreislauf durch eine eigene Recyclinganlage schließt“.
Allerdings geschieht das vorerst in einem überschaubaren Maßstab. Die Batterie-Recyclingfabrik in Kuppenheim hat eine Jahreskapazität von 2.500 Tonnen und ermöglicht laut Mercedes die Wiederverwendung der Wertstoffe für die Produktion von mehr als 50.000 Batteriemodulen für vollelektrische Modelle. Langfristig plant Mercedes-Benz, die Produktionsvolumina zu skalieren und die Recyclingkapazitäten weiter auszubauen – derzeit gibt es schlichtweg noch zu wenige, recyclingfähige Altbatterien, um eine größere und teurere Anlage zu rechtfertigen.
Die jetzt eröffnete Anlage hat ihre Schatten schon eine ganze Weile voraus geworfen. Erste Berichte, wonach die damalige Daimler AG auf dem Areal des Presswerks in Kuppenheim eine solche Recyclingfabrik erwäge, stammen aus dem Februar 2021. Kuppenheim liegt nur wenige Kilometer von dem Kompaktwagen-Werk Rastatt entfernt, jedoch östlich der A5 und damit nicht mehr auf dem Gebiet von Rastatt. Später im Jahr 2021 hat das Unternehmen die Recycling-Pläne dann bestätigt. Bis zur Grundsteinlegung verging dann einige Zeit, das war im März 2023 der Fall. Damals wurde aber nur mit dem Bau der ersten Phase, also der mechanischen Zerkleinerung, begonnen.
Die zweite Phase mit der so wichtigen, hydrometallurgischen Anlage, wurde erst später im Mercedes-Auftrag von Primobius gebaut. Das Batterierecycling-Joint-Venture des deutschen Maschinenbauers SMS Group mit dem australischen Batteriematerial-Hersteller Neometals hatte den Auftrag Anfang diesen Jahres erhalten – bereits die Shredderanlage stammt von Primobius.
Die hydrometallurgische Aufbereitung in Kuppenheim soll mit 96 Prozent nicht nur auf eine sehr hohe Recyclingquote kommen, sondern dabei auch energieeffizient sein und weniger Abfall erzeugen, wie Mercedes betont – als Vergleich werden bei dieser Aussage aber pyrometallurgische Verfahren herangezogen, also das energieintensive Einschmelzen der Batterie. Ein Vergleich zu anderen hydrometallurgischen Verfahren wird nicht genannt. „Es arbeitet mit niedrigen Prozesstemperaturen von bis zu 80 Grad Celsius und verbraucht deshalb weniger Energie. Darüber hinaus wird die Recyclingfabrik wie alle Mercedes-Benz Produktionswerke bilanziell CO2-neutral betrieben. Sie wird zu 100 Prozent mit Grünstrom versorgt“, so der Autobauer. Die Dachfläche des 6.800 Quadratmeter großen Gebäudes ist mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet, die über eine Leistung von mehr als 350 Kilowattpeak verfügt.
Zur Eröffnung der Anlage waren nicht nur Vertreter aus dem Mercedes-Vorstand nach Kuppenheim gekommen – wie etwa CEO Ola Källenius und der verantwortliche Lieferketten-Vorstand Jörg Burzer – , sondern auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker.
„Die Zukunft des Automobils ist elektrisch und Batterien sind dafür ein wesentlicher Bestandteil. Um Batterien ressourcenschonend und nachhaltig zu produzieren, braucht es auch Recycling“, wird Scholz in der Pressemitteilung von Mercedes zitiert. „Kreislaufwirtschaft ist ein Wachstumsmotor und gleichzeitig wesentlicher Baustein zur Erreichung unserer Klimaziele! Ich gratuliere Mercedes-Benz zu Mut und Weitsicht bei dieser Investition in Kuppenheim. Deutschland bleibt ein Leitmarkt für neue und innovative Technologien.“
„Als Pionier des Automobilbaus legen wir mit Europas erster integrierten mechanisch-hydrometallurgischen Batterie-Recyclingfabrik einen Meilenstein auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit bei Rohstoffen“, sagt Källenius. „Gemeinsam mit unseren Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft setzen wir ein starkes Zeichen der Innovationskraft für eine nachhaltige Elektromobilität und Wertschöpfung in Deutschland und Europa.“
Batterien als Rohstoffmine von morgen
Supply-Chain-Management-Vorstand Burzer ergänzt: „Wir vertiefen konsequent unsere Kompetenzen in der Batteriewertschöpfungskette. Nach der Eröffnung des Mercedes-Benz eCampus zur Entwicklung neuer Batterie-Zellchemien in Stuttgart-Untertürkheim schließen wir in Kuppenheim jetzt nachhaltig den Wertstoffkreislauf. Der innovative Technologieansatz ermöglicht uns, wertvolle Rohstoffe mit höchstmöglichen Reinheitsgraden aus der Batterie zurückzugewinnen. Damit werden Batterien von heute zur nachhaltigen Rohstoffmine von morgen. Die neue Batterie-Recyclingfabrik stärkt die Rolle des Mercedes-Benz Produktionsverbunds mit Fahrzeug- und Antriebswerken in Europa.“
Im Juli hatte das Unternehmen in Stuttgart-Untertürkheim den Mercedes-Benz eCampus eröffnet, „wo der Kreislaufgedanke bereits in die Entwicklung neuer Batteriezellen einfließt“, so Mercedes. Dort soll die Batterieforschung des Autobauers gebündelt werden, um innovative Hochleistungszellen und neue Fertigungsprozesse zu entwickeln. Das erklärte Ziel: Die Batteriekosten sollen um mehr als 30 Prozent sinken.
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