Frankreich: Renault und The Mobility House legen V2G-Hebel um
Für Frankreich ist das von Renaults Tochter Mobilize und The Mobility House verantwortete Vehicle-to-Grid (V2G)-Angebot jetzt marktreif. Autobatterien werden damit „erstmals in einem kommerziellen und skalierbaren Produkt für Endkunden intelligent in das Stromnetz integriert“, wie es die Münchner ausdrücken. Durch das Rückspeisen von Strom ins Netz und die aggregierte Vermarktung dieser Stromreserve sollen Fahrzeugbesitzer quasi „kostenlos laden und fahren“, heißt es, denn ihr Auto verdient durch das Rückspeisen der Energie Geld. Entsprechend technisch ausgerüstet sind im Renault-Konzern die Neuerscheinungen Renault 5 und der seit Kurzem bestellbare Alpine A290. Weitere Voraussetzung sind die auf das bidirektionale Laden ausgelegte AC-Ladestation PowerBox Verso sowie der von The Mobility House verantwortete Energievertrag Mobilize Power.
Der Roll-out soll an Frankreichs Grenzen derweil nicht Halt machen. „Großbritannien folgt im Jahr 2025, während Deutschland weiterhin seinen Ansatz zur Implementierung der V2G-Technologie evaluiert und entwickelt“, teilt The Mobility House mit. Die Münchner tragen bei der Kooperation mit Renault ihre Expertise und Technologiebausteine bei, um die Fahrzeugbatterien zu bündeln, die Ladeenergie auf den Märkten zu handeln, Netzdienstleistungen zu erbringen – „und Kunden davon mit einem innovativen Energietarif profitieren zu lassen“, wie es die Firma ausdrückt. Den minimalen und maximalen Ladestand des Autos und weitere Parameter bestimmen die Kunden dabei selbst per App.
Auch mit Blick auf die hier und da zu hörende Skepsis, dass die Batterie durch die vermehrten Lade- und Entladeprozesse beim V2G vorschnell altern könnte, beruhigt The Mobility House: Für Kunden ergeben sich keine „sichtbaren Abnutzungseffekte der Batterie“. Und: „Die Gewährleistung für die Batterie wird von Renault übernommen“.
Auf die Frage, warum es in Frankreich nun losgehen kann, in anderen Ländern aber noch nicht, liefert The Mobility House folgende Erklärung: „Frankreich und Großbritannien bieten im Vergleich zu Deutschland deutlich bessere regulatorische Rahmenbedingungen für den Ausbau von bidirektionalem Laden.“ Das liege vor allem an folgenden Faktoren: „unterstützende Regulatorik, Smart-Meter-Ausbau und Digitalisierung“.
Frankreich ist ergo bei der Regulatorik weiter als Deutschland. Die involvierten Parteien erkennen den Münchnern zufolge den Mehrwert bidirektionalen Ladens an und setzen sich für pragmatische Lösungen ein. Außerdem seien Smart Meter und effiziente Anmeldeprozesse flächendeckend verfügbar, womit ein wichtiger Baustein für V2G bereits bei den Endkunden vorhanden ist. Eine große Rolle spielt dabei, dass es in Frankreich mit Enedis nur einen großen Verteilnetzbetreiber gibt.
In Deutschland gibt es dagegen bekanntlich ein dezentral verwaltetes Stromnetz mit über 900 Netzbetreibern, was die Umsetzung innovativer Technologien natürlich erschwert. Außerdem müssen aus Sicht von The Mobility House in Deutschland noch regulatorische Hürden abgebaut werden – „insbesondere die doppelten Netzentgelte“ und der schleppende Smart-Meter-Rollout Fahrt aufnehmen. „Stand heute scheitert der Rollout an der langsamen Umsetzung seitens der gesetzlichen Messstellenbetreiber und insbesondere aufgrund nicht vorhandener Prozesse der Netzbetreiber für wettbewerbliche Messstellenbetreiber“, lautet die Analyse.
Großbritannien reiht sich als potenzieller V2G-Markt dazwischen ein. Die Briten seien bei der Regulatorik sehr weit und trieben das bidirektionale Laden konsequent voran, so The Mobility House. Auch der flächendeckende Ausbau von Smart Metern gehe gut voran. „Aktuell wird bereits die zweite Generation
ausgerollt.“ Die sechs in Großbritannien aktiven Verteilnetzbetreiber verfügen – organisiert über die ENA – zudem über vereinheitlichte und vollständig digitalisierte
Prozesse.
Die verschiedenen Level der Länder spiegeln sich in Renaults V2G-Roadmap wider: Auf dem deutschen Markt führte Renault den elektrischen R5 im Mai der hinterherhinkenden Regulatorik wegen ohne die versprochene V2G-Fähigkeit ein. Eigentlich sollten die beiden höheren Motorisierungen des Kompaktstromers je ein bidirektionales AC-Ladegerät an Bord haben und – wie von Renault Mitte 2023 angekündigt – vom Start weg das V2G-Laden beherrschen (Wie das genau funktioniert, haben wir hier aufbereitet). Während das Feature nun in Frankreich tatsächlich eingeführt wird, unterstützen die Fahrzeuge in Deutschland zunächst nur das bereits recht weit verbreitete V2L – also das Laden von externen Geräten mit hier 3,7 kW.
Trotz der verzögerten Einführung in anderen Ländern bezeichnet The Mobility House den Launch in Frankreich nun als „Beginn einer neuen Ära, in der E-Fahrzeuge nicht nur Energie verbrauchen, sondern auch an das Netz zurückgeben und so zu Speicherkraftwerken werden“. Thomas Raffeiner, Gründer und CEO bei The Mobility House, erinnert daran, dass sein Team seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 2009 sowohl neue als auch herausfordernde Wege beschritten habe. „Mit dem Launch in Frankreich haben wir ein bedeutendes Etappenziel erreicht, das beweist, dass wir technisch in der Lage sind, V2G erfolgreich umzusetzen. Nun gilt es, auch in Deutschland zu zeigen, dass kostenlos und emissionsfrei Elektroauto gefahren werden kann.“
The Mobility House beschäftigt sich bekanntlich intensiv mit der Frage, wie die sogenannte Ladeflexibilität von Elektroautos ohne Komforteinbußen seitens der Nutzer erschlossen werden kann. Kern der Überlegung ist, dass E-Autos die meiste Zeit parken und nicht fahren. 2023 launchten die Münchner beispielsweise „eyond“, ein Angebot, das privaten E-Auto-Fahrern mit heimischem Ladegerät quasi nebenbei Erlöse sichern und gleichzeitig zur Energiewende beitragen soll – zunächst unidirektional, künftig auch bidirektional.
Der Anspruch von The Mobility House ist dabei, die schwankende Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien mit den Ladebedarfen der Nutzer in Einklang zu bringen, die gewonnene Flexibilität an den Strommärkten zu vermarkten und die finanziellen Vorteile an Kunden weiterzugeben. Wie je her operieren die Münchner dabei an der Schnittstelle von Mobilitäts- und Energiemarkt. Im Fall von „eyond“ sollen die erwirtschafteten Erlöse Endkunden das Laden vergünstigen und die bereitgestellte Flexibilität gleichzeitig die Stromnetze und -märkte stabilisieren. Herzstück der V1G- und V2G-Lösungen von The Mobility House ist dabei eine EV-Aggregationsplattform, mit der das Unternehmen die Vermarktung der aggregierten Ladeflexibilitäten seiner Kunden an verschiedenen Strommärkten betreibt.
mobilityhouse.com, themobilityhouse.com (Factsheet, PDF)
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