Quantron AG ist insolvent
Die Augsburger Justiz hat die Insolvenzeröffnung amtlich bekannt gemacht: Quantron – 2019 gegründet – steht somit seit dem 29. Oktober unter der Aufsicht eines vorläufigen Insolvenzverwalters. Rechtsanwalt Constantin Salm-Hoogstraeten soll dafür sorgen, dass das Vermögen des Unternehmens bis zur endgültigen Entscheidung über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gesichert ist. Der Vorstand bestehend aus CEO Andreas Haller, Finanzchefin Beate Reimann und Technikchef Rene-Christopher Wollmann darf über das Vermögen der AG also nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters verfügen. Quantron selbst kündigt an, ein Statement zur Insolvenz im Laufe des Tage veröffentlichen zu wollen.
Dass Quantron seit einigen Monaten mit einem finanziellen Engpass kämpft, manifestierte sich zuletzt immer mehr. Seinen Stand auf der IAA Transportation sagte Quantron kurzfristig ab. Beschäftigte des Nutzfahrzeug-Herstellers aus Gersthofen sollen teils auf ihre Löhne warten, berichteten verschiedene Augsburger Lokalmedien vergangene Woche. Quantron gab electrive gegenüber am Freitag an, in der Tat Außenstände zu haben – auch bei der Belegschaft. Doch Finanzchefin Reimann verwies auf den bevorstehenden Abschluss eines neuen Investoren-Deals. Jetzt zeigt sich: Statt einer neuen Finanzierungsrunde wartet die Insolvenz auf Quantron. Wie es für die rund 90 Beschäftigten weitergeht, ist unklar. Einige Mitarbeiter – auch solche, die sich bei der electrive-Redaktion gemeldet haben – halten die geordnete Insolvenz allerdings für eine bessere Option als die aktuellen Zustände. Vor dem Arbeitsgericht in Augsburg soll es beispielsweise bereits zu Lohnklagen von Mitarbeitenden gekommen sein.
Kurzer Rückblick: Quantron tauchte Ende 2019 als neuer Akteur im E-Nutzfahrzeug-Markt auf — ins Leben gerufen vom Gersthofener Iveco-Vertragspartner und Nutzfahrzeugspezialisten Haller. Anfangs in der Umrüstbranche verortet, wandelte sich das Startup schnell zu einem Systemintegrator mit auch international rasant wachsenden Ambitionen. Immer häufiger wiederholte die Leitung, dass Quantron kein OEM werden wolle, sondern ein Plattform-Anbieter. Das Geschäftsmodell besteht also weniger aus der Produktion und dem Verkauf von E-Trucks, sondern auf dem Betrieb eines Ökosystems. Finanziert werden sollten die Aktivitäten unter anderem durch Mittel, die Quantron in einer B-Finanzierungsrunde einwerben wollte. Als Ziel gab das Unternehmen im vergangenen Jahr 100 bis 200 Millionen Euro aus.
Genau das ist der Knackpunkt: Diese Finanzierungsrunde scheiterte, woraufhin Andreas Haller, der Gründer und Vorstandsvorsitzende der Quantron AG zum Jahreswechsel 2023/24 zusätzlich in die CEO-Rolle schlüpfte. Er übernahm die Führungsaufgabe „mit besonderem Fokus auf den erfolgreichen Abschluss der B-Runde“, so der O-Ton seinerzeit. Haller muss jedoch aktuell pausieren: Er erlitt nach eigener Aussage während der IAA einen schweren Herzinfarkt und erholt sich derzeit davon. „Sorry, aber mein Gesundheitszustand hat einen Grund – das war und ist mein unerbitteter Glaube und mein Kampf für die deutsche Wirtschaft und für nachhaltige Technologien, die auch in Deutschland eine große Zukunft haben und wir diese definitiv brauchen“, schrieb Haller auf Linkedin.
Am Markt soll Quantron zurzeit rund 200 Fahrzeuge haben – darunter sowohl Batterie- als auch Brennstoffzellen-betriebene. Den Schritt in eine vollumfängliche Serienfertigung hat das Unternehmen aber in den fünf Jahren seiner Existenz nicht geschafft. Bisher sind zudem für alle Lkw beim TÜV Einzelabnahmen erforderlich, was die Kosten weiter in die Höhe treibt. Nicht zuletzt deshalb soll ein Kunde seine H2-Lkw-Bestellungen unlängst von Quantron auf Hyundai umgestellt haben, wie uns Branchenkreise berichteten.
Interessant ist ein Blick in die Bilanzen: So weist Quantron bereits für das Jahr 2022 einen Fehlbetrag von rund 17,4 Millionen Euro aus – bei einem Umsatz von 13,6 Millionen. Ein großer Anbieter von Wirtschaftsinformationen bewertet Quantron wenig überraschend als Totalausfall. Bonität ist nicht mehr gegeben. Bereits im Juni 2024 taucht ein Warnhinweis in der Bewertung des Bonitätsdienstleisters, die electrive vorliegt, auf: Nichtabgabe der Vermögensauskunft, heißt es lapidar. Die aktuelle Anordnung von Sicherungsmaßnahmen durch das Amtsgericht Augsburg kommt dafür vergleichsweise spät und ist wohl folgerichtig.
Update 31.10.2024: In einer eigenen Mitteilung gibt Quantron nun bekannt, im Zuge der vorläufigen Insolvenz „an Möglichkeiten zur erfolgreichen Fortführung des Geschäftsbetriebes zu arbeiten“. Der vorläufige Insolvenzverwalter Constantin Salm-Hoogstraeten wird in der Mitteilung mit den Worten zitiert, er werde die Lage des Unternehmens mit seinem Team nun analysieren. Und: „Wir müssen uns erst einmal ein genaues Bild vom Zahlenwerk und von der Situation vor Ort machen, bevor wir belastbare Aussagen zu den Fortführungschancen machen können.“ Sein Team prüfe aktuell auch die Möglichkeit, eine Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes für die Mitarbeiter zu organisieren.
Bis klar ist, wie es weitergeht, will Quantron „den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten und Kunden und Partner weiter mit größtmöglichem Einsatz betreuen“. Für CEO Andreas Haller, der sich wie erwähnt nach einem kürzlich erlittenen Herzinfarkt im September 2024 in Rehabilitation befindet, übernimmt Denis Muratov als „Interims-CEO“ und auch anstelle von Klaus Schmitt als neuer Aufsichtsratsvorsitzender. Muratov sei Managing Partner bei Fund4SE (Fund For Sustainability & Energy) und habe in den letzten drei Jahrzehnten eine Vielzahl von Entwicklungsprojekten für Branchen wie Verkehr, Telekommunikation, FinTech und Risikokapital geleitet, so Quantron.
Quelle: Infos per E-Mail, neu.insolvenzbekanntmachungen.de, bbl-law.com
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