Mer nimmt Schnelllader für E-Lkw am Hamburger Hafen in Betrieb
Der Hamburger Hafen ist der größte Seehafen Deutschlands und der drittgrößte Europas. Rund 16.000 Lkw passieren den Hafen an einem durchschnittlichen Werktag. Da liegt es nahe, dass im Zuge der Elektrifizierung des Güterverkehrs auch Elektro-Lkw ihren Weg in die Hansestadt finden. Damit die Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs gelingen kann, ist jedoch eine entsprechende Ladeinfrastruktur nicht nur in den Depots, sondern auch im öffentlichen Raum notwendig.
Was den Hamburger Hafen betrifft, machte Shell im Mai vergangenen Jahres den Anfang. Vor zwei Monaten folgte E.ON mit einem eigenen Standort für das Laden von Elektro-Lkw. Mit Mer bietet nun ein dritter Anbieter ein eigenes Lade-Angebot für leichte als auch schwere Nutzfahrzeuge vor Ort an.
Gemeinsam mit der Hamburg Port Authority (HPA), Cruise Gate Hamburg (CGH) und Iveco – insgesamt waren übrigens 14 Projektpartner an der Umsetzung beteiligt – hat Mer einen neuen Schnellladestandort auf dem Lkw-Parkplatz am Kreuzfahrtterminal Steinwerder realisiert. „Aus den Rückmeldungen von ansässigen Speditions-, Transport- und Logistikbetrieben ging hervor, dass sich der Aufbau der für den Betrieb notwendigen Ladeinfrastruktur aufgrund der örtlichen Gegebenheiten als schwierig erweist“, wie Mer gegenüber electrive mitteilt. Über eigene geeignete Flächen im direkten Hafenumfeld würden die wenigsten der Betriebe verfügen, heißt es. Angesichts dessen wurde unter anderem der Kronprinzkai als Standort identifiziert, „da dieser alle Voraussetzungen für das schnelle Laden von schweren Nutzfahrzeugen erfüllt und an einem für die Hafenlogistik strategisch wichtigen Verkehrsknotenpunkt im Hafengebiet liegt“.
Der neue Ladepark von Mer beherbergt drei High Power Charger von Alpitronic mit insgesamt sechs Ladepunkten. Jede Ladesäule bietet eine Ladeleistung von bis zu 300 kW. Laden jedoch zwei Fahrzeuge gleichzeitig an einer Ladesäule, wird die Leistung geteilt. Da in der Trafostation noch ein Megawatt Netzkapazität frei ist, was in etwa der Leistung von drei weiteren Schnellladesäulen entspricht, wäre eine Erweiterung bei steigendem Bedarf machbar. Auch die Reservierung einzelner Ladepunkte soll in Zukunft möglich sein.
Doch wer mit seinem Lkw den Schnellladestandort einfach anfahren will, wird nicht nur an der Schranke an der freien Zufahrt gehindert. Die Ladesäulen befinden sich auf einem kostenpflichtigen Lkw-Parkplatz. Über die Online-Plattform von Bosch Secure Truck Parking können sich Lkw-Fahrer zwar über freie Stellplätze am Kreuzfahrtterminal informieren und bei Verfügbarkeit direkt buchen und parken. Ob dann aber auch ein Ladepunkt frei ist, muss gesondert geprüft werden.
Und: Öffentlich zugänglich sind sie dadurch noch immer nicht, weshalb sie auch in keinen Apps zu finden sind. Wie Mer auf Nachfrage mitteilt, ist das Laden aufgrund der KsNI-Förderung zunächst ausschließlich Fahrzeugen vorbehalten, die auch über dieses Förderprogramm finanziert wurden. Und: „Aufgrund der Rahmenbedingungen der in Anspruch genommenen Bundesförderung ist eine Registrierung bei Mer Germany erforderlich. So soll Mer die Erfordernisse bzgl. des Reportings gegenüber dem Fördergeber einhalten können. Mer wird zunächst mit einem geschlossenen Nutzerkreis arbeiten, der vor allem aus Fahrzeugen, die regelmäßig im Hamburger Hafen verkehren, bestehen wird. Aber: Perspektivisch sei auch eine Öffnung des Angebots in Abstimmung mit dem Fördergeber denkbar. Für das Ad-hoc-Laden via Terminal sind die Stationen immerhin bereits vorgerüstet.
Bis der neue Schnellladepark übrigens in Betrieb genommen werden konnte, ging einige Zeit ins Land, wie Jessica Schneider, Director Private Charging bei Mer Germany, bei der Eröffnung am Cruise Center Steinwerder verriet: „Das Ganze ist im Jahr 2022 ins Leben gerufen worden. Im Jahr 2023 kam der Förderbescheid und im Juni dieses Jahres, nach Tiefbau, Elektroinstallation und den ganzen nötigen Arbeiten, die erfolgen müssen, wurden diese Charger endlich aktiviert.“ Auch Mario Männlein, Head of Alternative Propulsion bei der Iveco Magirus AG, machte auf die Komplexität eines solchen Vorhabens aufmerksam: „Wie gesagt, da gehört auch immer eine ganz große Portion an Ausdauer und vor allem auch eine große Portion an gegenseitigem Verständnis zwischen verschiedenen Akteuren in so einem Projekt dazu.“ Iveco selbst bietet nicht nur E-Transporter an, sondern seit diesem Sommer auch mit dem S-eWay eine elektrische Sattelzugmaschine. Der Nutzfahrzeughersteller soll seine Expertise im Fahrzeugbereich eingebracht haben. Passend dazu sollte nicht unerwähnt bleiben, dass der Standort mit Blick auf den Güterverkehr so gewählt wurde, dass Zugfahrzeuge nicht absatteln müssen.
Nun liege es allerdings an den Logistikern, dieses Angebot auch anzunehmen. Es wäre schade, „so tolle Charger hier stehen zu haben und dann laden nicht genug“, äußerte Jessica Schneider. Friedrich Stuhrmann, COO bei der HPA, bezeichnete die Eröffnung des Standorts gar als „Pionierarbeit“, wo die „Business-Modelle noch nicht ganz greifen“. Ein unmittelbarer Bedarf werde von den Projektpartnern aber dennoch erwartet, heißt es auf Nachfrage. „Entsprechende Gespräche mit Speditions-, Transport- und Logistikunternehmen haben diesen Bedarf untermauert“, äußert Mer. Hilfreich dürfte dabei aber nicht sein, dass die Ladesäulen derzeit gar nicht öffentlich zugänglich sind.
Ganz ohne Förderung, wie bereits erwähnt, ging die Rechnung also nicht auf: So wurde das Projekt vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr im Rahmen der Richtlinie über die Förderung von leichten und schweren Nutzfahrzeugen mit alternativen, klimaschonenden Antrieben und dazugehöriger Ladeinfrastruktur (KsNI) mit rund 262.000 Euro gefördert. Wie viel insgesamt in den Standort investiert wurde, darüber gibt es keine Auskunft.
Unabhängig von einer Förderung wurde hingegen mehrfach die Bedeutung des Schnellladestandorts sowie einer generellen Ladeinfrastruktur für die Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs am Hamburger Hafen betont. Im Rahmen des Projektes besteht auch eine Partnerschaft mit der Helmut-Schmidt-Universität. Auf Basis der im Projekt gesammelten Daten sollen Annahmen für das Hamburg der Zukunft getroffen werden.
„Der Hamburger Hafen als Deutschlands größter Umschlagort für Waren, mit seinen immensen Herausforderungen an Transport und Logistik ist ein idealer Ort, um zu zeigen, wie auch die Elektrifizierung der Frachtlogistik funktionieren kann. Wir bei Mer freuen uns darüber, die Hamburg Port Authority dabei zu unterstützen, ihre Umweltschutzziele so schnell und effizient wie möglich zu erreichen“, so Jessica Schneider. „Eine wesentliche Voraussetzung ist eine leistungsfähige Ladeinfrastruktur für Lkw. Mit Iveco und Mer haben wir zwei führende Experten auf ihrem Gebiet ins Boot geholt, die uns bei der Umsetzung durch ihre Expertise und zukunftsweisenden Technologien unterstützen“, ergänzte Friedrich Stuhrmann. Iris Scheel, Geschäftsführerin bei Cruise Gate Hamburg sagte: „Wir freuen uns sehr, dass diese zukunftsweisende Kooperation nun auf unserem Gelände realisiert wird und wir damit nicht nur die Elektrifizierung des Hamburger Hafens an sich unterstützen können, sondern insbesondere unseren Dienstleistern aus der Kreuzfahrtlogistik ein attraktives Angebot zur Dekarbonisierung machen zu können.“
mer.eco (PDF)
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