Aus für StreetScooter-Produktion in Düren
Anfang dieses Jahres kaufte StreetScooter-Erfinder Günther Schuh mit seinem Unternehmen e.Volution die Rechte an dem E-Transporter zurück. Und ging mit Neapco, dem Auftragsfertiger der elektrischen Zustellerfahrzeuge, eine strategische Partnerschaft ein. Die Produktion der E-Transporter in Düren lief daraufhin wieder an, kam aber im Sommer schon wieder ins Stottern – nun ist klar: Der Standort in Düren ist nicht zu halten. Der StreetScooter soll stattdessen ab 2025 in Thailand gebaut werden. Das bestätigte e.Volution gegenüber verschiedenen Medien, darunter dem WDR und der Aachener Zeitung.
Von der Verlagerung der Produktion ins Ausland sind rund 200 Arbeitsplätze betroffen. Grund für die Entscheidung sollen gescheiterte Verhandlungen mit einem potentiellen deutschen Auftraggeber sein. In Thailand dagegen gebe es einen Investor, günstige Produktionsbedingungen und damit laut Schuh die Chance, das in Aachen entwickelte Elektrofahrzeug international zu vermarkten.
Der Neapco-Betriebsrat sieht durch das Aus für den StreetScooter mittelfristig das gesamte Werk mit seinen über 500 Beschäftigten gefährdet. Die Produktion des StreetScooter kam laut der „Aachener Zeitung“ dort schon am 8. Juli 2024 zum Erliegen, seitdem herrscht Kurzarbeit. Die Wiederaufnahme der Fertigung würde weitere Millionen Euro Kapital erfordern, die Schuh laut der Zeitung als
Mehrheitsgesellschafter der e.Volution GmbH nicht mehr allein einbringen will. „Wir müssen das Abenteuer, den Versuch Streetscooter in Deutschland zu halten, abbrechen“, wird Schuh in dem Bericht zitiert. Die Entscheidung sei gefallen, offen bleibe noch, ob die e.Volution GmbH dadurch zwangsläufig in die Insolvenz rutscht.
In Thailand soll Schuh derweil in Kooperation mit einer thailändischen Unternehmerfamilie ein 50:50-Joint-Venture in der Nähe von Bangkok planen. Durch die Verlagerung der Fertigung sollen die Produktionskosten fast um die Hälfte sinken. Gegenüber der „Aachener Zeitung“ führt Schuh aus, dass man tief in die Tasche greifen musste, um das Projekt StreetScooter nach der Übernahme aus der Insolvenz aus seinem hoffnungslosen Zustand zu holen. „Ich habe viele Millionen – auch privates eigenes Geld – investiert und für die Zukunft der Produktion dieses einzigartigen, maximal nachhaltigen Zustellerfahrzeugs zusammen mit vielen Zulieferern in der Region gekämpft. Ich wollte zeigen, dass wir in NRW immer noch Vorreiter für Nachhaltigkeit und neue Mobilität sind. Ich kann den Kampf hier aber nicht mehr gewinnen, weil er hier nicht finanzierbar ist.“
Die Geschichte des StreetScooter kennt in der eMobility-Branche fast jeder. Die Post DHL begann aus Mangel an passenden Angeboten, auf Basis von Schuhs Erfindung selbst E-Lieferwagen zu produzieren. Zwischen 2014 und 2021 betrieb der Konzern eine entsprechende eigene Sparte, suchte aber nach einer Weile den Ausstieg, da die Fertigung zuletzt nicht mehr profitabel zu betreiben war. Der Käufer: B-ON.
B-ON übernahm die Produktion des StreetScooter im Januar 2022. Wichtig: Das Unternehmen StreetScooter selbst kauften die Luxemburger nicht (dieses kümmert sich seit 2022 um die Betreuung der StreetScooter-Bestandsflotte bei der Deutsche Post/DHL-Gruppe), sondern lediglich dessen Fertigungs-Geschäft. Damals hieß B-ON noch Odin Automotive. Die Produktion der Fahrzeuge erfolgte weiterhin im StreetScooter-Werk in Düren mit einer Kapazität von 30.000 Fahrzeugen im Jahr. Der StreetScooter selbst wurde unter den verschiedenen Verantwortlichen erst in „Sherpa“ umbekannt, später dann zu „Max“ und „Giga“.
B-ON versuchte alsbald, zusätzlich zu der Fahrzeuglinie ergänzende Elektrifizierungs-Dienstleistungen einzuführen und vom „Erstausrüster zum umfassenden Anbieter von E-Fahrzeuglösungen“ zu werden, wie vergangenes Jahr auf der Homepage zu lesen war. Der Hauptsitz der Firma befindet sich in Luxemburg. Außerhalb Deutschlands verfügt die Muttergesellschaft über Niederlassungen in den USA, Großbritannien, Japan, China und Lateinamerika. Die Insolvenz betraf im vergangenen Jahr allein den deutschen (in Nob umgewidmeten) Ableger, nicht aber andere internationale Gesellschaften. So erklärt sich auch, warum B-ON nur einen Monat nach der Insolvenz der deutschen Gesellschaft in Japan einen neuen E-Transporter vorstellte.
Als Grund für die Insolvenz wurden im September 2023 Produktionsrückgänge genannt. Offiziell hieß es, dass Lieferengpässe und Qualitätsprobleme bei Bauteilen zu weniger Output damit in der Folge zu Zahlungsschwierigkeiten geführt hätten.
Günther Schuh machte publik, das Fahrzeug nach der Übernahme auf eine neue technische Basis stellen zu wollen. Hintergrund ist sein Bestreben, ein sogenanntes Circular-Economy-Elektrofahrzeug zu entwickeln, das dank modularer Upgrades 50 Jahre halten soll. Zu diesem Zweck hatte er auch das RWTH-Spinoff e.Volution gegründet. In einer früheren Mitteilung sprach Schuh von einer „überlegenen Nachhaltigkeit durch extreme Langlebigkeit der Basisfahrzeuge“. Man habe mit der RWTH Aachen einen „Upgrade Re-Assembly Prozess“ entwickelt, der durch ein besonders langlebiges Chassis und eine Digitale Fahrzeugakte eine regelmäßige kostengünstige Aufwertung bestehender Fahrzeuge ermöglicht.
Der Rückkauf von StreetScooter erfolgte vor dem Hintergrund, dass dieses Konzept „bei kleinen, stark strapazierten Nutzfahrzeugen besonders wirkungsvoll“ wäre. „Die Beanspruchung der StreetScooter im täglichen Betrieb ist höher als bei jedem anderen leichten Nutzfahrzeug. Hier kann unser Konzept seine Wirkung vorbildlich entfalten und den ökologischen Footprint über den Lebenszyklus wesentlich verbessern und gleichzeitig die Betriebskosten senken“, so Schuh anlässlich der Übernahme im Januar.
wdr.de, aachener-zeitung.de (Paywall)
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