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Bild: BYD
FahrberichtAutomobil

Erste Ausfahrt im Sealion 7: BYD macht so langsam ernst

Mit seinem siebten Europa-Modell hat BYD ein ansprechendes Paket zusammengestellt. Antrieb, Batterie, Ladeleistung und Preis versprechen auf dem Papier ein attraktives E-Auto. Kann der Sealion 7 aber auch bei der ersten Ausfahrt überzeugen?

Nicht weniger als sieben Modelle hat BYD gerade einmal zwei Jahre nach dem Start in Europa im Angebot – sechs vollelektrische und einen Plug-in-Hybrid. Mit den ersten sechs Autos ist der Erfolg aber nicht wie erhofft eingetreten, BYD hat trotz der enorm guten Verkäufe in China seine hohen Erwartungen in Europa nicht erfüllt. Das lag sicher zum Teil an den Vertriebspartnern, wo es bereits grundlegende Änderungen gab.

Aber auch die BYD-Modelle selbst konnten bei den europäischen Kunden nicht punkten. Rund 70.000 Euro für einen Han oder Tang ausgeben, für eine Marke ohne Heritage und Vertrauensbasis? Machen nur wenige. Und auch die günstigeren E-Autos waren nicht so billig, dass sie als Alternative überzeugt hätten. Egal ob Premium oder Volumenmodell: Beim Schnellladen konnte bisher kein BYD so recht überzeugen – während Tesla beim Model Y mit einer Blade-Batterie von BYD ansehnliche Ladezeiten von 20 Minuten realisiert.

Das soll jetzt anders werden, denn BYD hat angeblich auf die Kunden gehört: „Viele haben sich ein leistungsstarkes SUV gewünscht, das aber umweltfreundlich ist“, erklärt Ralph Kaiser, Kommunikationschef von BYD Europe, bei einer Veranstaltung in Offenbach. Zugleich soll der BYD Sealion 7 attraktiv aussehen und auch einen hohen Fahrkomfort bieten, so die Ankündigung. Den schnöden Massenmarkt will zumindest die Marketing-Abteilung nicht direkt ansprechen, sondern Kunden erreichen, „die nach etwas Außergewöhnlichem suchen“. Und der Sealion 7 solle die Anforderungen nicht nur erfüllen, sondern übertreffen.

BYD mit markigen Sprüchen

Aber kann das Auto mit solch markigen Ansagen auch mithalten? Die Antwort nach der ersten, aber zugegeben recht kurzen Ausfahrt ist ein klares Jein. Die Strecke von Offenbach in den Taunus und zurück war leider zu kurz, um belastbare Aussagen zu Verbrauch und Reichweite treffen zu können. Das deutlich verbesserte Schnellladen konnten wir folglich auch noch nicht ausprobieren. Und an einigen Punkten sollte BYD vielleicht nochmals Hand anlegen – in anderen Bereichen überzeugt der Sealion 7 aber schon.

Bevor es an die Fahreindrücke geht, noch kurz die wichtigsten Infos als Grundlage: Der Sealion 7 ist 4,83 Meter lang (also acht Zentimeter länger als ein Model Y), hat je nach Version eine 82,5 oder 91,3 kWh große LFP-Batterie und einen bis zu 390 kW starken Allradantrieb. Hinten kommt eine intern entwickelte 8-in-1-Antriebseinheit zum Einsatz, in die etwa auch der Onboard-Charger integriert ist. Bei den Allrad-Modellen wird vorne eine simplere 3-in-1-Einheit verbaut, hier handelt es sich um einen Induktionsmotor. Die Antriebseinheit an der Hinterachse ist eine permanenterregte Synchronmaschine, die bis zu 23.000 Umdrehungen schnell dreht. Das ist laut BYD der höchste Wert bei einem Serien-Elektroauto, der aber mit technischem Kalkül und nicht für den Rekord an sich gewählt wurde. Mit dem Hochdrehzahlkonzept will BYD einerseits den Kompromiss zwischen Dynamik und Endgeschwindigkeit so klein wie möglich halten, andererseits auf ein Zwei-Gang-Getriebe verzichten können.

Der Heckmotor ist bei allen drei Varianten identisch und leistet 230 kW. Das ist auch die Antriebsleistung des „Comfort“-Modells, das mit der 82,5-kWh-Batterie und dem Heckantrieb ausgeliefert wird – in diesem Fall mit 482 Kilometern WLTP-Reichweite. Beim „Design AWD“ wird diese Batterie mit einem zweiten Elektromotor an der Vorderachse kombiniert. Mit den insgesamt 390 kW sinkt zwar die Beschleunigungszeit von 6,7 auf 4,5 Sekunden (was übrigens auch auf dem Kofferraumdeckel unter dem Modell-Schriftzug festgehalten ist), die Reichweite sinkt aber ebenfalls – auf 456 Kilometer. Wird der 390-kW-Antrieb mit der 91,3-kWh-Batterie kombiniert, heißt das ganze „Excellence“ und erreicht 502 WLTP-Kilometer. Diese Top-Batterie kann auch mit bis zu 230 kW geladen werden, von zehn auf 80 Prozent soll es 24 Minuten dauern. Bei der kleineren Batterie sind es maximal 150 kW und 32 Minuten.

Für die ersten Testfahrten hat BYD (natürlich) das „Excellence“-Topmodell zur Verfügung gestellt. Im Sport-Modus beschleunigt das Auto wirklich flott – BYD will bei eigenen Messungen die zertifizierten 4,5 Sekunden sogar unterboten haben. Ob das wirklich der Fall ist, können wir nicht genau sagen. Klar ist aber, dass bei der Pedal-Kennlinie auf den enormen Elektro-Punch direkt beim Anfahren verzichtet wurde. Der Sealion 7 spricht also nicht so direkt auf das Fahrpedal an wie andere E-Autos, beschleunigt dann aber ähnlich stark. Was sehr angenehm ist: Das Ansprechverhalten ändert sich mit den Fahrmodi deutlich. Wer im Alltag also eine sanftere Gas-Annahme bevorzugt, kann das mit einem kleinen Wipp-Schalter in der Mittelkonsole ändern.

Die Fahrmodi werden rechts von dem zentralen Fahrstufen-Wählhebelchen eingestellt, sind also nicht ganz optimal zu erreichen. Links vom Wählhebel gibt es einen weiteren Wippschalter, mit dem zwischen den beiden Rekuperationsstufen gewählt werden kann. Auch diese unterscheiden sich in der Abstimmung deutlich, persönlich hätte ich mir aber weitere Stufen gewünscht – vom kompletten Segeln bis zum One-Pedal-Drive. Das würde ich aber eher unter persönlichem Wunsch als echter Kritik abheften.

Denn insgesamt kann der Sealion 7 beim Fahren auf den ersten Kilometern überzeugen. Antrieb und Rekuperation machen ihre Sache gut, auch das Fahrwerk ist sauber abgestimmt. Auf der Autobahn rollt der Sealion 7 recht entspannt dahin, im Innenraum ist es dank der diversen Dämm-Maßnahmen (BYD hat 45 davon erwähnt) bei Tempo 120 angenehm leise. Und auf den Feldberg hinauf ist der BYD nicht durch die Kurven gewankt. Die Lenkung ist zwar (typisch für viele asiatischen Autos) eher mit geringem Widerstand ausgelegt, bleibt in Kurven aber präzise genug. Einen Sportwagen hätten wir bei einem dann doch 2,4 Tonnen schweren SUV auch nicht erwartet – der Hecktriebler ist mit 2,2 Tonnen etwas, aber nicht grundlegend leichter.

In den Verbrauch, den der Bordcomputer auf der rund 85 Kilometer langen Ausfahrt angezeigt hat, würden wir noch nicht zu viel hineininterpretieren. Je nach Fahrsituation waren es zwischen 19 und 25 kWh/100km. Das würde grob überschlagen zwischen 365 und 480 Kilometer Reichweite bedeuten. Allerdings haben wir für die 85 Kilometer bei der angezeigten Reichweite 116 Kilometer verloren (von 465 bei 91 Prozent auf 345 bei 68 Prozent). Da wir bei so kurzen Testfahrten von der Beschleunigung über die Kurvenlagen bis zum Rekuperations-Verhalten viele Dinge ausprobieren, ist der Verbrauch an sich noch nicht wirklich aussagekräftig, eher eine grobe Einordnung: Und die ist, dass der Sealion 7 weder super sparsam noch extrem Strom-hungrig zu sein scheint.

Wo BYD gerne noch etwas nachlegen kann, ist die Software rund um das Thema Laden. Zum einen sind die Filter bei der Ladesäulen-Suche im Navi derzeit rudimentär, man kann lediglich bei der Ladegeschwindigkeit zwischen „Beliebig“ und „>=50 kW“ wählen – Filter „150 kW oder mehr“ wären wünschenswert, um die Fähigkeiten des Autos auch ausnutzen zu können. Der zweite Filter betrifft die Lade-Anschlüsse, hier kann aus sechs Standards gefiltert werden – darunter aber auch jene, die das Auto mit seiner CCS2-Schnittstelle gar nicht nutzen kann. Type-1, CCS1 oder GB/T spielen in Europa schlichtweg keine Rolle. Nach Betreibern oder Ladekarten kann man derweil gar nicht filtern.

Software noch verbesserungswürdig

Etwas mehr Sorgfalt bei der Programmierung könnte auch die Ladeplanung vertragen. Zwar kann der Sealion 7 mit nur einem Klick der Route Ladestationen hinzufügen – für die simulierte Route vom Feldberg nach Berlin hat das dort zu grob 85 Prozent geladene Fahrzeug nur einen Ladestopp veranschlagt. Der vorgeschlagene Ladepark erscheint auch sinnvoll, es soll dort sechs CCS-Ladepunkte mit bis zu 400 kW geben. Weitere Infos, mit welchem Ladestand man dort ankommt, wie lange oder bis zu welchem Ladestand man laden muss, um das Ziel zu erreichen, erhält man aber nicht. Es wird auch nicht ersichtlich, mit welchen Ladediensten die vorgeschlagene Ladesäule genutzt werden kann – den Filter gibt es wie erwähnt nicht. Den Frust der unbedarften Kunden, die ohne viel Vorwissen mit ihrem neuen Elektroauto aufgebrochen sind, dann aber vor dem Schnelllader scheitern, könnte man hier mit einer besseren Software vermeiden.

In vielen Berichten zum Sealion 7 werden Sie vermutlich lesen, dass der Blinker wie eine Warnmeldung klingt. Tatsächlich piepst das Auto beim Blinken in etwa so, wie man es in anderen Modellen vom Anschall-Warner kennt, nur etwas leiser. Ein echter Kritikpunkt ist das aber nicht: Im Menü lässt sich auch ein deutlich traditionelleres Klicken auswählen.

Über solche Software-Mankos hinaus hat der Sealion 7 auf den ersten Kilometern einen sehr ordentlichen Eindruck hinterlassen. Der Fahrkomfort ist gut, die Sitze sind vorne wie hinten bequem, trotz der dynamischen Dachlinie passen die Platzverhältnisse. Und auch der Kofferraum ist mit 520 Litern und einem zusätzlichen Sub-Trunk ausreichend groß, mit umgeklappten Rücksitzlehnen passen fast 1.800 Liter in den Sealion 7. Bei allen Varianten gibt es zudem einen 58 Liter großen Frunk unter der Fronthaube. Der Hecktriebler kann maximal 750 Kilo ziehen, bei den Allradversionen sind es bis zu 1.500 Kilogramm Anhängelast. Außerdem sind 75 Kilogramm Dachlast eingetragen.

Preise & Fazit

Was beim Sealion 7 deutlich wird: BYD hat verstanden, dass sie in Europa nicht beliebige Preise aufrufen können. Beim Basismodell sind es 47.990 Euro, den kleinen Allrad gibt es ab 53.990 Euro und für das „Excellence“-Topmodell ruft BYD 58.990 Euro auf. Im Gewerbe-Leasing (48 Monate, 10.000 km/Jahr) gibt es den Sealion 7 ab 455 Euro, das Topmodell kostet hier 499 Euro. Billig ist der Sealion 7 damit nicht, aber er ist eben auch nicht billig gemacht. Im Marktumfeld können sich diese Preise – gemessen an der Batteriegröße – sehen lassen.

BYD will nach wie vor nicht rein über den Preis punkten, sondern auch mit Qualität und Anmutung überzeugen. Das mit der guten Verarbeitung ist dem ersten Eindruck nach auch gelungen. Ob die Kunden das auch so sehen, wird sich aber erst im kommenden Jahr zeigen.

Comfort RWDDesign AWDExcellence AWD
AntriebRWDAWDAWD
Leistung230 kW390 kW390 kW
Drehmoment380 Nm690 Nm690 Nm
Beschleunigung6,7 s4,5 s4,5 s
Höchstgeschwindigkeit215 km/h215 km/h215 km/h
WLTPReichweite482 km456 km502 km
Batteriekapazität82,5 kWh82,5 kWh91,3 kWh
Ladeleistung DC150 kW150 kW230 kW
Ladezeit DC 10-80%32 min32 min24 min
Preis47.990 Euro53.990 Euro58.990 Euro

6 Kommentare

zu „Erste Ausfahrt im Sealion 7: BYD macht so langsam ernst“
Sepp Mayr
17.11.2024 um 18:12
Von BYD wird ein Volkswagen in der Golfliga mit guter Ausstattung unter 25.000€ erwartet (wie damals Toyota) , solche Fahrzeuge wie das vorgestellte gibt es schon reichlich
Thomas Müh
17.11.2024 um 21:10
20000€ weniger und die verkaufen sich gut.
Karl-Heinz Oehling
17.11.2024 um 21:43
Verstanden hat BYD die Kunden aber noch nicht wirklich, denn die relativ niedrigen WLTP-Reichweiten lassen einen sehr hohen elektrischen Verbrauch vermuten, wie ersten YouTube-Tests gezeigt haben. Dort wurden bei normalen Autobahngeschwindigkeiten über 30kWh/100km erreicht. Was nützt da ein großer Akku?
Simon
18.11.2024 um 10:31
Sieht so aus, als sei das Fahrzeug auf Augenhöhe mit den etablierten Modellen, die aber auch schon seit einigen Jahren auf dem Markt sind. Beim Autokauf kommt es aber auf mehr als die reinen Werte aus dem Datenblatt an. Langzeitqualität, Service, Wiederverkaufswert sind die offensichtlich relevanten Punkte, wobei die bei Elektrofahrzeugen ja auch bei etablierten Herstellern kritisch sind. Im Fall einer neuen Marke hat man aber auch noch das "Fisker Risiko", welches das ganze Fahrzeug potenziell komplett wertlos machen kann. Insofern reicht es nicht ähnlich gut zu sein wie die etablierten Hersteller.
C. Brinker
19.11.2024 um 14:46
Das Fahrzeug ist recht gefällig. Aber die Reichweiten bei DEN Akkugrößen außerhalb der Konkurrenz, die Ladedauer für den „kleinen“ Akku unbefriedigend für die Preisklasse, schade
Philipp
19.11.2024 um 17:36
nur gerade so eben 500km WLTP aus über 90kWh sind nicht Stand der Technik.

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