Intouro unter Strom: Mercedes-Benz enthüllt ersten E-Überlandbus
Daimler Buses strebt aus der Stadt hinaus in die Peripherie und will nun auch den Überlandverkehr elektrifizieren. Garant für einen erfolgreichen Einstieg in dieses Segment soll der eIntouro werden, den der Hersteller jetzt auf seinen mehrtägigen „Daimler Buses eMobility Days 2.0“ vorgestellt hat. Bei dem eIntouro handelt es sich um einen Hochbodenbus, der auf dem dieselgetriebenen Intouro basiert. Was den Batterie-elektrischen Antrieb angeht, ist der neue strombetriebene Überlandbus aber weniger mit Mercedes‘ E-Stadtbus Citaro, sondern eng mit dem elektrischen Fernstrecken-Lkw Mercedes eActros 600 verwandt. Beide Fahrzeuge setzen beispielsweise auf dieselbe LFP-Batterie.
Aber der Reihe nach – vorneweg kurz zur Definition von Überlandbussen: Sowohl Stadt- als auch Überlandbusse sind M3-Fahrzeuge („M“ steht für Personentransport, „3“ für ein zulässige Gesamtmasse von mehr als 5 Tonnen), werden aber in Klasse I und II unterschieden. Der Klasse I sind Fahrzeuge mit Stehplätzen zugehörig, „die die Beförderung von Fahrgästen auf Strecken mit zahlreichen Haltestellen ermöglichen“ – also Stadtbusse. Die Klasse II umfasst dagegen Fahrzeuge, „die hauptsächlich zur Beförderung sitzender Fahrgäste gebaut und so ausgelegt sind, dass die Beförderung stehender Fahrgäste im Durchgang und/oder in einem Bereich möglich ist, der nicht größer ist als der Raum von zwei Sitzbänken“. Anders ausgedrückt: Die Innenraumkonzeption eines Überlandbusses ist für längere Fahrtaufenthalte im Sitzen ausgelegt. Während Klasse-I-Fahrzeuge der Clean Vehicles Directive unterliegen und in der EU ab 2035 nur noch emissionsfrei verkauft werden dürfen, unterliegen Klasse-II-Fahrzeuge den CO2-Normen für schwere Nutzfahrzeuge.
414 kWh Kapazität für bis zu 500 km Reichweite
Mit diesem Hintergrundwissen nun rein ins Datenblatt: Der Mercedes-Benz eIntouro beherbergt einen Elektro-Zentralantrieb mit 320 kW kontinuierlicher Leistung und bis zu zwei Batteriepakete mit zusammen 414 kWh Kapazität für bis zu 500 Kilometer Reichweite. Geladen werden kann der Überlandbus per CCS-Stecker mit bis zu 300 kW, sodass die Batterien in eineinhalb Stunden vollgeladen werden können. Bei nur einem verbauten Batteriepack dauert die vollständige Ladung 70 Minuten.
Die Akkus mit LFP-Chemie und je 207 kWh sind dabei ebenso wie etliche Hochvolt-Komponenten dieselben wie beim E-Lkw eActros 600 von Mutterkonzern Daimler Truck – nur, dass in dem Fernstrecken-Truck drei Packs mit 621 kWh verbaut sind – also einer mehr als die maximale Bestückung beim eIntouro. Der Einbau der identischen Batterien sei Bestandteil der Gleichteile-Strategie, die Daimler Buses mit Daimler Truck verfolgt, teilt Till Oberwöder, CEO von Daimler Buses, mit.
LFP-Chemie wie im E-Lkw eActros 600
Das erste Batteriepaket ist der Gewichtsverteilung wegen immer im Raum hinter der Vorderachse untergebracht. Die optionale zweite Batterie findet ihren Platz
im bisherigen Motorraum im Heck. Dabei liefern die Energiespeicher eine Betriebsspannung von 800 Volt. Für die LFP-Chemie hat sich Daimler Buses nach eigenen Angaben entschiden, da diese mit Blick auf die kalendarischer Alterung „eine sehr gute Performance aufweist“, was in einer Lebensdauer von bis zu 15 Jahren münden soll. Außerdem könne im Gegensatz zu anderen Batteriezelltechnologien bei der LFP-Technologie über 95 Prozent der installierten Kapazität genutzt werden, so der Stuttgarter Hersteller weiter. „Dies ermöglicht eine höhere Reichweite bei gleich viel verbauter Batteriekapazität.“ Bei der angegebenen Reichweite von 500 Kilometern ist jedoch zu beachten, dass diese laut den Verantwortlichen für „Batterien im Auslieferungszustand“ und bei moderatem Wetterszenario im typischen Überlandbus-Betrieb gilt. Sprich: Der Radius kann wie üblich abweichen.
Bei den Ladebuchsen können die Kunden vier verschiedene Positionen am eIntouro wählen: Vorn, hinten, sowie rechts und links hinter der Vorderachse, wobei pro Fahrzeug maximal zwei Ladebuchsen möglich sind.
Zwei Längen zur Auswahl
Zur Motorisierung kombiniert Daimler Buses bereits bekannte Komponenten: Als Elektromotor kommt der Zentralantrieb Cetrax von ZF zum Einsatz. Die Antriebskraft wird anschließend über ein in die Antriebseinheit integriertes vollautomatisches Drei-Gang-Getriebe an die inhouse gebaute Antriebsachse RO 440 weitergegeben. Auch hier hat Daimler Buses nach eigenen Angaben auf einen hohen Anteil von Gleichteilen geachtet – diesmal mit Blick auf den Diesel-Intouro.
Erhältlich sein wird der eIntouro in zwei Varianten: mit 12,2 oder 13,1 Metern Länge. Ob es wie bei dem konventionellen Intouro später auch eine K- und L-Variante (10,7 und 14,9 Meter) geben wird, verrät Daimler Buses noch nicht. Die beiden spruchreifen Versionen werden über 50 bis maximal 63 Sitzplätze verfügen und laut Daimler Buses ebenso viel Platz bieten wie ihre Diesel-Pendants. „Das Fahrzeug kann demzufolge einen dieselbetriebenen Überlandbus eins zu eins ersetzen“ betont Oberwörder.
Optionale Toilette im 13-Meter-Bus
Apropos: Äußerlich ist die künftige Elektroversion kaum vom Intouro zu unterscheiden. Innen ist der Stromer modular aufgebaut, um verschiedene Bestuhlungsvarianten und Ausstattungsniveaus zu unterstützen („vom streng kostenorientierten Überlandlinienbus bis zur komfortablen Ausführung“). Der Einstieg erfolgt vorne über eine einflüglige Tür und in der Mitte wahlweise über einen einfachen oder doppelbreiten Eingang. Die 13-Meter-Version lässt sich zudem mit einer Toilette vor dem hinteren Einstieg ausstatten. Auch ein Rollstuhllift auf der rechten Seite ist für beide Längenvarianten optional verfügbar.
Das Cockpit soll laut Daimler Buses in puncto Komfort und Verarbeitung auf „Reisebus-Niveau“ liegen. Die auf den vollelektrischen Antrieb ausgelegte Instrumentierung entspricht dabei den Anzeigen aus dem eCitaro. Bei den Fahrassistenten stellt der Hersteller ein umfassendes Paket in Aussicht, inklusive eines Frontguard Assist, Abbiegeassistenten oder eines optionalen Notbremssystems (Active Brake Assist 6, ABA 6). Und: Alternativ zur Rückfahrkamera können Unternehmen ab Werk auch ein 360°‐Kamerasystem wählen.
Erstmals fähig zu Over-the-Air-Updates
Besonders hervor hebt Daimler Buses eine neue Elektronikarchitektur, die dem eIntouro innewohnt und die erstmals Over-the-Air-Updates ermöglicht. Die
Steuerung der Updates erfolgt dabei über ein digitales Tool namens „Omniplus On Portal“. „Ist ein Update verfügbar, erhält der Flottenmanager eine Nachricht und kann dann einzelne Fahrzeuge für das Update freigeben. Auch der gewünschte Zeitpunkt für die Installation ist im Portal wählbar“, führt der Hersteller aus. Während der Installation sei keine Internetverbindung erforderlich. Und: Die Update-Fähigkeit beschränke sich nicht nur auf notwendige Sicherheits-Updates, auch generelle Software-Updates, Nachrüst-Funktionen sowie veränderte Einstellungen, wie etwa für die Türsteuerung, lassen sich auf diese Weise einspielen, heißt es.
„Werkstattaufenthalte können so reduziert und die Fahrzeugverfügbarkeit verbessert werden“, äußert der Hersteller. Nach dem Debüt im eIntouro solle die Technologie in allen zukünftigen Bus-Modellen des Unternehmens zum Einsatz kommen. Und: „Stand heute wird Daimler Buses diese Technologie als erster Bus-Hersteller in Europa anbieten können“, betonen die Stuttgarter.
Bestellbücher öffnen im ersten Quartal 2025
Kunden können den neuen E-Überlandbus aus dem Daimler-Portfolio Anfang 2025 bestellen, die Weltpremiere des Serienfahrzeugs kündigt das Unternehmen für die Busworld im Oktober 2025 in Brüssel an. Erste Kundenauslieferungen sind anschließend ab 2026 geplant. CEO Till Oberwörder betont, dass sich das Fahrzeug mit seinem spezifischen Antrieb im Vergleich zu Elektro-Stadtbussen sehr gut für längere Strecken und höhere Durchschnittsgeschwindigkeiten – beispielsweise auf Landstraßen – eigne.
Allerdings hängt die Einsatzfähigkeit des E-Überlandbusses laut Oberwörder nicht allein von der Bustechnologie, sondern auch von externen Lademöglichkeiten ab: „Unsere Kunden werden den eIntouro zu weiten Teilen, wie den eCitaro, abends im Depot laden. Sie können den eIntouro aber auch für Ausflüge und kleinere Reisen einsetzen – Voraussetzung ist jedoch, dass Ladepunkte bei Raststätten, Sehenswürdigkeiten, Sportplätzen oder Freizeitparks in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen. Der Bedarf an Infrastruktur wird noch größer werden, der Aufbau muss schneller gehen. Das ist unser Appell an die Politik und alle Beteiligten.“
0 Kommentare