exicom managing director anant nahata interview 2024
Bild: Exicom
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Wie geht es bei Tritium weiter? Acht Fragen an Anant Nahata von Exicom

Der insolvente Schnellladesäulen-Hersteller Tritium wurde im Sommer von Exicom aus Indien übernommen – in Indien ist Exicom einer der größten Hersteller von Ladegeräten, in Europa und Nordamerika aber recht unbekannt. Wir haben mit Anant Nahata, Managing Director von Exicom, über die Zukunft von Tritium und die Perspektiven des Unternehmens gesprochen.

Exicom hat Anfang August die Übernahme von Tritium angekündigt. Was ist seither geschehen? Wie ist der aktuelle Stand?

Wir haben die Transaktionen für Tritium in Australien und den USA am 9. September 2024 erfolgreich abgeschlossen, die EU-Transaktion folgte kurz darauf. Seit der Übernahme besteht unsere oberste Priorität darin, mit Kunden, Mitarbeitern und anderen Interessengruppen wieder ins Gespräch zu kommen und das Vertrauen wiederherzustellen. Tritium war ein Innovator im Bereich der DC-Schnellladetechnologie und wir arbeiten daran, Tritium wieder als globale Marke zu etablieren. Nach der Übernahme bestand unsere unmittelbare Priorität darin, den Garantiesupport für unsere weltweiten Kunden fortzusetzen, Ressourcen für die Entwicklung neuer Produkte bereitzustellen und neue Führungskräfte einzustellen. An all diesen drei Fronten haben wir gute Fortschritte gemacht. Während unserer Teilnahme an der ICNC 24 in Berlin, wo wir die Gelegenheit hatten, viele Branchenakteure und Kunden zu treffen, waren wir von ihrer Erleichterung und ihrem Enthusiasmus für die Fortführung der Geschäftstätigkeit von Tritium begeistert. Diese Veranstaltung war der Auftakt zu produktiven Gesprächen über aktuelle und zukünftige Möglichkeiten mit bestehenden und potenziellen neuen Kunden.

Ich selbst und und unser CFO Shiraz Khanna haben interimistisch die Leitung von Tritium übernommen, während wir eine neue permanente Führung einsetzen.

Darüber hinaus sind unsere Auftragsbücher wieder geöffnet, unter anderem für das PKM Flex, unser neues Flaggschiff unter den modularen und skalierbaren Ladegeräten, das mit branchenführenden Merkmalen wie den Netzanschluss per Abo, flüssigkeitsgekühlten Kabeln und 800 Ampere Stromabgabe aufwartet. Während die offizielle Markteinführung für Mitte 2025 geplant ist, haben wir uns bereits einen frühen Hardware-Verkauf gesichert, der im September beginnt.

Wie geht es mit den bestehenden Tritium-Kunden und -Nutzern weiter? Es gibt mehrere bekannte Betreiber von Tritium-Ladestationen, darunter Shell, BP und Ionity.

Zunächst möchten wir uns bei unseren Kunden und Nutzern für ihr anhaltendes Vertrauen bedanken. Wir werden auch in Zukunft die gleichen branchenführenden, innovativen Produktlösungen anbieten, die sie von uns erwarten, und dabei noch mehr Wert auf einen hervorragenden Service legen. Unser unmittelbares Ziel ist es, unsere Unterstützung bei der Bereitstellung erstklassiger Garantieleistungen für alle Kunden weltweit nicht nur fortzusetzen, sondern zu verstärken, auch wenn wir rechtlich nicht dazu verpflichtet sind. Neben der Neuverteilung des globalen Servicebestands, der Investition in die Beschaffung neuer Teile und der Einstellung wichtiger Ressourcen sind wir auch dabei, ein globales Supportzentrum in Großbritannien einzurichten. Darüber hinaus haben wir unsere technische Abteilung verstärkt, um auch weiterhin technische Unterstützung für Produktverbesserungen zu bieten.

Tritium hatte sein Werk in Brisbane bereits vor der Insolvenz geschlossen, Exicom hat aber das Entwicklungszentrum in Brisbane und das Werk in Tennessee übernommen. Allerdings war Tritium in dieser Konstellation nicht rentabel. Wie soll sich das jetzt ändern?

Tritium 1.0 sah sich mit mehreren Herausforderungen konfrontiert – einige waren interner Natur und gingen auf Entscheidungen des Managements zurück, während andere extern waren und von den Marktbedingungen und spezifischen Ereignissen beeinflusst wurden. Da die Einführung von Elektrofahrzeugen noch in den Kinderschuhen steckt, sind wir uns bewusst, dass die Branche komplexe Zeiten durchlebt. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass die Nachfrage nach Ladegeräten stark ist, dass die zugrunde liegende Wirtschaftlichkeit positiv ist und dass wir durch die Kombination von Exicoms Fachwissen in den Bereichen Lieferkette und Fertigung mit Tritiums außergewöhnlichen technischen Fähigkeiten in Verbindung mit der Einführung neuer Produkte näher an der Rentabilität sein werden, als es die frühere Tritum jemals gewesen ist.

Für Exicom bedeutet dies, dass Sie jetzt ein Werk in den USA haben. Welche Perspektiven ergeben sich daraus für Exicom?

Mit einem Werk in den USA sind wir nun in der Lage, sowohl den amerikanischen als auch den europäischen Markt zu bedienen. Damit ist Exicom in der Lage, seine Aktivitäten zu skalieren, schneller auf Kundenbedürfnisse zu reagieren und die Wachstumschancen in zwei der wichtigsten EV-Märkte der Welt zu nutzen.

Wird das Werk in Tennessee weiterhin die bekannten Tritium-Produkte oder auch von Exicom entwickelte Ladegeräte herstellen?

Das Werk in Tennessee wird sich weiterhin auf die Herstellung der aktuellen und neuen Produkte von Tritium konzentrieren, um Kontinuität und Qualität zu gewährleisten.

Exicom entwickelt selbst Produkte für die Ladeinfrastruktur. Ist ein zweites Entwicklungszentrum in Australien überhaupt notwendig?

Der Erfolg von Tritium beruht seit jeher auf dem eigenen geistigen Eigentum – sowohl Hardware als auch Software. Wir glauben, dass das Entwicklungszentrum in Australien auch in Zukunft eine entscheidende Rolle bei der Förderung von Innovationen und der Sicherung des langfristigen Erfolgs des Unternehmens spielen wird. Während sich die Entwicklung von Tritium hauptsächlich auf dezentrale Ladetechnologie konzentriert, ist Exicom vor allem auf All-in-One-DC-Schnellladegeräte spezialisiert, und wir sehen die Produkte und Märkte, die wir bedienen, als komplementär an. Wir freuen uns auf jeden Fall darauf, Synergien in der Entwicklung auszuloten, um nicht nur die weltweit beste Ladetechnologie zu entwickeln, sondern auch die Zeit bis zur Markteinführung neuer Produkte für Kunden zu verkürzen.

Exicom ist bisher außerhalb Asiens noch nicht sehr in Erscheinung getreten. Worin besteht der Unterschied zwischen den Märkten in Indien, Asien und dem Rest der Welt? Was sind die Herausforderungen in Bezug auf die Ladeinfrastruktur?

Es gibt einen deutlichen Unterschied im Reifegrad des Ökosystems zwischen Indien und Regionen wie den USA und der EU. Dazu gehören die unterschiedlichen Kaufkriterien der Kunden, das Verhalten der Endverbraucher, der Grad der Verbreitung von Elektrofahrzeugen und die lokalen Vorschriften. In westlichen Märkten haben Zuverlässigkeit und Betriebskosten oft oberste Priorität, während in Asien die Investitionskosten eine größere Rolle spielen. Außerdem liegt in Indien der Großteil des Volumens bei 120-kW-Ladegeräten, während wir in Europa und den USA eine sehr schnelle Entwicklung hin zu 400-kW-Ladegeräten beobachten. Wir sind bestrebt, unsere Kunden über die Qualitätsstandards aufzuklären und haben vor kurzem in Indien eine Ferndiagnose eingeführt, um die Zuverlässigkeit zu erhöhen und eine gleichbleibende Leistung unserer Produkte zu gewährleisten.

Was sind Ihre Pläne für das Ladegeschäft von Exicom? Wird die Marke in Zukunft auch in Europa oder Nordamerika aktiv sein?

Unser kurzfristiger Fokus liegt auf der Expansion in Europa und Nordamerika durch die etablierte Präsenz und Expertise von Tritium. In Zukunft will Exicom ergänzende Produktangebote einführen, um die Beziehungen zu bestehenden Kunden zu stärken und eine robuste, vielseitige Produktpalette zu schaffen, die den unterschiedlichen Marktanforderungen gerecht wird.

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