So will der Inster zu Hyundais erfolgreichstem E-Auto werden
Hyundai probt den „Zwergenaufstand“: Denn wenn der Autobauer zum Jahreswechsel für Preise ab knapp unter 24.000 Euro den Inster aus Korea kommen lässt, sinkt mit dem neuen Einstiegsmodell nicht nur bei Hyundai der Preis für den Umstieg um rund ein Drittel. Sondern der Inster rutscht auch noch unter europäische Konkurrenten wie den Citroen e-C3, die angekündigte Basisversion des Renault R5 oder den VW ID.2, wenn der es denn endlich mal auf die Straße schafft. Nur der Dacia Spring oder der Leapmotor T03 sind dann noch billiger, bieten aber auch deutlich weniger Auto.
Der Inster ist zwar mit 3,83 Metern vergleichsweise klein und obendrein mit 1,61 Metern ungewöhnlich schmal. Und während es bei 2,58 Metern Radstand genügend Platz für die Knie und bei 280 bis 351 Litern Laderaum auch für die Koffer gibt( 1.059 Liter bei umgeklappten Rücksitzen), kann eine gewisse emotionale Nähe zwischen den Insassen bei der kuscheligen Schulterfreiheit nicht schaden. Aber im Dschungel der Großstadt ist das Format von Vorteil und spätestens beim Parken kommt der Kleine gar vollends groß raus.
Dabei wirkt er mit markanten Plastikplanken um die Radhäuser, einem bulligen Auftritt und der Dachreling keineswegs fragil. Sondern er probt den robusten Auftritt eines Großstadtgeländewagens, den später eine noch weiter aufgebrezelte Cross-Version unterstreichen soll. Und damit sich trotzdem niemand fürchten muss, gibt es freundliche Kulleraugen vorn und hinten und ringsum abgerundete Ecken – ein bisschen so, als hätten Fiat 500 und Jeep Renegade zu lange einen Parkplatz geteilt, schmunzelt Chefdesigner Simon Loasby.
Mehr noch als der Auftritt überzeugt allerdings das Ambiente, das trotz vieler Übernahmeteile etwa aus dem Kona viel mehr Charme und Cleverness bietet. Ja, mit Blick auf die Kosten gibt es viel Kunststoff und einige Oberflächen haben die Geschmeidigkeit eines Hornhauthobels. Aber neben Standards wie der beiden großen Bildschirme hinter dem Lenkrad und daneben sowie erstaunlich vielen Optionen von den klimatisierten Sitzen bis zum beheizten Lenkrad gibt’s im Inster eben auch eine um immerhin 16 Zentimeter verschiebbare Rückbank in zwei Hälften, die beiden Vordersitze wachsen mit einem Polster dazwischen zum Kuscheln zusammen und wer sich noch näher kommen oder die Ladepause für ein Nickerchen nutzen will, kann alle Sitze zu einer großen Liegefläche umklappen.
Und dann haben sie zusätzlich zu allein einem halben Dutzend Ablagen im Cockpit auch noch ein paar Accessoires entwickelt, wie man sie allenfalls von der Simply-Clever-Truppe bei Skoda erwartet hätte: Es gibt ein Klemmbrett mit Magnetverschlüssen, die mal als Tisch für die Hinterbänkler montiert wird und mal als Ablage für den Laptop beim Laden dient. Und wo andere nur Zierstreifen haben, kann man beim Inster in den Türen Konsolen montieren, die wie Brieftaschen oder Pinwände funktionieren.
Neu ist das Auto freilich nicht. Sondern in Korea ist der Charmeur als Casper bereits seit zwei Jahren am Start und der einzige Winzling unter den Top Ten der dortigen Neuzulassungen – allerdings noch eine Nummer kleiner und bis dato nur als Benziner. Für die Transformation zum E-Auto haben sie Koreaner Radstand und Länge um jeweils rund 20 Zentimeter gestreckt und so im Boden Platz für die Batterie geschaffen.
Die hat in der Basisversion einen Energiegehalt von 42 kWh und reicht für 300 Normkilometer. Wer etwas mehr als 25.000 Euro ausgibt, bekommt dann schon 49 kWh und darf mit einer Reichweite von 370 Kilometern rechnen – bei der Premiere im Juni hatten die Koreaner noch eine vorläufige Reichweite von 355 Kilometern angegeben. Auch bei den Motoren macht Hyundai einen Unterschied und montiert je nach Akku Magnetläufer mit 71 kW für bestenfalls 140 oder mit 85 kW für maximal 150 km/h.
Während der Inster in der Stadt flott und frech wirkt und natürlich ungeheuer handlich, macht er auf den Schnellstraßen drumherum einen überraschend erwachsenen Eindruck und hält sich tapfer. Erst wenn’s wahlweise richtig schnell wird oder sehr kurvig, bringen der kurze Radstand und die schmale Spur den Fahrer zur Räson.
Entschleunigung ist auch an der Ladesäule angesagt. Denn wo man ihm die maximale Leistung von 11 kW an der Wallbox noch durchgehen lässt, kann man bei 85 kW am Gleichstrom kaum mehr vom Schnelladen sprechen. Aber irgendwo müssen wir ja aufs Geld schauen, entschuldigen sich die Entwickler. Und weil die Akkus so klein sind, können sie ja trotzdem mit bestenfalls 30 Minuten für die ersten 80 Prozent Ladestand werben.
Inster (kl. Akku) | Inster (gr. Akku) | |
---|---|---|
Leistung | 71 kW | 85 kW |
Höchstgeschwindigkeit | 140 km/h | 150 km/h |
Beschleunigung | 11,7 s | 10,6 s |
Batterie | 42 kWh | 49 kWh |
Reichweite* | ca. 300 km | 370 km |
Ladeleistung AC | 11 kW | 11 kW |
Ladezeit AC | 4 h | 4:35 h |
Ladeleistung DC | 73 kW | 85 kW |
Ladezeit DC 10-80% | ca. 30 min | ca. 30 min |
*vorläufiger Wert
Außerdem muss man ihnen zu Gute halten, dass sie ansonsten wenig Kompromisse machen und mehr Aufwand treiben als die meisten Konkurrenten. Und zwar selbst bei größeren Autos und erst recht bei einem umgerüsteten Verbrenner. Deshalb gibt es nicht nur eine Navigation mit Ladeplanung und eine Rekuperationsregelung mit Lenkradwippen fürs Segeln oder fürs One-Pedal-Fahren. Sondern für kürzere Ladezeiten lässt sich die Batterie auf Knopfdruck vorkonditionieren, die Wärmepumpe hebt die Effizienz bei der Klimatisierung und dank Vehicle-To-Load wird der Inster zur mobilen Powerbank für E-Bike & Co.
Zwar mag Hyundai am Inster vordergründig nicht viel verdienen, weil die Kosten hoch sind und der Preis trotzdem tief sein soll. Doch mit Blick auf die CO2-Strafen ab 2025 sind elektrische Zulassungen für die Koreaner wichtiger denn je und zahlen sich am Ende womöglich auch bei einer geringeren Rendite trotzdem aus. Nicht umsonst gehen sie in der Europa-Zentrale in Offenbach davon aus, dass der Inster bald ihr erfolgreichstes E-Modell sein wird. Und nur, weil sie jetzt kleine Brötchen backen, haben sich die großen Backwaren ja nicht vergessen. Sondern im nächsten Jahr bringen sie als Antwort auf den EV9 der Schwestermarke Kia ihr den Ioniq 9, der als elektrisches Luxus-SUV zum Flaggschiff der Marke aufsteigt – und so zur Kirsche auf der Torte wird.
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