Großbritannien könnte ZEV-Mandat für lokale Hersteller lockern

Die britische Regierung steht unter Druck. Einerseits will sie am Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor bis 2030 und an den Verkaufszielen für Elektroautos festhalten. Auf der anderen Seite sieht sie sich mit Kritik und Konsequenzen konfrontiert – und könnte nun einlenken.

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Bild: Stellantis/Vauxhall

Der britische Wirtschaftsminister Jonathan Reynolds bestätigte, dass die Regierung bei einem Treffen das „zero emission vehicle mandate“ (ZEV-Mandat) erörtern werde. Er versprach „Klarheit“ für die Industrie bis Ende des Jahres – und sogar „Flexibilität innerhalb des ZEV-Mandats“. Zu den Flexibilitäten könnte die Übertragung von Gutschriften zwischen emissionsfreien Autos und Transportern gehören. Eine weitere Option ist die Anrechnung von in Großbritannien hergestellten E-Fahrzeugen, die ins Ausland exportiert und dort verkauft werden. Darüber hinaus fordern Lobbyisten weiterhin ein Anreizsystem, um die Einführung von E-Fahrzeugen zu fördern.

Die Regierung bestätigte jedoch auch, dass eine Neuverhandlung des Verbrenner-Ausstiegs für 2030 nicht in Frage kommt. „Nein, die Regierung hält an dem Ausstiegsdatum 2030 fest, was der Industrie Sicherheit gibt, aber wir erkennen die Herausforderung, vor der die Industrie steht“, sagte ein Sprecher des britischen Premierministers Keir Starmer am Dienstag.

Das ZEV-Mandat sieht vor, dass mindestens 22 Prozent der verkauften Autos lokal emissionsfrei sein müssen – also mit Batterie-elektrischem Antrieb oder Brennstoffzelle. Für Kleintransporter gilt ein Ziel von zehn Prozent. Die Quote wird jedes Jahr steigen, bis zum festgelegten Ausstiegsdatum, nach dem keine neuen Autos und Transporter mit Verbrennungsmotor mehr in Großbritannien verkauft werden dürfen.

Hersteller, die das Ziel nicht erreichen, müssen entweder eine Geldstrafe zahlen oder „ZEV-Zertifikate“ von Autoherstellern kaufen, die ihr Ziel übererfüllen. Die Kosten pro ZEV-Zertifikat für Pkw betragen 15.000 Pfund. Für Kleintransporter wurde das Bußgeld auf 9.000 Pfund im Jahr 2024 gesenkt, wird aber in den verbleibenden Jahren, in denen die Verordnung in Kraft ist, auf 18.000 Pfund steigen.

Regierungsvertreter trafen sich kürzlich mit Autoherstellern, die im Vereinigten Königreich Autos produzieren –  und sahen sich bei diesem Treffen einer neuen Welle der Kritik gegenüber. Die OEMs versuchten klarzustellen, dass die ZEV-Strafen zu Verlusten und zum Abbau von Arbeitsplätzen führen könnten, da der Absatz von Elektroautos nicht so hoch ist wie prognostiziert. Ford hat beispielsweise gerade angekündigt, 4.000 Arbeitsplätze in Europa zu streichen, um wettbewerbsfähig zu bleiben – die meisten davon in Deutschland, aber auch in Großbritannien sind Arbeitsplätze gefährdet.

Und nun erhöht ein weiterer Autohersteller den Druck. Mit Verweis auf das ZEV-Mandat droht Stellantis mit der Schließung seines Transporterwerks in Luton bei London – was als möglicher Auslöser für die Meinungsänderung der britischen Regierung gilt. Das Unternehmen baut dort Verbrenner-Transporter und wird, wie berichtet, ab Anfang nächsten Jahres auch deren elektrischen Ableger in Luton herstellen. Sollte Stellantis das Werk in Luton schließen, würde es 50 Millionen Pfund in das Werk Ellesmere Port in der Nähe von Liverpool investieren, um die für Luton geplante Produktion von mittelgroßen elektrischen Transportern dorthin zu verlagern. Bei der Schließung des Werks in Luton wären – trotz der angekündigten Hilfen von Stellantis – rund 1.100 Arbeitsplätze gefährdet.

Es bleibt abzuwarten, wann die Konsultationen der Regierung stattfinden und welche „Flexibilitäten“ tatsächlich beschlossen oder vorgelegt werden. Sicher ist, dass das Vereinigte Königreich nicht das einzige Land ist, das die CO2-Flottengrenzwerte anpassen will. Erst vor wenigen Tagen kündigten Bundeskanzler Olaf Scholz und sein Vize sowie Wirtschaftsminister Robert Habeck an, dass sie mögliche Geldstrafen für Autohersteller aussetzen wollen, die das CO2-Ziel im Jahr 2025 nicht erreichen – damit diese keine Arbeitsplätze abbauen müssen.

reuters.combbc.com (ZEV-Mandat), stellantis.com (Stellantis)

Dieser Artikel von Carla Westerheide ist zuerst bei unserer englischsprachigen Ausgabe electrive.com erschienen.

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