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Batteriewechsel auf der Langstrecke: Was kann Nios Power Swap?

Mit dem Batteriewechsel in wenigen Minuten will Nio eine Alternative zum Laden bieten – egal ob zum Schnellladen unterwegs oder zum AC-Laden zuhause, wenn man als Laternenparker keine Wallbox hat. Wir haben mit einem Nio EL6 über 2.000 Kilometer zurückgelegt und dabei viel über den Batteriewechsel gelernt.

Gerade einmal 338 Neuzulassungen konnte Nio 2024 (Stand Ende Oktober) in Deutschland verzeichnen. 2023 waren es in den ersten zehn Monaten immerhin 1.174 E-Autos des Herstellers, die das KBA erfasst hat. Nio ist aktuell in einer schwierigen Lage: Die Absatzzahlen in Deutschland entsprechen nicht den Erwartungen. Die Autos sind gut, das haben zum Beispiel unser Test der Mittelklasse-Limousine ET5 im Vorjahr oder der Fahrbericht zum großen E-SUV EL8 gezeigt – auch ohne den Battery Swap. Doch um das herausragende Merkmal der eigenen Fahrzeuge hervorzuheben – eben jenen Battery Swap – sind hohe Investitionen in die entsprechenden Tauschstationen nötig. Ohne eine ausreichende Anzahl an Fahrzeugen werden die sich aber kaum lohnen – es ist also eine ungewisse Investition in die Zukunft.

Oder ist es eben genau das, was vielen Autofahrern für den Wechsel zu Elektroantrieben gefehlt hat? 31 der sogenannten Power Swap Stations (PSS) hat Nio aktuell in Deutschland, weitere sind im Bau. Vergleichen mit der Zahl an Tankstellen oder Schnellladern ist das natürlich verschwindend gering, aber es ist ein Anfang. Doch kann dieses kleine Netz an Tauschstationen Ende 2024 überzeugen? Und wie groß fällt der Vorteil in der Praxis wirklich aus?

Wir haben mit einem EL6 mit der Long-Range-Batterie – also 100 kWh brutto – den Test gemacht. Auf etwas mehr als 2.000 Kilometern haben wir fünf Mal die Batterie getauscht und ab und zu auch geladen. Bevor wir einsteigen, kurz noch einige Infos zum Auto: Beim EL6 handelt es sich um ein 4,85 Meter langes SUV mit einem 360 kW starken Allradantrieb. Obwohl der EL6 nur zehn Zentimeter länger als ein Tesla Model Y ist, wirkt er deutlich größer – die hohe, bullige Front und die hohe Dachlinie mit dem steiler abfallenden Heck sorgen für einen anderen Auftritt. Der Innenraum ist hochwertig und Nio-typisch eher schlicht, das Fahrwerk ist auf einen hohen Komfort ausgelegt – ideale Voraussetzungen also für viele Autobahn-Kilometer.

Fahrt 1: Düsseldorf – Sindelfingen – Frankfurt – Düsseldorf

Die erste Fahrt führte an einem Dienstag Mitte November von Düsseldorf aus nach Sindelfingen – Mercedes hatte in das Werk zu einem Technik-Workshop rund um die kommende Plattform MMA eingeladen, das Ergebnis können Sie hier nachlesen. Von Sindelfingen aus ging es am selben Tag noch bis nach Frankfurt ins Hotel, da am nächsten Tag die ersten Testfahrten mit dem neuen BYD Sealion 7 anstanden – den Fahrbericht finden Sie hier. Nach dem BYD-Event sollte es dann zurück nach Düsseldorf gehen.

Am Tag vor der Abfahrt nach Sindelfingen hat Nio den Testwagen angeliefert – mit einem Ladestand von 53 Prozent. Um die Fahrt zu planen, sollte ein Blick in die Nio-App helfen. Der dort präsentierte Plan klingt einfach: Im nur 33 Kilometer entfernten Hilden an der dortigen Power Swap Station den noch fast halb vollen Akku tauschen und mit dem neuen Akku gerade so bis nach Sindelfingen kommen. Hier gibt es aber zwei Haken. Erstens scheint die App mit der WLTP-Reichweite zu kalkulieren (von 529 Kilometern), die wir im Test aber nie erreicht haben. Und zweitens weiß die App nicht, dass ich um 10:30 in Sindelfingen sein muss. Sprich: Kurz nach meiner Abfahrt hat die PSS in Hilden noch geschlossen – alle Nio-Tauschstationen sind an sieben Tagen die Woche zwischen 7 und 22 Uhr geöffnet. Bei einer Abfahrt um 4:30 Uhr und Ankunft in Hilden um etwa fünf Uhr bliebe nur der Weg zu den dortigen Tesla- und Fastned-Schnellladern.

Die Planung, die der EL6 bei der Abfahrt am nächsten Morgen vorschlägt, klingt da schon sinnvoller: Um kurz nach 6 Uhr einen Ladestopp bei Fastned in Limburg, dann ein Batterietausch an der neuen Station im südhessischen Viernheim, die erst wenige Tage vor unserer Testfahrt eröffnet wurde. Gesagt, getan: Die ersten 170 Kilometer bis nach Limburg war die Autobahn frei, bei Fastned um diese Uhrzeit auch der gesamte Ladepark. Als ich nach 25 Minuten nach einem Besuch des dortigen Bäckers zurückkomme, hat der EL6 von sechs auf 55 Prozent geladen – mehr als genug für die 120 Kilometer bis zum Akku-Tausch auf dem Parkplatz des Rhein-Neckar-Centers.

Der Batterietausch an sich geht denkbar einfach: Der Wechsel wird über die Routenplanung des Fahrzeugs gebucht, ein Nio-Mitarbeiter bestätigt aus der Ferne kurz vor Ankunft die Buchung. Schon bei der Anfahrt erkennt die Station das Fahrzeug und öffnet die Rolltore. Nachdem das Auto auf der markierten Fläche vor der Station abgestellt ist, übergibt man mit einem Tippen auf den Touchscreen die Kontrolle, das Auto parkt autonom rückwärts in die Station ein. Über den zentralen Infotainment-Touchscreen wird der Swap zahlungspflichtig bestellt (mehr zu den Konditionen finden Sie hier) und der Tauschvorgang beginnt. Vom Abgeben der Kontrolle über das Fahrzeug bis zum (manuellen) Ausparken hat es exakt fünf Minuten gedauert. Ganz klar: So schnell bekommt man in absehbarer Zeit keinen Akku von in diesem Fall 25 auf 90 Prozent!

Aber: Die Power Swap Stations liegen meist nicht direkt an der Autobahn, sondern an Autohöfen oder Parkplätzen in Autobahn-Nähe, damit eine Station aus beiden Fahrtrichtungen erreicht werden kann – ideal ist natürlich die Lage an einem Autobahnkreuz, damit vier Fahrtrichtungen bedient werden können. Im Falle von Viernheim ist es das Viernheimer Kreuz der A6 und der A659. Mit der Anfahrt zum Parkplatz des Einkaufszentrums sind es aber einige Kilometer Umweg. Auch wenn der Akku-Tausch an sich nur fünf Minuten gedauert hat, habe ich von der Abfahrt von der A6 bis zur Auffahrt fast 20 Minuten benötigt – im Berufsverkehr um acht Uhr war noch ein kleiner Stau dabei. 20 Minuten sind für ein sehr schnell ladendes E-Auto und eine freie Ladesäule direkt an der Autobahn aber durchaus zu machen – wenn auch nicht auf 90 Prozent vermutlich.

Zwei Tauschvorgänge an einem Tag

Der so weit gefüllte Akku hat für mich einen großen Vorteil: Er erspart mir einen weiteren Sicherheits-Ladestopp für die Rückreise, der sonst eventuell bei der EnBW in Rutesheim fällig geworden wäre. Denn mit 90 Prozent schaffe ich es nach Sindelfingen und wieder nach Viernheim zurück, um auf dem Weg nach Frankfurt nochmals den Akku zu tauschen.

Auch das klappt einige Stunden später problemlos. Der zweite Halt an diesem Tag in Viernheim macht aber einen Nachteil deutlich: Während des Akku-Tauschs muss man im Auto bleiben und darf die Türen nicht öffnen. Also heißt es den fünfminütigen Tausch abwarten, um dann eine freie Parklücke auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums zu finden – es ist nach 19 Uhr und das Abendessen steht an. Die gesamte Pause in Viernheim dauert also fast 40 Minuten – in dieser Zeit hätte man anstatt des Power Swaps auch an den Ladepunkten von Tesla oder Allego laden können, die ebenfalls auf dem Parkplatz des Rhein-Neckar-Centers installiert sind. Ohne „Wartezeit“ während des Batterietauschs.

Ein kleines Zwischenfazit nach Tag 1: Die knapp 640 Kilometer an diesem Tag liefen ohne Probleme und größere Verzögerungen, die auf das Auto zurückzuführen wären. Eine Frühstückspause mit Kaffee hätte ich ohnehin gemacht, sie hätte für das Auto aber noch deutlich kürzer ausfallen können. Die Pause zum Abendessen hätte ich ebenfalls eingeplant, also auch hier gab es keinen Zeitverlust, der auf das Auto zurückzuführen war. Und der erste Akku-Tausch in Viernheim hat Zeit gespart, denn ein entsprechender Ladestopp dort (oder später in der Nähe von Sindelfingen) hätte bei der Ladeleistung des EL6 länger gedauert, selbst mit kürzerer An- und Abfahrt.

Am nächsten Morgen geht es vom Frankfurter Hotel zur Event-Location von BYD in Offenbach – an dieser Stelle erneut der Hinweis zum Fahrbericht des Sealion 7, der dort entstanden ist. Am Nachmittag steht dann die Rückfahrt nach Düsseldorf an. Der EL6 plant die Ankunft mit 14 Prozent – da ich aber zu Hause keine Wallbox habe, entscheide ich mich für einen Batteriewechsel in Hilden. Obwohl es sich dort um eine „ältere“ Station der zweiten Generation handelt (in Viernheim steht eine neue PSS 3.0), dauert der Tausch ebenfalls glatte fünf Minuten. Für einen kurzen Umweg steht der Nio also mit 82 anstatt mit 14 Prozent Ladestand vor der Tür. Das bedeutet: Über 900 Kilometer in zwei Tagen mit nur einem echten Ladestopp, dafür mit drei Batteriewechseln.

Fahrt 2: Düsseldorf – Stuttgart – Düsseldorf

Wenige Tage nach dem Sindelfingen-Frankfurt-Trip stand eine weitere Langstrecke an, dieses Mal in die Nähe von Stuttgart. Da ich dieses Mal den Akku vor Abfahrt an einer nahegelegenen Säule der Stadtwerke auf 100 Prozent laden konnte, ging es ohne Zwischenstopp bis nach Viernheim, wo bei Ankunft noch 22 Prozent oder 78 Kilometer Reichweite im Akku waren. Selbst an einem Freitagabend, wo es an Ladesäulen gerne mal zu Wartezeiten kommen kann (im vergangenen Winter hatte ich das mit dem Mercedes EQE SUV 350 4MATIC selbst erlebt), gab es beim Akku-Tausch keine Wartezeit. Auch die Temperatur ist anders als beim Schnellladen egal.

Nur halt die Lage der Power Swap Stations ist nicht egal. Ich hatte gleich in doppelter Hinsicht Glück. Und zwar einmal, dass Nio eben kurz vor unserem Test die PPS 3.0 in Viernheim in Betrieb genommen hat. Die einzige echte Alternative auf der Strecke vom Rheinland in den Großraum Stuttgart wäre davor die PSS in Waldlaubersheim gewesen – was aber einen Umweg über die A61 anstelle der A3 bedeutet hätte. Und zum anderen hatte ich auf den bis dato fast 1.100 Autobahn-Kilometer keinen nennenswerten Stau. Denn noch sind die Power Swap Stations in Deutschland so selten, dass man nicht sehr flexibel bei der Routenplanung ist. In der Gegend rund um Viernheim, Mannheim und Hockenheim gibt es öfters Stau. Die Alternative wäre die parallel verlaufende A5. Nur gibt es da keine Power Swap Station. Man spart sich also womöglich Zeit im Stau, steht dann aber über eine halbe Stunde an der Ladesäule…

Genau das sollte sich bei der Rückfahrt aus Stuttgart zeigen: Nach einem erneuten, problemlosen Akku-Tausch in Viernheim (der fünfte insgesamt) war die Situation ähnlich wie bei der Rückfahrt aus Frankfurt: Geplante Ankunft mit rund 15 Prozent, eventuell noch ein Akku-Tausch in Hilden, um mit genügend Reichweite für die nächsten Tage anzukommen. Doch nach einem größeren Stau samt Umfahrung war rein aus biologischen Gründen vorab eine Pause nötig – die natürlich zum Nachladen genutzt wurde, konkret bei Aral pulse in Bad Honnef. Der angedachte Akku-Tausch in Hilden war also überflüssig, auch wenn es bei der Ladekurve des EL6 etwas gedauert hat, den nötigen Strom nachzuladen. Schneller als ein erneuter Umweg am Kreuz Hilden zur dortigen PSS und zurück war es vermutlich dennoch.

Fahrt 3: Düsseldorf – Kamen – Düsseldorf

Eine weitere Fahrt mit dem EL6 hat mich von Düsseldorf aus in die Nähe von Kamen geführt. Die Strecke von insgesamt etwas über 200 Kilometern schafft der EL6 natürlich auch ohne Zwischenladen, wenn der Akku ausreichend gefüllt ist. Ist er aber bei Abfahrt nicht voll, wäre in diesem Fall ein Ladestopp nötig – oder ein deutlicher Umweg über die Power Swap Station in Dorsten. In den großen Ruhr-Metropolen ist Nio aber noch nicht vertreten.

Wie lückenhaft das PSS-Netz noch ist, zeigt auch ein kleiner Test, den wir in Düsseldorf mit voll geladenem Akku durchgeführt haben: Wie plant der EL6 wirklich lange Routen? Zur großen Überraschung plant er auf der Strecke Düsseldorf-Berlin einen 28-minütigen Ladestopp bei Aral Pulse in Braunschweig ein – obwohl nur wenige Kilometer weiter in Lehre eine Nio-Tauschstation ist. Die Ankunft in Braunschweig hat das Auto mit zehn Prozent kalkuliert, wählt man die PPS in Lehre manuell aus, werden drei Prozent Ladestand prognostiziert – schon sehr wenig Puffer für 340 Kilometer. So plant der Nio für 560 Kilometer bis Berlin 5:21 Stunden inklusive der Ladepause. Das ist nicht schlecht, aber mit anderen E-Autos ebenfalls problemlos möglich.

Für die 628 Kilometer von Düsseldorf nach München sieht das Auto zwei Ladestopps vor – insgesamt rund eine Stunde und 5:43 Stunden reine Fahrzeit. Das können andere E-Autos schon besser, eine Stunde Ladezeit ist viel. Als wir mit einem Porsche Macan in Metzingen nahe Stuttgart eine Route nach Berlin geplant hatten (wohlgemerkt mit nur halb vollem Akku zum Start) lag die Ladezeit auf 667 Kilometer bei unter 45 Minuten. Mit vollem Akku zum Start wären es vermutlich um die 30 gewesen. Und auch bei testweise kalkulierten Routen ins Ausland hat der Nio keine einzige Power Swap Station eingeplant, obwohl teilweise Stationen entlang der Route verfügbar waren – aber eben in solchen Abständen, dass sie keinen Zeitvorteil gebracht hätten. Auf 851 Kilometer nach Kopenhagen sollte 1:33 Stunden verteilt auf drei Stopps geladen werden, auf 1.476 Kilometer nach Barcelona hat der EL6 sechs Ladestopps mit insgesamt 3:29 Stunden Ladezeit eingeplant.

Fazit Power Swap Stations

Zieht man die kalkulierten Test-Routen zurate, ist der Mehrwert der Power Swap Stations überschaubar – zumindest in der aktuellen Ausbaustufe des Netzes. Die Praxis auf der Straße sieht natürlich anders aus, ungeplante (Lade-)Pausen können die Kalkulation so verschieben, dass das Auto eine nicht berücksichtigte Power Swap Station wieder einplant (zum Beispiel die knapp nicht erreichte Station in Lehre).

Andererseits haben die tatsächlich durchgeführten Swaps in Viernheim gezeigt, wie eine (für die eigenen Anforderungen) gut platzierte Station das ganze Bild ändern kann. Für meine Fahrten nach Sindelfingen und Stuttgart, sogar mit der Rückfahrt am selben Tag, lag Viernheim perfekt. Hätte ich den Test aber nur zwei Wochen früher durchgeführt, wäre das Fazit womöglich ein ganz anderes gewesen – wenn ich Umwegen über Waldlaubersheim hätte nehmen müssen. So hat der Batterie-Tausch auf den 2.000 Kilometern doch einiges an Zeit gespart, keine Frage – was aber auch am Ladeverhalten des EL6 liegt, wozu wir gleich beim Fazit zum Auto noch kommen.

Allerdings sehe ich nach diesen Erfahrungen den großen Vorteil des Power Swaps gar nicht mal unbedingt auf der Langstrecke. Nach drei Stunden Fahrt mache ich ohnehin eine kurze Pause, in der Zeit kann das Auto auch Laden – halt nur eher 20 als 40 Minuten. Erst den Power Swap abwarten und dann in die Pause, das ist auch kein echter Komfort- oder Zeitgewinn – währenddessen kann das Auto auch laden.

Wo der Power Swap aber Sinn ergibt, ist entlang der Pendelstrecken, etwa an Einfallstraßen in die Großstädte. Wenn man als Laternenparker wie ich ohne Umweg auf der Strecke zur Arbeit kurz in fünf Minuten den Akku tauschen kann, ist das ein enormer Zeitgewinn. Denn der ergibt sich, wenn ich zwar Strom brauche, aber keine lange Pause machen will – also im Alltag eben. Das bringt aber auch enorme Anforderungen an die Dichte des Netzes mit sich: Echte Umwege würde ich dafür nicht in Kauf nehmen, denn dann können auch gut platzierte Schnelllader (etwa an Supermarkt-Parkplätzen) ebenfalls ohne echten Zeitverlust meinen Energie-Bedarf decken.

Fazit Nio EL6

Ich bin die 2.000 Kilometer im EL6 sehr gern gefahren. Das Auto ist komfortabel, die Sitze sind sehr bequem und bieten serienmäßig auch eine Massagefunktion, die ihren Namen wirklich verdient. Was die langen Fahrten aber wirklich angenehm gemacht hat, ist Nios Herangehensweise an Software-Updates: Nio hört auf seine „Community“ und setzt Änderungen relativ schnell um. So hat die Software und das Gepiepse der Assistenzsysteme beim Test des ET5 im Vorjahr noch wirklich störend war, hat schon die Software bei der ersten Ausfahrt im EL8 diesen Sommer einen ganz anderen Eindruck hinterlassen. Man hat nicht mehr das Gefühl, vom Auto überwacht und gegängelt zu werden. Wenn der Nio jetzt noch piepst oder der Sprachassistent Nomi sich meldet, dann ist es in aller Regel auch berechtigt.

Ganz perfekt ist die Software aber noch nicht. So gab es in unserem Test ab und zu nicht ganz konsistente Angaben bei der Restreichweite. Eines von mehreren Beispiel: Bei 38 Prozent Ladestand schätzte das Auto noch 130 Kilometer Restreichweite im Fahrer-Display. Die Routenführung im Center-Display gab aber an, dass wir in 124 Kilometern mit zehn Prozent Ladestand ankommen werden – das passt nicht zusammen. Am Ende hatte die Routenführung Recht, einen E-Auto-Neuling verunsichert das aber vollkommen unnötig.

Zumal die Reichweite selbst mit der großen Batterie (100 kWh brutto, 90 kWh netto) nicht gerade die höchste ist. Je nach Reisegeschwindigkeit auf der Autobahn und Außentemperatur haben wir grob zwischen 22 und 27 kWh/100km verbraucht, bei etwas höheren Temperaturen oder auf der Landstraße waren auch knapp 20 kWh/100km drin – im Sommer könnten es auch noch weniger sein. Das hat in unserem Test eine Reichweite von etwa 330 bis 400 Kilometer ergeben – mit vollem Akku. Da es an den Power Swap Stations meist Akkus mit etwa 90 Prozent Ladestand gibt, fehlen also schon fast 40 Kilometer der möglichen Reichweite.

Während die Reichweite von den Temperaturen und der eigenen Fahrweise abhängt, ist die DC-Ladeleistung ein größerer Kritikpunkt. Für einen 100 kWh großen Akku sind etwa 130 kW in der Spitze nicht viel, zumal die Ladekurve noch nicht einmal komplett flach ist. Auf der Langstrecke sind Ladepausen von 28 Minuten für mich persönlich gerade noch akzeptabel, bei unseren kalkulierten Langstrecken hat das Auto teilweise aber auch Ladestopps von 42 Minuten eingeplant. Da wäre das neue Ladesystem aus dem EL8 mit bis zu 240 kW (nur an Ladesäulen mit über 500 Ampere) wünschenswert.

Der EL6 ist zwar kein kleines Auto (wenn auch mit dem ET5 zusammen eines der kleineren Modelle im Nio-Portfolio), bietet dafür aber auch ordentlich Platz vorne und hinten. Vier Erwachsene können sehr bequem im EL6 reisen und auch etwas Gepäck mitnehmen. Zwar reicht er bei den Platzverhältnissen im Innenraum nicht ganz an ein Model Y heran, kann sich aber durchaus mit den PPE-SUV Porsche Macan und Audi Q6 e-tron messen – oder dem im Artikel ebenfalls erwähnten EQE SUV.

Und das ist auch eher die Zielgruppe des Nio: Mit seinem hochwertigen Innenraum tritt er eher gegen die deutschen Premium-Marken an als Tesla im Volumen-Segment. Rein vom Produkt her muss der EL6 den Vergleich nicht scheuen. In der Premium-Welt wird aber auch das Markenerlebnis mitgekauft. Hier gibt sich Nio mit seinen Nio Houses zwar alle Mühe, an das Marken-Vertrauen der etablierten Marken kann das aber nicht heranreichen. Auch das Geschäftsmodell mit der Akku-Miete schreckt vermutlich viele Käufer ab, auch wenn es sich einfach ausrechnen kann: Bis 72 Monate Haltedauer ist die Batterie-Miete günstiger als der Kauf.

Am Ende gilt aber auch für den Nio EL6, was für alle anderen Elektroautos gilt – egal ob mit oder ohne Batterietausch: Einfach mal reinsetzen und ausprobieren.

4 Kommentare

zu „Batteriewechsel auf der Langstrecke: Was kann Nios Power Swap?“
Gregor
01.12.2024 um 15:36
Noch zu erwähnen wären die 10 Euro pro Batterie tausch wenn man mehr als 2 mal im Monat tauscht. Und die kWh Preise bei denen Nio in seinem Öko System dann sehen flexibel wäre, wenn es genug Kunden gibt die den Swap nutzen würden. Und für diese Abhängigkeit zahlt man Miete. Beim Schnellladen hat man da mehr Alternativen. zB ein billiger XPeng G6 oder G9 wären da flexibler und im Vorteil.Langfristig wird es spannend ob Nio wirklich mit dem Swap eine Lösung hat, die von den Kunden bezahlt wird.
Piet
02.12.2024 um 15:49
Die Angst vor der Degeneration der "eigenen" Batterie ist mit dem NIO-Wechselsystem nicht mehr zeitgemäß. NIO zieht an den Wechselstationen "kaputte" Batterien aus dem Verkehr und der "Mieter" ist immer mit geprüften und intakten Batterien unterwegs. Keine Kilometer- oder Zeitbeschränkung für die Batteriegarantie . Da ist Mieten doch eine gute Alternative!
Ralf Dunker
03.12.2024 um 15:00
Der Akkutausch über alle europäischen Hersteller mit genormten Akkus ist die einzige Chance, schon bald mit der E-Mobilität erfolgreich zu werden, weil sich Autofahren dann ebenso flexibel anfühlt, wie mit dem Verbrenner. Und die Besoffenen bei mir auf der Schanze würden zukünftig nicht ständig mit Ladesäulen kollidieren, wenn sie die Bar wechseln...Da sich die Energiedichte sukzessive erhöht und damit Volumen und Masse der Akkus im Verhältnis abnehmen, sollten die Hersteller endlich aufhören, von "Sozialismus" oder "Planwirtschaft" zu faseln, wenn man diesen Vorschlag unterbreitet. Von ersterem haben die Manager i.d.R. keine Ahnung. Letzteres betreibt jedes erfolgreiche Unternehmen ohnehin, wenn es langfristig am Markt bestehen will.Gäbe es den Akkutausch an den 14.000 Tankstellen in Deutschland, wären die unbeliebten BEV mit Steckdose und Kabelage - m.E. eine prototypische Lösung, um mal um das Werksgelände zu juckeln - weitgehend überflüssig, bzw. Extra-Ausstattung für zu wohlhabende Hausbesitzer.Dann könnten auch die Stromnetzbetreiber (und damit wir alle, die den Netzausbau schlussendlich bezahlen) aufatmen, da die zukünftige Flotte nicht mehr "mal kurz schnellladen" wollte und sie auf einen guten Teil rein stationärer, unrentabler Speicher verzichten könnten.Laden des Akkus und Fahren sind beim Tauschen nämlich entkoppelt! Womit die nächste gute Nachricht einher geht. Die Autobauer blieben Herren/ Damen über die Millionen von ihnen gebauten Akkus (und wir kaufen Autos minus Akku!). Daraus ergibt sich ein neues Geschäftsmodell für die Hersteller, das es in sich hat. Opportunes Billig-Laden, immer dann, wenn viel Wind und/ oder Sonne viel Strom in die Netze schieben, aber keinen Absatz finden.Und zusätzlich zum Verleihen an uns Autofahrer kann gesoeicherte Energie zurück ins Netz verkauft werden, wenn diese kurzfristg knapp wird. Auch damit kann gutes Geld verdient werden, das die Arbeitsplätze bei VW und Co. sichert.Damit flankieren die Autobauer und die Mineralölkonzerne also die Energiewende, anstatt weiterhin mit ihrem Geschäftsmodell das Klima zu ruinieren - welch ein Image-Wandel!Politik, fang' an, bevor weitere Milliarden in die Subventionierung von Autokäufern fließt!
Tom
03.12.2024 um 18:00
Angst vor dem altern des Akkus ist nicht mehr zeitgemäß. Batterien überleben das Auto mittlerweile bei weitem. Das Wechseln ist teuer im Vergleich zum Laden ebenso die Miete. Ich glaube nicht das es sich durchsetzt.

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