Deutschlands erster Buslader mit Schwungmassespeicher geht von Probe- in Dauerbetrieb

Im südhessischen Bensheim versorgte ein Jahr lang ein Pantografen-Lader in Kombination mit einem Schwungmassespeicher Elektro-Busse der Verkehrsgesellschaft Gersprenztal mit Strom. Nach zwölfmonatiger Erprobungsphase ziehen die Projektverantwortlichen nun ihr Fazit. Klar ist: Die Anlage bleibt an Ort und Stelle.

Foto: Adaptive Balancing Power

Im Pilotprojekt „Buffered-HLL“ (zwischengespeichertes Hochleistungsladen) wurden erstmals in Deutschland E-Busse im Linienbetrieb an einer HPC-Ladestation mit einem Schwungrad-Pufferspeicher zwischengeladen. Zusammen mit einem Konsortium aus Forschung und Wirtschaft realisierte Hersteller Adaptive Balancing Power (ABP) die neuartige Pantographen-Schnellladestation am Busbahnhof in Bensheim an der Bergstraße. Los ging es mit dem Feldversuch vor einem Jahr. Nun ziehen die Initiatoren eine erste Bilanz.

„Die Daten zeigen, dass die entwickelte Technologie mit dem Schwungmassespeicher im Kern den Aufbau von Schnellladestationen im suburbanen Raum deutlich erleichtert und kostengünstiger macht“, schreibt ABP. Außerdem werde das Stromnetz durch diese Art der Speicher- und Ladesysteme entlastet. Nun solle geprüft werden, inwiefern sich das Betriebs- und Infrastrukturmodell auch in andere Regionen übertragen lässt.

Fest steht, in Bensheim soll die Anlage erhalten bleiben: „Das Projekt war für uns ein voller Erfolg. Das Betriebsmodell des Hochleistungs-Zwischenladens ist energieeffizient und senkt unsere Betriebskosten. Wir werden nun aus dem Projektbetrieb in den Dauerbetrieb in Eigenregie gehen“, äußert Karl Reinhard Wissmüller, Geschäftsführer der Verkehrsgesellschaft Gersprenztal mbH.

Kurz zur Einordnung: Die Adaptive Balancing Power GmbH wurde 2016 in Darmstadt gegründet. Kerngeschäft des Unternehmens sind Ladelösungen mit Schwungmassespeichern. Ein erstes Exemplar namens Amperage hatte das Unternehmen im Oktober 2021 präsentiert. Im Mai 2022 folgte die Vorstellung einer All-in-One-Lösung namens Smart Charge Boost, bei der es sich um eine auf die Bedarfe von Firmenflotten optimierte Variante handelt. Bereits Mitte 2022 kündigten die Hessen dann an, zusammen mit einem Konsortium aus Forschung und Wirtschaft mit der Kreation einer neuartigen Pantographen-Schnellladestation für Busse beginnen zu wollen.

Als Hauptvorteil ihrer Lösung nennen die Pfungstädter die leichte Netzanbindung: Anders als andere Schnelllade-Systeme, die auf eine Ladeinfrastruktur mit sehr hohen Stromdurchflüssen angewiesen sind, komme die patentierte Adaptive-Technologie bereits mit Niederspannung aus und verzichte überdies auf Batteriechemie, was sie für nahezu alle Standorte geeignet mache, heißt es.

Das Pilotprojekt wurde vom Bund mit 2,3 Millionen Euro gefördert. Während der Praxisphase versorgte das in Bensheim installierte System einen Citea LLE 99 electric von VDL mit Strom. Dieser wurde auf drei Stadtbuslinien eingesetzt und kam etwa alle 30 Minuten am Bensheimer Bahnhof vorbei – und lud dort nach. „Ein Ladehalt beim Ein- und Aussteigen von rund 150 Sekunden reichte dabei für eine komplette Tour“, teilt ABP mit.

Weitere vier Partner waren an dem Pilotprojekt beteiligt: Die Isabellenhütte Heusler aus Dillenburg als Konsortialführer, der Ingenieurdienstleister CuroCon aus Zwingenberg, das in Berlin ansässige Reiner Lemoine Institut sowie die für den Busbetrieb zuständige Verkehrsgesellschaft Gersprenztal (VGG) mit Sitz in Reichelsheim und Bensheim.

Laut Dr. Hendrik Schaede-Bodenschatz, Geschäftsführer der Adaptive Balancing Power GmbH, hat das Projekt deutlich gezeigt, dass mit Schwungmassespeichern Hochleistungsladen für E-Busse des ÖPNV auch ohne Netzausbau einfach und effizient möglich ist. „Ein wichtiges Signal an Busbetreiber und Kommunen, dass nicht erst langwierig und kostenintensiv das Netz ertüchtigt werden muss.“

Julian Brendel, Experte für Mobilität mit Erneuerbaren Energien beim Reiner Lemoine Institut, ergänzt: „Die Ergebnisse zeigen, dass innovative Betriebsmodelle dabei helfen, Kosten für Verkehrsgesellschaften auch auf lange Sicht einzusparen. Intelligente Ladestrategien können die Energiekosten um bis zu 40 Prozent verringern.“

In der Begleitforschung hatten die Wissenschaftler des Reiner Lemoine Instituts übrigens die vollständige Umstellung der rund 100 Busse der VGG auf Batterie-elektrische Antriebe untersucht. Wie die Simulationen der Forscher zeigten, ist reines Depotladen mit der aktuellen Bustechnologie bei etwa 30 Prozent der Umläufe nicht möglich. Deshalb müsste die VGG an 21 Endhaltestellen Ladeinfrastruktur für eine Zwischenladung aufbauen. „Für bis zu 16 dieser Haltestellen ist eine Zwischenladung an einer Schnellladestation mit Schwungrad-Pufferspeicher möglich. Dort wird dann nur ein Niederspannungsanschluss anstelle eines Mittelspannungsanschlusses benötigt. So muss kein Transformator installiert werden, das System ist platzsparendender und die Planung wird vereinfacht. Für diesen Fall reduzieren sich die Investitionskosten um knapp 2 Millionen Euro“, vergegenwärtigt RLI-Projektleiter Julian Brendel aus dem Bereich Mobilität mit Erneuerbaren Energien.

adaptive-balancing.de

5 Kommentare

zu „Deutschlands erster Buslader mit Schwungmassespeicher geht von Probe- in Dauerbetrieb“
Egon Meier
03.12.2024 um 23:54
die Alternative zu Schwungradspeicher heißt doch nicht direktes Netzladen sondern Lsden aus einem anderen Speicher. Ob da nicht eine fetter LiFePo-Batterie zweckmäßiger und preiswerter ist?
Egon Kohler
04.12.2024 um 10:33
Seh ich genauso. Eine hochbelastete, hochdynamische Mechanik mit Motor/Generator scheint mir anfälliger und umständlicher als eine Batterie, und bei 2nd Life Batterien sollten auch die Kosten vorteilhaft sein.
Julian
04.12.2024 um 14:23
Ja, das kann eigentlich nur funktionieren, wenn das System extrem preiswert wird. Und das war mit ähnlichen Anbietern in der Vergangenheit nicht so. Ein Datenblatt habe ich nicht gefunden, aber das ganze scheint im niedrigen zweistelligen kWh-Bereich zu liegen. Es ist toll, dass man da so hohe C-Raten erreicht, aber wenn man gleichzeitig wesentlich mehr Batteriespeicher bekommt, der das gleiche Problem lösen kann, kann man nicht nur den Netzanschluss klein halten, sondern auch laden, wenn es günstig/Überschuss vorhanden ist. Nachts, wenn die Busse nicht fahren, kann er entsprechend sogar einen Zusatznutzen generieren.Wahrscheinlich grenzt die technische Entwicklung das Einsatzszenario weiter ein. Den besagten Bus gibt es schon sehr lange. Er hat entsprechend auch nur übersichtliche 180 kWh, die auf Schnellladung optimiert wurden. Da würde man heute wahrscheinlich auch eher auf mehr Reichweite setzen.
Gregor
04.12.2024 um 15:05
Alter Wein in neuen Schläuchen? Damals gabs das schon in Zwickau im Tram Betrieb: "Städtische Verkehrsbetriebe Zwickau GmbH (2006) Im Januar 2006 erteilte die Planungsgesellschaft der rosseta Technik GmbH den Auftrag für ein Energiespeicherwerk. Anfang Juni erfolgte bereits die Lieferung und Aufstellung des fertig ausgerüsteten Betoncontainers. Mitte August wurde das System an das Bahnnetz geschaltet und die Erprobung begonnen. Ab Oktober 2006 läuft der Dauerbetrieb am Bahnnetz."
Egbert Homeister
04.12.2024 um 15:58
Der Bus ist nicht auf dem Stand der technik und die betrachteten Akkus wohl auch nicht. Ist doch schön das 2,3 Millionen Fördergelder einen sinnvollen Abnehmer gefunden haben. Mit der Realität wird das alles eher nichts zutun haben...

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