EVP-Fraktion will am Verbrenner-Aus rütteln
Wie der „Spiegel“ aus dem Positionspapier zitiert, will die EVP das 2035er Verbrenner-Aus für Neuwagen „in den ersten 100 Tagen der neuen EU-Kommission“ kippen – sprich, die Fraktion will die aktuelle Gesetzeslage bis März ändern. In dem sechsseitigen Papier fordern die Konservativen die Kommission außerdem auf, die Autoindustrie zu entlasten. So sollen Strafzahlungen für Hersteller abgewendet werden, die durch die 2025 strenger werdenden CO2-Flottengrenzwerte drohen.
Das Papier verfasst haben soll Jens Gieseke (CDU) im Auftrag von EVP-Chef Manfred Weber (CSU). Noch ist es aber nicht von der Fraktion abgesegnet. Am Dienstag komme es zur Abstimmung über das Dokument, schreibt der „Spiegel“. Es kann also sein, dass die Forderungen im Zuge der Abstimmungen unter den Fraktionsmitgliedern noch abgeändert werden.
Inhaltlich steht in dem Entwurf zurzeit, dass es in der Europäischen Union einen „technologieneutralen Ansatz“ geben solle, der nicht auf Elektroautos beschränkt ist, sondern auch alternative Kraftstoffe (darunter Biokraftstoffe und synthetische Kraftstoffe) integriert. Für den Ruf nach E-Fuels ist bisher vor allem die FDP bekannt. Das EVP-Papier geht nun aber in eine ähnliche Richtung. Die Verfasser fordern „eine neue Definition für kohlenstoffneutrale Kraftstoffe“. Die Klimaneutralität für 2050 stellen sie laut „Spiegel“ aber nicht infrage.
Weber will Regelungen „korrigieren“
Webers Positionierung kommt dabei nicht völlig überraschend. Schon im Wahlkampf 2023 machte er klar, dass bereits fixierte Beschlüsse zum Verbrenner-Aus für neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge wieder auf den Prüfstand sollen. Die schärferen CO2-Flottengrenzwerte, die 2035 in einem de-facto-Verbot münden – waren Ende März 2023 beschlossen worden. Konservative hatten jedoch eine Überprüfung der Regulierung im Jahr 2026 durchgesetzt. Diese Überprüfung will Weber nun auf 2025 vorziehen, um das Verbrenner-Aus „zu korrigieren“. Diese Forderung teilt Weber unter anderem mit dem VDA. Das Kalkül: Eine frühere Überprüfung könnte angesichts der veränderten Mehrheitsverhältnisse im Parlament zu schwächeren Grenzwerten führen.
Wie der „Spiegel“ skizziert, forderten bereits Ende November sieben EU-Staaten – ohne die Beteiligung Deutschlands – einen „pragmatischen Zeitplan für die Umsetzung“ des Umstiegs auf emissionsfreie Antriebe. Weber und sein Lager schließen sich diesem Vorstoß nun an und wollen die erste Stufe der strengeren Flottengrenzwerte von 2025 auf 2027 verschieben. Denn: „In der aktuellen Krise brauchen die Hersteller ihre Einnahmen, um den Wandel zu meistern“.
Auch in Berlin will man die hierzulande wichtige Autoindustrie vor horrenden Strafen bewahren. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kündigten Ende November an, die im kommenden Jahr potenziell milliardenschweren EU-Klimastrafen für Autohersteller verhindern zu wollen. Im Gegensatz zu der EVP wollen sie aber dafür nicht an den europäischen Flottengrenzwerten rütteln. Es geht ihnen eher um die Schaffung eines „pragmatischen Übergangs“.
Sollte das Positionspapier in seiner aktuellen Fassung breite Zustimmung bei der EVP erhalten, ist eine Konfrontation mit der Kommission absehbar. Präsidentin Ursula von der Leyen – ihres Zeichens vor der Wiederwahl Spitzenkandidatin der EVP – gilt als Befürworterin der aktuellen Gesetzgebung. Und auch der neue Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas und der Klimakommissar Wopke Hoekstra, beide ebenfalls EVP-Mitglieder, haben sich kürzlich zum Verbrenner-Aus im Jahr 2035 bekannt. Laut Hoekstra sollen zudem die CO2-Zwischenziele für Autos im Jahr 2025 unangetastet bleiben. Dem „Spiegel“ zufolge herrscht in der Kommission daher „Unmut über unzureichend abgestimmte Vorstöße der EVP, die sich im Rat der Mitgliedstaaten als chancenlos erweisen“. Es ist also nicht das erste Mal, dass die EVP sich positioniert, ohne sich zuvor um die Beschaffung von Mehrheiten zu kümmern.
In der um Planungssicherheit ringenden europäischen Autoindustrie dürfte die neu angefachte Diskussion eher Unbehagen auslösen. Ursula van der Leyen kündigte bei der Wahl ihrer Kommission Ende November an, einen „strategischen Dialog über die Zukunft der europäischen Automobilindustrie“ einzuleiten. Bis dieser Dialog Resultate hervorbringt, ist wirtschaftsseitig wohl zwingend Geduld gefragt. Jean-Philippe Imparato, Europachef des Autobauers Stellantis, fasste diesen Sachverhalt gegenüber der „FAZ“ dieser Tage in folgende Worte: „Bislang sind die ab 2025 verschärften Flottengrenzwerte unverändert Gesetz. Wenn irgendjemand auf einem Brüsseler Korridor laut schimpft, heißt das noch lange nicht, dass sich irgendeine Regel ändert. Wenn die Regeln so sind, dass wir im ersten Halbjahr des nächsten Jahres 20 Prozent an Batterie-elektrischen Autos erreichen müssen, dann richten wir uns danach.“
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