Xpeng G6: Die chinesische Kampfansage
X-Peng, Jipeng oder Schi-Päng – die phonetische Erstbegegnung ist alles andere als einfach und spätestens beim dritten Versuch hat sich die Zunge verknotet. Doch ein bisschen Übung kann nicht schaden, denn den Namen des zehn Jahre alten China-Start-Ups werden wir wohl noch öfter über die Lippen bringen müssen in den nächsten Jahren.
Nicht nur, weil sich VW mit 700 Millionen an der Firma aus Guangzhou beteiligt hat und sich von den Chinesen helfen lassen will, im wichtigsten Auslandsmarkt wieder ein Bein auf den Boden zu bekommen. Sondern auch weil, ihre Autos einfach gut sind. Schon das XXL-SUV G9 und die Limousine P7 haben viel Aufmerksamkeit erregt, aber seit sie in diesem Sommer den G6 nachgeschoben haben, verliert selbst der elektrische Weltmeister Tesla Model Y ein wenig von seinem Glanz.
Erst recht beim Blick auf den Preis. Denn während Tesla sein handliches SUV bei uns für mindestens 44.990 Euro verkauft, steht der G6 mit ganz ähnlichen Eckdaten für 43.600 Euro in der Liste – und nach oben geht die Schere weiter auseinander.
4,75 Meter lang, glatt und schnörkellos gezeichnet und bis auf das funkelnde X im LED-Gesicht ohne wirklich eigenständiges Auftritt – wäre der Xpeng nicht im leuchtenden Fiery Red lackiert, man könnte ihn glatt mit dem Modell Y verwechseln.
Und auch innen geben sich die Chinesen gar nicht erst die Mühe, ihr Vorbild zu verheimlichen. Der G6 ist deshalb genauso kühl und nüchtern eingerichtet und hat ein ähnlich stark reduziertes Bedienkonzept – nur dass er sich wenigsten hinter dem Lenkrad noch einen zweiten, wenn auch kleinen Bildschirm leistet, auf dem die wichtigsten Fahrinformationen angezeigt werden. Aber selbst die Lüftung regelt man am Touchscreen, öffnet dort auch das Handschuhfach oder justiert die Spiegel. Nur ausgerechnet für die Türen gibts noch einen Taster, wobei da doch jeder nach einem Griff sucht.
Dazu bietet der G6 bei 2,89 Metern Radstand reichlich Platz in beiden Reihen und einen Kofferraum von 571 Litern. Nur den Frunk haben sich die Chinesen bei Tesla leider nicht abgeschaut.
Dafür sind sie bei der Ausstattung ausgesprochen großzügig: Denn vom Panoramadach über die klimatisierten Sitze bis hin zum Highend-Sound-System und allen Assistenten für ein Fünf-Sterne-Rating lässt sie keine Wünsche offen. Erst recht, weil alles serienmäßig an Bord ist und es auf der Preisliste nur zwei Optionen gibt: Die elektrisch ausfahrbare Anhänger-Kupplung und die vier Sonderfarben, zu denen auch das leuchtende Orange des Erstlings zählt.
Beim Antrieb bietet Xpeng drei Konfigurationen: Das Basismodell (RWD Standard) fährt mit einem Heckmotor von 190 kW und 440 Nm, das ein LFP-Akku mit 66 kWh bis zu 435 Normkilometer weit bringt. Für den mindestens 47.600 Euro teuren RWD Long Range gibt’s an der Hinterachse 210 kW und im Boden NCM-Zellen mit 87,5 kWh, die für bis zu 570 Kilometer reichen. Und wer 51.600 Euro ausgibt, kommt mit einem zweiten Motor auf eine Systemleistung von 350 kW, muss den großen Akku dafür aber 20 Kilometer früher einstöpseln.
G6 | G6 Long Range | G6 AWD | |
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Antrieb | RWD | RWD | AWD |
Leistung | 190 kW | 210 kW | 350 kW |
Drehmoment | 440 Nm | 440 Nm | 660 Nm |
Beschleunigung | 6,9 s | 6,7 s | 4,1 s |
Höchstgeschwindigkeit | 200 km/h | 200 km/h | 200 km/h |
WLTP–Reichweite | 435 km | 570 km | 550 km |
Batteriekapazität | 66 kWh | 87,5 kWh | 87,5 kWh |
Ladeleistung DC | 215 kW | 280 kW | 280 kW |
Ladezeit DC 10-80% | <20 min | <20 min | <20 min |
Von 0 auf 100 in 6,9 bis 4,1 Sekunden, mit Bleifuß bis zu 200 km/h und beim Rekuperieren die Wahl zwischen Segeln oder One-Pedal-Fahren – der G6 ist präzise, flott und komfortabel. Aber während er auf der Straße kühl und nüchtern wirkt wie so viele Elektroautos vor allem aus Asien, denen es eher ums Ankommen geht als ums Unterwegssein, weckt er spätestens an der Ladesäule Begeisterung.
Denn die 800 Volt-Akkus haben eine höhere Ladeleistung als die allermeisten Konkurrenten und kommen erreichen ihren Peak erst bei 215 kW im Grundmodell und 280 kW in der Top-Version. Außer dem Lucid Air und den neuen Modellen von Porsche Taycan und Audi e-tron GT kommt da aktuell keiner mit – und dem großen Xpeng G9.
Kein Wunder, dass der Hub von 20 auf 80 Prozent in bestenfalls 15 Minuten gelingt. Da wechselt man besser von Cappuccino auf Espresso – oder trinkt seinen Kaffee daheim. Denn dort ist der G6 von der gemütlichen Sorte und nuckelt die Energie mit maximal 11 kW aus der Wallbox.
Zwar haben wir in den letzten Jahren viele Chinesen kommen und gehen sehen. Und natürlich muss es auch Xpeng erst einmal schaffen bei uns einen vernünftigen Vertrieb aufzubauen. Doch mit den chinesischen Tech-Giganten DiDi und Alibaba im Hintergrund, VW als Investor und dem Plan für ein klassisches Händlernetz statt eines Direktvertriebs sind die Chancen dafür vielleicht besser als bei vielen anderen Newcomern. Und mit ein bisschen Nachhilfe wird sich auch der Knoten in der Zunge irgendwann lösen.
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