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Sektor-Verbrüderung: Wie sich MAN und E.ON im Lkw-Lademarkt positionieren

Schulterschluss zwischen Mobilität und Energie: MAN und E.ON sind die Privatinitiatoren eines der ambitioniertesten Ladenetz-Projekte des Landes. Das Duo plant 125 Lkw-Ladestandorte in Deutschland – und weitere 45 an europäischen Fernstrecken. Wir haben die Projektleiter beider Unternehmen zum Gespräch gebeten.

Nutzfahrzeugbauer MAN und Energieversorger E.ON hatten ihre Ladenetz-Pläne erstmals im Sommer bekanntgegeben. Seitdem sind bereits zwei öffentliche Ladestellen – nahe Berlin und nahe München – eröffnet worden. Als Ziel gelten 170 Standorte mit rund 400 Lkw-Ladepunkten in Europa – das Gros davon in Deutschland. Bis Ende 2025 sollen europaweit bereits 80 Anlaufstellen realisiert sein. Als Standorte für das öffentliche Laden dienen dabei die bestehenden MAN-Servicefilialen. Wichtig: Das Netz ist dennoch für Nutzfahrzeuge anderer Hersteller zugänglich.

Wir haben drei Manager der Unternehmen gebeten, uns vom Werdegang ihrer Kooperation, ihren Ambitionen und ihrer Verortung im Markt zu berichten. Für MAN standen Dirk Follmann, Leitung Netzmanagement & Infrastruktur, und Carsten Hinz, Head of Network Strategy & Investments, Rede und Antwort. Seitens E.ON nahm Henrik Mørch-Larsen, Head of eTruck Charging Europe bei E.ON Drive Infrastructure Stellung.

Hallo in die Runde, welche drei Charaktereigenschaften braucht man, um in Deutschland als Pionier öffentliche Lkw-Lader zu installieren?

D. Follmann: Ideen, Entscheidungsfreudigkeit und Geduld.

H. Mørch-Larsen: Ergänzend dazu, braucht es definitiv Akteure, die bereit sind, voranzugehen und dabei von Beginn an in großen Dimensionen zu denken. Es braucht die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und sektorübergreifend zusammenzuarbeiten.

Im Sommer kündigte E.ON an, zusammen mit MAN ein Netz aus Lkw-Schnellladern aufzubauen. Wie gestaltet sich dabei die Rollenverteilung zwischen E.ON und MAN?

C. Hinz: E.ON und MAN bauen gemeinsam europaweit rund 170 Standorte mit circa 400 Ladepunkten für das öffentliche Laden von Elektro-Lkw auf. In Deutschland entsteht dabei mit allein 125 Standorten das hierzulande bislang größte öffentliche Ladenetz für schwere Nutzfahrzeuge. MAN stellt hierbei die Flächen an den MAN eigenen Servicebetrieben zur Verfügung, E.ON übernimmt die Planung, den Bau und den Betrieb der Ladeinfrastruktur.

Wie kam es denn überhaupt zu der Initiative? Wer ging auf wen zu?

C. Hinz: MAN und E.ON arbeiten mit Hochdruck daran, die Elektromobilität im Schwerlastverkehr voranzutreiben. Die Elektromobilität ist der Schlüssel, um Klima- und Flottenziele zu erreichen. Damit sich elektrische Lkw am Markt etablieren können, braucht es eine leistungsfähige, flächendeckende
Ladeinfrastruktur. Dafür ist eine branchenübergreifende Zusammenarbeit nötig. MAN hat aus diesem Grund nach starken Partnern im Bereich Ladeinfrastruktur gesucht und in E.ON den idealen Partner gefunden.

H. Mørch-Larsen: Dem kann ich mich nur anschließen. Partnerschaften leisten einen wichtigen Beitrag für einen nachhaltigen Verkehr. Wir sind stolz darauf, mit einem starken Nutzfahrzeughersteller wie MAN zusammenzuarbeiten und so unsere Stärken zu bündeln.

Und wie gestaltet sich die operative Zusammenarbeit? Gibt es eine unternehmensübergreifende Taskforce oder so etwas in der Art?

C. Hinz: Es gibt mehrere Ebenen der Zusammenarbeit, angefangen bei regelmäßigen Abstimmungen zwischen den Teams von MAN und E.ON zu allen anfallenden Themen. Für die Umsetzung der einzelnen Standorte sind die Teams regelmäßig vor Ort, um standortspezifische Konzepte zu entwickeln.

Die Ladeorte entstehen nur an bestehenden Service-Standorten von MAN. Welcher Gedanke liegt dieser Entscheidung zugrunde? Und was können Sie uns zum Layout der Ladelocations sagen?

D. Follmann: Die eine Seite der Medaille ist der Service-Gedanke für unsere Kunden. Sie können ihr Elektrofahrzeug vor oder nach einem Serviceaufenthalt aufladen. So eine Ladestation für Nutzfahrzeuge hat zudem eine Strahlwirkung in die jeweilige Region hinein. Die andere Seite glänzt fast noch heller: Es ist unser Beitrag zum Aufbau eines Lkw-Schnellladenetzes und damit ein unmissverständliches Zeichen für die Elektromobilität. Denn: Nahezu alle unsere MAN Servicestützpunkte sind auch ideal zum Zwischenladen für längere Routen.

H. Mørch-Larsen: Genau. Die Ladestandorte befinden sich an strategisch ausgewählten MAN Servicestützpunkten, oft in Industriegebieten mit hohem Lkw-Aufkommen oder in der Nähe von Autobahnen. So lässt sich das Laden gut in den Betriebsalltag integrieren. Wir gestalten die Ladestandorte flexibel und kundenorientiert, damit Nutzfahrzeuge aller Hersteller komfortabel laden können. Die Ladebereiche sind speziell für große Fahrzeuge wie Elektro-Lkw und auch -Busse ausgelegt, mit großzügigen Rangierflächen, Hochleistungsladesäulen und klarer Beschilderung. Pro Standort sind
mindestens zwei HPC-Ladesäulen geplant. Sie werden so positioniert, dass der Ladevorgang Werkstattabläufe nicht beeinträchtigt und gleichzeitig die öffentliche Zugänglichkeit für alle Kunden gewährleistet ist. Auf diese Weise schaffen wir einen regionalen Mehrwert und erweitern das Ladenetz für alle E-Mobilitätsnutzer.

Wir sprechen also von eher kleinen Ladestandorten mit zwei oder vier Ladepunkten, richtig?

H. Mørch-Larsen: Wir konzentrieren uns auf bestehende Servicestützpunkte und statten diese in der Regel mit zwei bis vier Ladesäulen aus. Das wird sowohl den Anforderungen der Werkstätten als auch der öffentlichen Nutzer gerecht. Diese Konfiguration bietet eine optimale Balance zwischen Platzbedarf, Effizienz und Verfügbarkeit und ermöglicht gleichzeitig eine hohe Flexibilität im täglichen Betrieb.

Beim ersten eröffneten Ladepark bei Berlin setzen Sie auf Alpitronic-Lader des Typs Hypercharger 400. Werden diese Ladegeräte auch an allen anderen Standorten zu finden sein?

H. Mørch-Larsen: Mit Alpitronic arbeiten wir schon seit einiger Zeit erfolgreich zusammen. Die Auswahl der Hardware erfolgt immer in Abhängigkeit von den spezifischen Anforderungen und Gegebenheiten des jeweiligen Standorts.

Welchen Herausforderungen begegnen Sie bei der technischen und regulatorischen Umsetzung in Deutschland? Wie sehr hilft die Erfahrung aus dem Aufbau von Pkw-Ladeparks?

H. Mørch-Larsen: Es gibt diverse Herausforderungen, darunter technische Fragen wie den Netzanschluss oder auch regulatorische Aspekte, zum Beispiel in Form komplizierter Genehmigungsverfahren. Außerdem denken wir bei allem im Voraus und bauen die Infrastruktur heute schon so auf, dass sie für ein zukünftiges Upgrade auf Megawattladen vorbereitet ist. Die Erfahrung aus dem Aufbau von Pkw-Ladeparks hilft uns enorm, da wir auf bewährte Prozesse und Strukturen zurückgreifen können. Dennoch erfordert der Bereich der Nutzfahrzeuge spezifische Anpassungen und neue Ansätze, um den besonderen Anforderungen gerecht zu werden.

Und wen haben Sie hierzulande genau als Zielgruppe vor Augen?

D. Follmann: Die Ladestandorte sind öffentlich zugänglich. Die Zielgruppe ist daher breit und umfasst sowohl Kunden der MAN Servicebetriebe, vor oder nach dem Werkstattaufenthalt, als auch alle anderen Fahrerinnen und Fahrer von elektrischen Nutzfahrzeugen.

Wo verorten Sie sich mit Blick auf das initiale Ladenetz des Bundes und auch in Abgrenzung zu Milence – dem bisher größten privaten Akteur im öffentlichen Lkw-Lademarkt?

H. Mørch-Larsen: Wir finden es gut, dass sich die Bundesregierung und Mitbewerber für den Ausbau der Ladeinfrastruktur engagieren. Die Elektrifizierung des gewerblichen Transports wird nur gelingen, wenn viele Akteure zusammen- und mitarbeiten. Unser Ziel ist es, durch den Aufbau eines offenen und leistungsfähigen Ladenetzes einen wesentlichen Beitrag zur Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs zu leisten. Deswegen freuen wir uns über alle Initiativen, die gemeinsam die Mobilitätswende vorantreiben.

Ihr Ladenetz ist europäisch angelegt, aber drei von vier Ladeparks werden vorerst in Deutschland entstehen — lohnt sich der Aufbau hierzulande mehr als bei unseren Nachbarn?

D. Follmann: Das hat vor allem praktische Gründe. Deutschland bildet mit 133 MAN-eigenen Servicebetrieben den Schwerpunkt unseres eigenen Servicenetzes in Europa. In den Nachbarländern ist der Anteil von Partnerbetrieben dagegen höher.

C. Hinz: Wir prüfen derzeit, wie wir auch unsere Partnerbetriebe in Deutschland und Europa bestmöglich in das gemeinsame Projekt einbinden können.

Als Etappenziel peilen E.ON und MAN bis Ende 2025 europaweit 80 Lkw-Ladeorte an. Insgesamt sollen es 170 werden – aber bis wann genau, haben Sie bisher nicht kommuniziert…

H. Mørch-Larsen: In der ersten Phase unseres Projekts bauen wir 80 Lkw-Ladehubs bis Ende 2025 auf. Im Anschluss werden wir gemeinsam mit MAN die bisherigen Erfahrungen auswerten und den weiteren Rollout entsprechend planen. Dabei berücksichtigen wir Faktoren wie Nachfrage, Standortanalysen und Marktentwicklung, um beim Aufbau der Standorte effizient und bedarfsgerecht vorzugehen. Unser gemeinsames Ziel bleibt es, die 170 geplanten Ladehubs so zügig wie möglich zu realisieren, ohne dabei Kompromisse bei Qualität und Funktionalität einzugehen.

Und wenn wir schon bei Zeitplänen sind: Ab wann werden wir bei Ihnen auch Megawattladen können?

H. Mørch-Larsen: Wir wollen unser Ladenetz auf den MCS-Standard für das Megawattladen aufrüsten, sobald die Technologie marktreif ist und einen relevanten Mehrwert für unsere Kundinnen und Kunden bietet. Darüber hinaus muss die Umrüstung natürlich auch wirtschaftlich sinnvoll sein. Daher setzen wir auf flexible Lösungen, damit wir die Technologie später einfach integrieren können. Unser Ziel ist immer eine zukunftsfähige Infrastruktur, die den Anforderungen unserer Kundinnen und Kunden entspricht.

Am Hamburger Hafen hat E.ON jüngst einen Lkw-Ladepark in Eigenregie eröffnet – außerhalb der Kooperation mit MAN. Werden Sie solche „Solo-Projekte“ weiter parallel vorantreiben?

H. Mørch-Larsen: Wir prüfen kontinuierlich, wie und wo zusätzliche Ladeinfrastruktur benötigt wird, um die Bedürfnisse unserer Kunden optimal zu erfüllen. Sowohl die Zusammenarbeit mit MAN als auch andere Projekte wie das am Hamburger Hafen sind wichtige Bausteine, um diese Ziele zu erreichen.

Zum Schluss ein Wort zur Motivation: Was treibt Ihr Unternehmen bei dem Lkw-Ladenetzausbau mehr an: Unternehmerische Verantwortung oder die Aussicht auf einen künftig gewinnbringenden Zukunftsmarkt?

C. Hinz: Unsere Haupttriebfeder sind immer unsere Kundinnen und Kunden. Diese möchten wir nicht nur beim Aufbau von Ladeinfrastruktur in ihren Depots unterstützen, sondern ihnen auch Lademöglichkeiten in unseren Servicestützpunkten bieten. Als Nutzfahrzeughersteller sind wir fest von
der Elektromobilität überzeugt. Dafür braucht es aber leistungsfähige, flächendeckende Ladeinfrastruktur und dazu wollen wir mit dieser Kooperation beitragen.

H. Mørch-Larsen : Die Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs ist eine immense Aufgabe. Da braucht es jemanden, der sowohl die Möglichkeiten als auch den Willen hat, wirklich etwas zu verändern. Bei E.ON sehen wir es als unsere Aufgabe, aktiv zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors beizutragen und die Energiewende entscheidend mitzugestalten. Gleichzeitig erkennen wir das enorme Potenzial eines wachsenden Zukunftsmarktes. Wir sind überzeugt, dass nachhaltige Mobilität nicht nur ökologisch notwendig, sondern auch ökonomisch sinnvoll ist. Verantwortung und Marktchancen gehen dabei Hand in Hand.

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