Batterieforscher beobachten extrem hohe Haltbarkeit
Die Wissenschaftler untersuchten eine neue Batterietechnologie mit sogenannten Einkristall-Elektroden, die im Vergleich zu herkömmlichen Batterien eine deutlich längere Haltbarkeit aufweisen. Die Tests zeigten, dass die neue Batterie mehr als 20.000 Ladezyklen überstand, bevor ihre Kapazität auf 80 Prozent der ursprünglichen Leistung sank. Die zum Vergleich herangezogene, herkömmliche Lithium-Ionen-Batterie erreichete die 80-Prozent-Marke bereits nach etwa 2.400 Ladezyklen. Die 20.000 Zyklen entsprechen hochgerechnet einer E-Auto-Fahrleistung von acht Millionen Kilometern.
Aber: In der aktuellen Veröffentlichung der Batterieforscher geht es im Kern nicht um die Einkristall-Elektroden (mehr dazu später), denn die jetzt untersuchte Zelle wurde seit sechs Jahren zyklisiert (also be- und entladen), um auf die 20.000 Zyklen zu kommen – ihre Technologie ist schon mehrere Jahre alt. Neu ist die Methode, mit der die monokristalline NMC532-Zelle und zum Vergleich eine herkömmliche, polykristalline NMC622-Zelle untersucht wurden: mit einem hochenergetischen Synchrotron-XRD (SR-XRD).
Die Röntgenbeugung (XRD) wird seit Jahrzehnten breit für In-situ- und Operando- Batterieexperimente verwendet, bei denen Batteriezellen zerstörungsfrei während des Betriebs untersucht werden können. Mit der weiterentwickelten SR-XRD-Technologie sind hochauflösende Aufnahmen möglich. Allerdings sind dafür fortschrittliche Strahlungsquellen erforderlich, was die Anzahl an entsprechenden Studien bisher sehr überschaubar gehalten hat. In der eigenen Veröffentlichung weisen die Dalhouise-Forscher darauf hin, dass es „relativ wenige veröffentlichte SR-XRD-Studien gibt, in denen kommerziell hergestellte Zellen zur Untersuchung der Degradation verwendet wurden“.
„Der Schwerpunkt unserer Forschung lag darauf, zu verstehen, wie Schäden und Ermüdung im Inneren einer Batterie mit der Zeit fortschreiten und wie wir sie verhindern können“, sagt Toby Bond, ein leitender Wissenschaftler am Canadian Light Source (CLS) der University of Saskatchewan, der die Forschung für seine Doktorarbeit unter der Aufsicht von Professor Jeff Dahn, emeritierter Professor und leitender Forscher (NSERC/Tesla Canada/Dalhousie Alliance Grant) an der Dalhousie University, durchgeführt hat. Die Studie wurde von Tesla Canada und NSERC im Rahmen des Alliance-Förderprogramms finanziert.
In der polykristallinen NMC622-Zelle konnte das Forscherteam in den Elektroden zahlreiche, mikroskopisch kleine Risse feststellen, die durch das wiederholte Be- und Entladen (bei dieser Zelle über rund 2,5 Jahre) entstanden waren. „Schließlich gab es so viele Risse, dass die Elektrode praktisch pulverisiert wurde“, so Bond. Beim Durchleuchten der monokristallinen NMC532-Zelle konnten die Forscher hingegen keine solche mechanische Belastung in Form der Risse erkennen. „Auf unseren Bildern sah sie wie eine brandneue Zelle aus. Wir konnten den Unterschied fast nicht erkennen“, wird Bond zitiert.
Dieses stark unterschiedliche Verhalten führen die Forscher nicht auf die leicht andere Zusammensetzung der Kathode (NMC532 zu NMC622) zurück, sondern auf die Partikelstruktur. Die Partikel des Aktivmaterials, die an der Oberfläche der Kathode zu finden sind, sind bis zu 50 Mal kleiner als ein menschliches Haar. Ihre Struktur vergleichen die Forscher im Falle der heute gängigen polykristallinen Elektroden mit Schneeflocken, die zu einem Schneeball zusammengepresst sind – extrem feine Strukturen sind sehr komplex ineinander verhakt, es gibt aber Freiräume dazwischen. Der Einkristall entspricht in dieser Analogie eher einem Eiswürfel. „Wenn Sie einen Schneeball in der einen Hand und einen Eiswürfel in der anderen halten, ist es viel einfacher, den Schneeball zu zerdrücken“, sagt Bond. „Der Eiswürfel ist viel widerstandsfähiger gegen mechanische Belastungen und Beanspruchung.“
Diese Erkenntnis ist an und für sich nicht bahnbrechend neu, da die Widerstandsfähigkeit von Einkristallen gegenüber den Mikrorissen bereits bekannt ist. Mit den neuen, detaillierten Untersuchungsergebnissen könnten aber „Strategien zur Minderung von Mikrorissen – wie etwa Beschichtungen, Einkristallkathoden oder andere in der Industrie verwendete Eingriffe“ entwickelt werden. „Zusammengenommen zeigen diese Experimente [Vergleich von poly- und monokristallinen Zellen, Anm. d. Red.], wie komplex und vielfältig die Auswirkungen der Degradation sein können und wie sie durch die Verwendung von Einkristallkathoden drastisch unterdrückt werden können“, heißt es in der Studie.
Dabei geht es den Forschern nicht darum, tatsächlich mit einem E-Auto acht Millionen Kilometer mit einer Batterie fahren zu können, sondern um ihre gesamte Nutzung über den Einsatz im Fahrzeug hinaus. Bereits 2022 hatte Jeff Dahn bei einer Konferenz deutlich gemacht, dass eine Batterie mit 800 Zyklen für ein Elektroauto reiche – eine Batterie mit 10.000 Zyklen könnte aber 25 Jahre als stationärer Energiespeicher genutzt werden, um das Energiesystem unabhängiger von fossilen Brennstoffen zu machen.
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