Shell stößt zu Deutschlands zentralem Lkw-Ladeprojekt HoLa
Das Forschungsprojekt HoLa tritt in eine neue Phase ein: Shell schließt sich dem Konsortium als neuer Partner an und wird drei Standorte mit CCS- und MCS-Ladetechnologie ausstatten und betreiben. Die Planungen für alle fünf Projekt-Standorte sind nach Angaben von Gesamtprojektleiter Patrick Plötz mittlerweile abgeschlossen, „sodass zeitnah mit dem Aufbau begonnen werden kann“. Hintergrund ist, dass die Teilnehmer nach Verzögerungen im Projekt nun dazu übergegangen sind, CCS- und MCS-Lader parallel zu installieren. Anfangs war noch ein zweistufiger Aufbau – erst CCS- und dann MCS-Lader – geplant.
Kurz zur Einordnung: „HoLa“ steht für Hochleistungsladen Lkw-Fernverkehr – ein 2021 initiiertes Förderprojekt in der Bundesrepublik zur Versorgung von E-Lkw im Ferneinsatz. Im Rahmen von HoLa werden an fünf Standorten entlang der A2 zwischen Berlin und dem Ruhrgebiet Schnelllader für Lkw aufgebaut. Die fünf Ladestandorte verteilen sich auf drei Autobahn-Locations und zwei Depots. Nach einer konzeptionellen Phase des „HoLa“-Projekts ab September 2021 beginnt nun der Aufbau von CCS-Ladepunkten (je zwei an allen fünf Locations) mit bis zu 350 kW und ersten MCS-Ladern (je zwei an vier Locations). Angefahren werden die fünf Standorte von insgesamt zwölf Elektro-Trucks, von denen acht CCS- und vier MCS-basiert laden werden. Das Dutzend kommt dabei im realen Logistikbetrieb zum Einsatz, um möglichst praxistaugliche Daten zu sammeln.
Shell wird in Hamm, Lehre und Wustermark aktiv
Mit der Beteiligung von Shell als neuem Partner gewinnt das Projekt nun zusätzlichen Schwung. Der Mineralölkonzern hat mit Tochter SBRS (Shell Business Recharge Solutions) einen erfahrenen Ladeinfrastruktur-Spezialist unter seinem Dach und wird die HoLa-Ladeinfrastruktur in Hamm, Lehre und Wustermark verantworten. HoLa sieht vor, für den Aufbau der E-Lkw-Lader an diesen drei Orten Autohöfe und Logistikbereiche zu nutzen. Die weiteren beiden Standorte werden vom Mercedes-Benz Nutzfahrzeugzentrum Dortmund und von der EnBW (auf einem Rasthof der Autobahn in Lipperland) betrieben. Der Dortmunder Depot-Ladestandort ist als erster der fünf Locations auch bereits am Netz. Nach Angaben der Verantwortlichen wurden im Laufe des Projekts verschiedene Standorte und Betreiber untersucht – die Wahl sei dann auf die jetzige Konstellation gefallen.
Shell hat in Deutschland ohnehin einen starken eMobility-Forschungsfokus: In Hamburg betreibt der Konzern das „Shell Technology Centre Hamburg“, sein leitendes Labor für Elektromobilität weltweit. Darin eingebettet betreibt Shell eigenen Angaben zufolge ein CCS- und MCS-Testlabor, „um die Interoperabilität, Fahr- und Ladeperformance von E-Lkw unter verschiedenen Klimabedingungen zu testen und weiterzuentwickeln“. Im HoLa-Konsortium ist man sich einig: „Damit leistet Shell einen entscheidenden Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung von HoLa […]“.
Erfolgreiche SBRS-Demo eines MW-Ladevorgangs
Das Knowhow der Shell-Tochter SBRS wird unter anderem beim Megawattladen gefragt sein. Der Anbieter gehört zu jenen Herstellern, die unter Hochdruck an MCS-Ladern tüfteln und vergangenes Jahr einen MCS-Ladevorgang am MAN eTruck demonstriert haben. Dabei flossen bis zu 750 kW, der getestete Lkw lud in 30 Minuten eine zusätzliche Reichweite von 300 bis 400 Kilometer. Im Praxiseinsatz finden sich MCS-Ladesysteme noch nicht, obwohl Lader und Lkw dazu im Großen und Ganzen bereits wären. Der Roll-out hängt noch an einigen Detailfragen und vor allem an der sich weiter hinziehenden finalen Standardisierung durch die CharIN-Organisation.
Das HoLa-Konsortium will davon losgelöst starten. Man versuche, den aktuellen Stand der Normung umzusetzen, teilen die Verantwortlichen mit. „Die Normungsprozesse in den Gremien sind allerdings unabhängig von unserer Arbeit.“ Angesichts der benötigten Vorlaufzeiten bei den Lkw-Herstellern und Hardwareherstellern werden die Projektteilnehmer daher gegebenenfalls auf Basis eines vorläufigen Standes arbeiten – „falls die Normung nicht rechtzeitig finalisiert ist“. Einleuchtend – denn der Projektzeitraum ist begrenzt, das HoLa-Team kann sich also keine ausgiebigen Wartezeiten leisten.
Der Aufbau und Betrieb von Infrastruktur und Fahrzeugen wird bei HoLa unterdessen durch umfangreiche Forschungsaktivitäten begleitet. Ziel ist es auch hier, „die Blaupause für den flächendeckenden bundesweiten Ausbau zu liefern“, wie es Plötz und sein Team ausdrücken. Zur Projekt-Halbzeit in 2023 hatte der Gesamtprojektleiter des Fraunhofer ISI bereits Zwischenergebnisse präsentiert und Handlungsempfehlungen abgeleitet. Entstanden ist eine Liste, die aufzeigt, wo die Industrie, Netzbetreiber und Politik dringend anpacken müssen, um die Vision eines strombetriebenen Güterverkehrs auf der Straße realistisch zu machen.
Die Rolle von MCS im künftigen Verkehrssystem
Dazu folgender Exkurs: Vor dem Hintergrund des gerade in der Logistikbranche herrschenden großen Wettbewerbsdrucks wollen Unternehmen die Stillstandzeiten zum Laden von E-Lkw möglichst klein halten. Für Ladeprozesse genutzt werden soll deshalb (auch) die gesetzlich vorgeschriebene 45-minütige Pause, die jeder Lkw-Fahrer nach viereinhalb Stunden Fahrzeit einlegen muss. Um Akkus mit Kapazitäten von 400 bis 700 Kilowattstunden in einer Dreiviertelstunde vollständig laden zu können, ist eine Ladeleistung von 550 bis 1.000 Kilowatt erforderlich: Der heutige Steckerstandard für Schnelladen – Combined Charging System (CCS) – kann aber nur eine maximale Leistung von 500 kW übertragen. So wurde bereits 2018 mit der Definition eines neuen Hochleistungs-Ladestandards begonnen, dem MCS.
Eine EU-Verordnung legt bereits konkrete Mindestziele hinsichtlich einer öffentlichen Lkw-Ladeinfrastruktur für alle EU-Mitgliedsstaaten fest: So müssen etwa mit Blick auf Deutschland bis 2025 insgesamt 32 Lkw-Ladeorte entstehen, bis 2027 sind es 104 und bis 2030 schließlich 314 Lkw-Ladestandorte. Die damit einhergehende Ladeleistung für Lkw steigt von etwa 66 Megawatt im Jahr 2025 auf 918 Megawatt im Jahr 2030 an. In der EU-Verordnung ist ebenfalls geregelt, dass Schnellladeinfrastruktur für BEV-Lkw alle 60 bis 100 Kilometer entlang der wichtigsten deutschen Autobahnen zur Verfügung stehen muss.
Daraus ergibt sich die Frage nach geeigneten Standorten, ihrer Konzeption und nach der Anzahl an Standorten und Ladepunkten über die vorgegebene Mindestmenge hinaus. Plötz und sein Team haben errechnet, dass ein Startnetzwerk für Deutschland etwa 142 Ladestandorte umfassen sollte. Das zugrundeliegende Szenario sieht dabei vor, dass Lkw im Jahr 2030 in der erwähnten 45-Minuten-Pause nachgeladen und etwa 15 Prozent aller schweren Lkw Batterie-elektrisch betrieben werden – wobei maximal die Hälfte der Ladevorgänge an öffentlicher Ladeinfrastruktur stattfindet.
90 Prozent der fiktiven Lkw-Flotte lässt sich elektrifizieren
Im HoLa-Projekt wurden außerdem Simulationen einer zukünftigen Batterie-Lkw-Flotte auf Basis vorliegender Fahrprofile von 2.400 Diesel-Fahrzeugen absolviert. Dabei zeigte sich, dass sich bei einer Batteriegröße von maximal 700 Kilowattstunden im Jahr 2030 und 900 Kilowattstunden im Jahr 2050 durchgängig deutlich mehr als 90 Prozent dieser fiktiven Lkw-Fahrzeugflotte elektrifizieren ließen und für die Mehrheit der Ladevorgänge eine „Langsam“-Ladeinfrastruktur ausreicht, in der Regel auf privatem Gelände mit maximal 44 Kilowatt. Laden mit mehr als 350 Kilowatt, also voraussichtlich mit dem neuen Megawatt-Ladestandard MCS, dürfte insbesondere für Langstreckenfahrzeuge zum Zwischenladen genutzt werden und findet überwiegend an öffentlichen Ladestationen statt.
Eine gemeinsame Studie des Fraunhofer ISI und von Amazon lieferte in der zweiten Hälfte 2024 noch weitere Erkenntnisse zur benötigten Anzahl und zu passenden Standorten öffentlicher Schnellladestationen für den Langstrecken-Lkw-Verkehr in Europa. Auf Grundlage des berechneten Verkehrsaufkommens für 2030 und 1,6 Millionen Lkw-Fahrtenkombinationen analysiert die Studie mit Hilfe des Open-Source-Tools CHALET von Amazon 20.000 potenzielle Standorte für Lkw-Ladestationen entlang europäischer Autobahnen. „Die Ergebnisse zeigen, dass bereits 1.000 öffentliche Megawatt-Ladestationen ausreichen könnten, um 91 Prozent des erwarteten Langstreckenverkehrs von E-Lkw abzudecken“, so die Analysten.
Zusätzlich hat HoLa umfassende Untersuchungen zur Akzeptanz von HPC-Ladeparks absolviert, die Einblicke in die Anforderungen und Erwartungen von Speditionen und Fahrern liefern. Außerdem Simulationen von Ladestandorten, die zeigen, wie diese optimal in bestehende Verkehrsnetze integriert werden können. Die beteiligten Unternehmen forcieren ferner separate Forschungs- und Vorbereitungsarbeiten: von der Implementierung von Standards, über die Interoperabilität der Systeme mit den Fahrzeugen bis hin zur Zertifizierung der Ladeinfrastruktur-Komponenten.
So viel zu den aktuellen Forschungsstand. Im weiteren Verlauf von „HoLa“ erfolgt nun die reale Nutzung der Projekt-Ladepunkte im Betrieb – einschließlich der weiteren Begleitforschung und Umfeldanalyse. Das Projektende war bis dato für September 2025 vorgesehen, angesichts der vorausgegangenen Verzögerungen ist aber geplant, HoLa bis in das Jahr 2026 zu verlängern. Koordiniert wird das Großvorhaben vom Fraunhofer ISI, wobei Gesamtprojektleiter Plötz an dem Institut die Funktion als Leiter des Geschäftsfelds Energiewirtschaft innehat.
An HoLa sind insgesamt 13 Konsortial- und zehn assoziierte Partner aus Industrie und Forschung beteiligt – darunter die Lkw-Hersteller Daimler Truck, MAN, Scania, Traton und Volvo sowie die Ladeinfrastruktur-OEMs Heliox, ABB und SBRS. Eine vollständige Liste aller Partner gibt es hier. Gefördert wird „HoLa“ vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr mit 12 Millionen Euro.
Quelle: Infos per E-Mail
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