Insolvenz: Canoo stellt Betrieb ein und wird liquidiert

Der US-amerikanische Elektroauto-Hersteller Canoo hat Insolvenz nach Chapter 7 beantragt und stellt seinen Betrieb mit sofortiger Wirkung ein. Ein Konkursverwalter wird nun die Liquidierung des Unternehmens vornehmen. Canoo war 2019 aus dem kalifornische eMobility-Startup Evelozcity entstanden.

Der E-Auto-Hersteller gibt in einer eigenen Mitteilung an, einen Antrag auf Insolvenz gemäß Chapter 7 des US-Konkursgesetzes in Delaware gestellt zu haben. Ausschlagend war, dass Canoo eine bedingte Darlehenszusage des US-Energieministeriums nicht in ein finales Darlehen ummünzen konnte. Daraufhin eingeleitete Gespräche mit ausländischen Kapitalgebern blieben nach Unternehmensangaben erfolglos, sodass „der Vorstand die schwierige Entscheidung getroffen hat, einen Insolvenzantrag zu stellen“.

Tony Aquila, der in der Canoo-Mitteilung nicht nur als Chairman und CEO, sondern auch als einer der größten Investoren des Unternehmens bezeichnet wird, kommentiert die Geschäftsaufgabe wie folgt: „Wir möchten den Mitarbeitern des Unternehmens für ihr Engagement und ihre harte Arbeit danken. Wir wissen, dass Sie ebenso wie wir an unser Unternehmen geglaubt haben. Wir sind wirklich enttäuscht, dass die Dinge so gekommen sind, wie sie gekommen sind. Wir möchten auch der NASA, dem Verteidigungsministerium, dem United States Postal Service (USPS“), dem Staat Oklahoma und Walmart für ihren Glauben an unsere Produkte und unser Unternehmen danken. Das bedeutet allen im Unternehmen sehr viel.“

Um die Konkursmasse zu schonen, wird Canoo seinen Betrieb mit sofortiger Wirkung einstellen. Parallel übernimmt ein gerichtlich bestellter Treuhänder, um die Liquidation der Vermögenswerte zu verwalten. Hoffnung auf einen Neustart gibt es nicht. In Chapter 7 des US-Konkursrechts geht es tatsächlich um die vollständige Auflösung des Schuldnervermögens. Demgegenüber regelt das Chapter 11 die Reorganisation bzw. Sanierung per Insolvenz. So aktuell zu erleben bei Batteriezellhersteller Northvolt.

Im Zentrum von Canoos Geschäft stand das Lifestyle Vehicle (LV) und dessen Cargo-Variante Lifestyle Delivery Vehicle (LDV). Dieses Duo baute der Hersteller in einem Ende 2022 erworbenen Werk im US-Bundesstaat Oklahoma. Noch Anfang 2024 standen die Zeichen auf Expansion: Canoo übernahm wesentliche Teile der Produktionsausrüstung des insolventen britischen Elektrofahrzeug-Entwicklers Arrival. Diese solle in mehr als 20 Containern gesammelt und auf dem Seeweg zu Canoos Produktionsstätten in Oklahoma verschifft werden.

Seine Wurzeln hat das Unternehmen in Evelozcity, einem 2017 gegründeten Startup unter der Führung der deutschen Automanager Ulrich Kranz, Stefan Krause und Karl-Thomas Neumann. 2019 erfolgte dann die Umbenennung in Canoo – und kurz darauf eine Neuausrichtung, die eng mit dem Namen Tony Aquila verknüpft ist.

Aquila wurde 2020 als Investor und Executive Chairman zu Canoo geholt, um in dieser Management-Position zunächst den SPAC-Börsengang des Unternehmens zu begleiten. Als im April 2021 Canoo-Mitbegründer Ulrich Kranz Canoo verließ, wurde Aquila neuer CEO – und richtete das Unternehmen neu aus. Statt des ursprünglich geplanten Vertriebs per Abo-Modell wollte Aquila die Fahrzeuge verkaufen. Und das Vorhaben der Gründer, die Skateboard-Plattform anderen Autobauern anzubieten, verwarf er später ebenfalls.

Canoo dachte von Beginn an groß. So wollte das Unternehmen schnell aus den USA herauswachsen. Pläne für eine Europa-Fertigung bei VDL NedCar platzten jedoch. In den USA zog Canoo aber durchaus große Kunden an Land. Im Januar 2024 kam etwa ein Auftrag der US-amerikanischen Post (USPS) herein. Zuvor setzte es bereits Verträge über teils vierstellige Abnahmemengen mit Fahrzeugvermieter Kingbee, Flottenleasinganbieter Zeeba oder Walmart. Zum Stand der Auftragsabwicklungen ist nichts bekannt.

Klar ist hingegen, dass Canoo schon häufiger mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen hatte. Im Mai 2022 meldete das Unternehmen der Börsenaufsicht SEC in einer Pflichtmitteilung, „in existenzbedrohenden finanziellen Schwierigkeiten“ zu sein. Das Unternehmen warnte in seinem Quartalsbericht konkret, „dass erhebliche Zweifel an der Fähigkeit des Unternehmens bestehen, seinen Geschäftsbetrieb fortzusetzen“. In diesem Zuge kamen seinerzeit auch Gerüchte auf, wonach Canoo ein Übernahmekandidat sein könnte.

Die Verhandlungsposition des finanziell angeschlagenen Startups war seitdem zweifellos schwach. Davon zeugte etwa die Tatsache, dass Canoo für den Walmart-Großauftrag einige Kröten schlucken musste. So sicherte sich Walmart die Option, in Zukunft bis zu ein Viertel von Canoo zu übernehmen, zudem durfte Canoo für die Dauer des Deals keine Fahrzeuge an Amazon verkaufen.

Ein Tiefschlag folgte zudem mit einer von der US-Börsenaufsicht 2023 ausgesprochenen Strafe gegen Canoo in Höhe von 1,5 Millionen US-Dollar (1,37 Millionen Euro). Die Maßnahme ergriff die SEC, weil das Unternehmen Anleger rund um den Börsengang getäuscht hatte. Dies hatte auch persönliche Folgen für den damaligen CEO Ulrich Kranz. Konkret sah es die SEC nach ihren eigenen Ermittlungen als erwiesen an, dass Canoo die Anleger mit unrealistischen Umsatzprognosen in Höhe von Hunderten Millionen Dollar getäuscht haben soll, bevor es im Jahr 2020 im Rahmen einer Fusion mit einer Zweckgesellschaft an die Börse ging.

investors.canoo.com

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