electrive LIVE: Ausblick Elektromobilität 2025

Nach einem eher schwierigen Jahr 2024 ist jetzt bei der Elektromobilität in Deutschland wieder Zuversicht angesagt – dafür werden alleine die CO2-Flottengrenzwerte sorgen. Doch was bringt die anstehende Bundestagswahl für Autofahrer und Industrie? Welche neue Förderung ist wirklich realistisch und angebracht? Mit electrive LIVE haben wir zum Jahresauftakt die Perspektiven mit Politik, Verbänden und Experten diskutiert. Hier ist der Konferenzbericht!

Bild: electrive

Die erste Ausgabe unserer Online-Konferenz electrive LIVE im neuen Jahr steht traditionell unter dem Motto „Quo vadis Elektromobilität“. Selten war der Zeitpunkt aber so wichtig wie 2025, denn in vier Wochen wird ein neuer Bundestag gewählt! Wie sehr die Bundespolitik den E-Auto-Absatz in Deutschland beeinflussen kann, haben wir schon oft gesehen – man denke nur an die Monats-Peaks in den Zulassungszahlen, wenn eine Änderung beim Umweltbonus anstand. Oder eben an die ausgeprägte Delle zu Beginn des vergangenen Jahres, nachdem der Umweltbonus abrupt gestoppt wurde.

Dass es 2025 wieder nach oben gehen wird, gilt als gesetzt. Alleine, um die EU-weiten CO2-Flottengrenzwerte einzuhalten, ist ein höherer E-Auto-Anteil als jene 13,5 Prozent nötig, die laut den KBA-Zahlen 2024 im Schnitt erreicht wurden. So geht etwa der VDA für das laufende Jahr von 666.000 neuen E-Autos in Deutschland aus, um ganze 23,8 Prozent Marktanteil zu erreichen. Zu den etwa 380.000 E-Autos des Vorjahres wäre das eine satte Steigerung um 75 Prozent.

Doch noch ist das nur eine Prognose. Wir wollten bei electrive LIVE vor rund 700 digitalen Gästen bestimmen, wo die Elektromobilität und ihr Hochlauf stehen – und was für den weiteren Jahresverlauf nach der Bundestagswahl zu erwarten ist.

Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, wird es immer teurer

Ebenso traditionell wie unser politischer Jahresauftakt ist der erste Speaker, den Moderator und electrive-Chefredakteur Peter Schwierz auf die digitale Bühne holt: Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende, ist in der Politik in Berlin und Brüssel bestens vernetzt und liefert seine Einschätzung der Marktlage: „Es muss ein Jahr sein, dass der Elektromobilität zu mehr Fortschritt verhilft – und vor allem auch der deutschen Industrie zu mehr Wettbewerbsfähigkeit“, so Hochfeld. Daher müsse es anders laufen als 2024, als zwar die vorhandenen Ziele bekräftigt, aber nicht mit den dafür nötigen Maßnahmen hinterlegt wurden.

Sein Credo: Investitionen in den Klimaschutz als Maßnahmen zur Vermeidung der negativen Folgen sind gesamtgesellschaftlich deutlich günstiger als die erwarteten Kosten der Klimawandel-bedingten Naturkatastrophen und Auswirkungen. Wir sollten nicht mehr diskutieren, ob 2035 jetzt das richtige Datum für den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor ist oder nicht. Wir sollten stattdessen lieber schauen, dass „der Elektroauto-Marktanteil zügig von 15 auf 50 Prozent steigt und die politischen Maßnahmen dafür treffen“, so Hochfeld. „Wenn wir frühzeitig – also 2025 – damit anfangen würden, würden wir sogar weniger Geld benötigen, um die Klimaziele 2045 zu erreichen. Spätere Entscheidungen führen nur dazu, dass wir deutlich höhere Emissionen und höhere Kosten haben, um im Verkehr die Klimaschutzziele zu erreichen.“

Um das in Zahlen zu verdeutlichen: Ab sofort müssten alleine in Deutschland 6.000 neue Elektroautos zugelassen werden – und das jeden einzelnen Tag. Mit den 380.609 neuen E-Autos in 2024 lagen wir nur bei etwas über 1.000 Autos pro Tag. Mit diesem Tempo entfernen wir uns immer weiter von den Zielen für Klimaschutz im Verkehr. Agora Verkehrswende schätzt, dass die CO2-Äquivalente im Sektor dieses Jahr um satte 19 Millionen Tonnen verfehlt wird. 2023 waren es 12,8 Millionen Tonnen, für 2024 liegen noch keine Zahlen vor.

Die 15 Millionen rein elektrischen Autos, die im Koalitionsvertrag der Ampelregierung als Ziel für 2030 festgeschrieben waren, sind laut Hochfeld „schon heute außer Reichweite“. Strengt sich Deutschland an und beschließt schnell entsprechende (Förder-)Maßnahmen, könnten es sogar noch 12,6 Millionen E-Autos werden. Auch hier eine Verdeutlichung: 2029 müssten dann 60 Prozent aller Neuzulassungen in Deutschland Batterie-elektrische Autos sein, 2030 sogar 83 Prozent. „Tun wir nichts mehr, werden wir 2030 bestenfalls bei neun Millionen E-Autos im Bestand landen, eher acht Millionen“, so Hochfeld.

Was also tun? Agora Verkehrswende führt hier drei Punkte an: Der erste ist der wohl offensichtlichste – eine neue Kaufprämie. Diese müsse aber anders ausgestaltet werden als der Umweltbonus, denn der Hochlauf der Elektromobilität habe auch eine wichtige, soziale Komponente, so Hochfeld. Ganz konkret wird er in seiner Forderung zwar nicht, das Rechenbeispiel ist aber deutlich: Bei größeren Fahrzeugen – konkret wurden ein VW Passat Variant mit Zwei-Liter-Diesel und Allradantreib mit einem ID.7 Pro verglichen – ist das Elektroauto bei den Gesamtkosten (Total Cost of Ownership, kurz TCO) bereits heute 12,7 Prozent günstiger. Bei kleineren Autos hat das Elektroauto aber 12,1 Prozent höhere TCO – genau genommen ein Opel Corsa Electric gegenüber dem konventionellen Modell mit 1,2-Liter-Benziner. Kommt aber hier eine Kaufprämie von 6.000 Euro in die Kalkulation, ist das E-Auto 4,6 Prozent günstiger. Sprich: Bei kleineren Autos brauche es noch eine staatliche Anschubfinanzierung, in der Mittelklasse aber nicht mehr. Und genau dort hat – auch mangels attraktiven Modellen in den unteren Segmenten – der alte Umweltbonus besonders gewirkt.

Bringt das Durchleitungsmodell mehr Wettbewerb an die Ladesäulen?

Der nächste Punkt ist – ebenfalls naheliegend – die Ladeinfrastruktur. Hier meint Hochfeld aber nicht die Anzahl und Verfügbarkeit der Ladepunkte, denn dort sei der Rollout der Ladebranche dem Fahrzeug-Hochlauf voraus. Er spielt vielmehr auf die häufig kritisierten Preise an den Ladesäulen an. „Es kann nicht sein, dass Sie, wenn Sie auf öffentliche Ladepunkte angewiesen sind, teurer unterwegs sind also mit einem Benziner“, so der Direktor des Thinktanks. „Da verspreche ich mir viel von dem im Lkw-Bereich diskutierten Durchleitungsmodell. So können Sie durch mehr Wettbewerb an der Ladesäule günstiger laden.“

Beim dritten Punkt spricht Hochfeld die geopolitische Lage an, in der Elektromobilität meint das natürlich vor allem China. Zum einen hält Hochfeld die Elektroautos aus China für essenziell, damit Europa seine Klima-Ziele erreichen könne. Und zum anderen verweist er auf die Tatsache, dass schon heute ohnehin kein Weg an chinesischen Partnern in der Lieferkette vorbeiführe. Daher schlägt er ein Modell vor, die chinesischen Unternehmen gezielt nach Europa zu holen und einzubinden: „Wenn wir das, was wir über 40 Jahre in China geübt haben, nämlich Joint Ventures zum Vorteil beider Partner zu gründen, hier machen, können wir durch die Lokalisierung chinesischer Hersteller in der EU die Wertschöpfung für Deutschland deutlich steigern.“ Die Kooperation mit chinesischen Herstellern könne auch in Europa zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit führen, glaubt Hochfeld.

In Zukunft gehe Wettbewerbsfähigkeit ohnehin nur mit attraktiven Elektroautos. Dass es bald noch große Verbrenner-Absatzmärkte gibt, glaubt Hochfeld nicht und verweist dabei auf Afrika: Der Kontinent gilt aus Gründen nicht als Vorreiter für Elektromobilität. Aber selbst dort haben bereits viele Regierungen E-Ziele beschlossen, bis hin zum kompletten Verzicht auf neue Verbrenner ab 2035.

BDEW fordert mehr E-Autos und nicht mehr Ladesäulen

Auch die zweite Speakerin der Konferenz ist nicht zum ersten Mal bei electrive LIVE dabei: Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des BDEW und damit Vertreterin der Energiewirtschaft, beginnt ihren Impuls mit einer deutlichen Forderung an die nächste Regierung: „Wenn wir die Elektromobilität fördern wollen, müssen wir nicht nur Autobauer und Gewerkschaften an einen Tisch holen, sondern auch die Energiewirtschaft und bei E-Lkw auch die Logistiker“, sagt Andreae. „Denn es geht nicht nur um ein Fahrzeug mit einem anderen Antrieb, sondern ein anderes System dahinter!“

Dass sich der BDEW für die freie Marktwirtschaft einsetzt und staatliche Förderprogramme mit restriktiven Vorgaben kritisch sieht, ist in der Branche bekannt. In seinem Elektromobilitätsmonitor gibt der Verband regelmäßig Updates zum Ladeausbau und hält darin fest, wie der Ladesäulen-Bestand jenem bei den Fahrzeugen vorausläuft. Daraus ist auch bekannt, dass die Auslastung der vorhandenen Ladepunkte im Schnitt nur bei 15 Prozent liegt. „Das bedeutet, dass es schwierig ist, die Forderung in den Raum zu stellen, wir bräuchten mehr Ladesäulen und diese müssten günstiger sein – es lässt sich derzeit damit kein Geld verdienen“, so Andreae. Die Henne-Ei-Frage – von vielen in der Branche schon ad acta gelegt – sei nach wie vor wichtig, weil man mehr Autos brauche.

Positive Kommunikation muss her

„Wir wollen gar keine Förderung für den Ausbau – auch wenn es wieder in den Wahlprogrammen der Parteien stehen wird. Das Geld kann sich der Staat sparen!“ So klar und deutlich sagt es die BDEW-Hauptgeschäftsführerin bei electrive LIVE. „Was wir wollen, sind einfachere Genehmigungsverfahren und vor allem Flächen. Dann werden die Unternehmen weiter – wenn der Markt anzieht – Ladeinfrastruktur bauen.“ Und das sei nicht ihre persönliche Meinung, sondern von den Mitgliedsunternehmen in den Gremien erarbeitet.

Wenn nicht die Ladesäulen, dann also die Autos fördern? Bei einer Kaufprämie ist Andreae eher vorsichtig, „weil Kunden dann womöglich auf Kaufprämien warten“. Viel wichtiger sei eine positive Kommunikation rund um die Elektromobilität. „Wenn wir ein Produkt bewerben wollen, aber nur immer darüber sprechen, was nicht klappt, dann kann das nicht funktionieren – das ist Betriebswirtschaftslehre, 1. Semester“, sagt Andreae. Sie verweist auf eine Umfrage des Verbandes, für die Menschen vor und ein bis zwei Jahre nach dem Kauf eines Elektroautos befragt wurden. In der ersten Runde waren der Preis, die Reichweite und die Verfügbarkeit eines Ladepunkts die größten Sorgen. Nach ein oder zwei Jahren im Elektroauto sei nur noch die Sorge des Fahrzeugpreises geblieben – ob man sich das nächste Elektroauto leisten könne. „ 97 Prozent würden sich wieder ein E-Auto kaufen“, sagt die Verbands-Geschäftsführerin. „Egal, mit wem ich rede, es ist toll, ein E-Auto zu fahren. Es gibt also auch positive Geschichten, die man erzählen kann.“ Man müsse es nur tun.

„Nichts ist schlimmer als das Gerede über Technologieoffenheit“

Der dritte Speaker bei der insgesamt 43. Ausgabe von electrive LIVE war hingegen zum ersten Mal dabei und hat auch eine Perspektive auf die Branche, die bei electrive oft etwas zu kurz kommt. Stefan Heimlich ist Vorsitzender des Auto Club Europa (ACE) und damit sehr nah an den Autofahrerinnen und Autofahrern – also seinen Klubmitgliedern. Da ein Auto, egal ob neu oder gebraucht, für die meisten Haushalte eine wichtige und hohe Investition ist, fordert Heimlich vor allem eines: Planungssicherheit. „Wir brauchen Sicherheit für die Verbraucherinnen und Verbraucher, dass sie damit rechnen können, welcher Pfad eingeschlagen wird“, so der Vorsitzende des zweitgrößten deutschen Autoklubs. „Nichts ist schlimmer als Unsicherheit und das Gerede über Technologieoffenheit. Das war vor fünf oder sechs Jahren der Fall, inzwischen hat die Industrie aber die Entscheidung pro Batterieauto getroffen.“

In politische Maßnahmen übertragen, ergeben sich laut Heimlich drei wichtige Punkte: Der Start des auf EU-Ebene beschlossenen Emessionshandelssystem ETS-II ab 2027 müsse beibehalten werden. Damit sollen Emissionen aus dem Verkehrs- und Gebäudebereich bepreist werden, womit fossile Energieträger spürbar teurer werden. Zudem dürften die strengeren CO2-Flottengrenzwerte nicht verändert werden (was mit Blick auf mögliche Millionen-Strafzahlungen der Hersteller ab 2025 bereits gefordert wurde) und die nächste Bundesregierung müsse ein Klimageld einführen. Das könne in Summe eine Verhaltensveränderung bei den Menschen erreichen, so Heimlich. Die Botschaft: Das E-Auto ist nicht nur gut fürs Klima, sondern auch fürs eigene Portemonnaie.

Doch damit das E-Auto den eigenen Geldbeutel überhaupt erst schonen kann, muss die Hürde des Anschaffungspreises aus dem Weg geräumt werden. Für Privatkunden schwebt dem ACE-Vorsitzenden eine „soziale Kaufprämie“ vor: nur für Einkommen bis 60.000 Euro und Fahrzeuge bis 45.000 Euro, das aber für Neu- und Gebrauchtwagen gleichermaßen. Bei gewerblichen Kunden sollen Sonderabschreibungen möglich sein, um auch dort den Umstieg auf E-Autos zu unterstützen. Wer dennoch weiter Verbrenner kauft, soll bei der Erstzulassung eine CO2-Abgabe leisten müssen. Außerdem setzt sich Heimlich für eine stufenweise Abschaffung des Dieselprivilegs bis zum Ende des Jahrzehnts und eine Reform der Dienstwagenbesteuerung ein – für Verbrenner und Plug-in-Hybride fordert er künftig zwei Prozent Versteuerung und nicht ein Prozent wie derzeit. An den 0,25 Prozent für E-Autos bis 70.000 Euro will er nicht rütteln.

In der anschließenden Panel-Diskussion bei electrive LIVE haben wir noch Isabel Cademartori, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, und Anjes Tjarks (Die Grünen), Senator für Verkehr und Mobilitätswende in Hamburg, dazugeschaltet – Vertreterinnen und Vertreter anderer Parteien waren zwar angefragt, konnten aber aus terminlichen Gründen nicht teilnehmen.

An dem Wandel hin zur Elektromobilität zweifelt keiner der beiden Partei-Vertreter: „Die Elektromobilität wird die Zukunft der Autoindustrie sein. Daher versuchen wir, unsere Maßnahmen darauf auszurichten, der Technologie zum Durchbruch zu verhelfen“, sagt SPD-Politikerin Cademartori. Und Tjarks ergänzt: „Das Rennen ist gelaufen, im Pkw-Bereich, aber auch im Bus-Bereich.“ Der Hamburger Mobilitäts-Senator macht zugleich auch deutlich, dass Verkehrspolitik auch Industriepolitik ist: „Wir sind Großkunde bei Daimler Buses. Die Elektrobusse werden auch in Deutschland gebaut. Wenn wir die nicht mehr kaufen würden, hätten wir auch industriell ein Problem.“

Doch wie genau wollen SPD und Grüne – also die beiden verbliebenen Regierungspartner der zerbrochenen Ampel-Koalition – die Elektromobilität nach der Bundestagswahl konkret fördern? „Am meisten schadet, über eine Kaufprämie zu reden und sie dann nicht zu bringen“, warnt Isabel Cademartori im Paneltalk. „Da diskutiere ich auch oft mit unseren Ministerpräsidenten, die das gerne fordern – aber natürlich aus Bundes- und nicht aus Landesmitteln. Da müssen wir aufpassen, welche Signalwirkung wir setzen.“

Kaufprämie hat Vor- und Nachteile

Grünen-Politiker Tjarks spricht von einem „Mix an Maßnahmen“, schließt eine Förderung aber nicht gänzlich aus. „Der soziale Aspekt spielt eine relevante Rolle, denn es müssen sich alle Leute mitgenommen fühlen. Und da können wir über eine Förderung sprechen“, so der Senator. Er fordert aber auch ausdrücklich, dass die Industrie „günstiger produzieren“ müsse – bei den Hamburger Elektrobussen bekommt er das im Detail mit, aber auch bei den Autos sind die deutschen Hersteller in aller Regel noch von einer Preisparität entfernt. „Das Thema müssen wir uns gemeinsam mit der Industrie anschauen. Das kann nicht alleine über eine Kaufprämie geschehen – die hat ihre Wirkung, aber auch Nachteile“, so Tjarks. „Dabei kann es auch um TCO gehen, denn auch Privatkunden sind nicht dumm. Das muss aber kommuniziert werden, dass es viel günstiger ist, ein Elektroauto zu fahren. Und wir müssen die Industrie dazu bringen, Fahrzeuge zu bauen, die wirklich gefragt sind.“

Isabel Cademartori wiederholt auch den von Bundeskanzler Olaf Scholz geäußerten Plan, eine Förderung „in Form eines temporären Steuerabzugs umzusetzen, den man für den Kauf eines deutschen Elektroautos bekommt“. Sie sieht aber auch die Herausforderung, „dass bei den preisgünstigen Elektroautos derzeit kaum ein deutscher Hersteller profitieren würde“ – wenn man auch die wirtschaftspolitische Komponente der Elektromobilität betrachtet.

„Ich glaube, dass wir um eine Fahrzeugförderung nicht mehr herumkommen – egal ob als Kaufprämie oder über die Steuern“, sagt Christian Hochfeld in der Diskussionsrunde schließlich. „Sie muss einfach sein und schnell wirken, zumindest in den kommenden Jahren“. Als Beispiel führt Hochfeld erneut China an, wo lange und stark gefördert wurde – und jetzt ein „natürlicher Markt“ entstanden sei: „Die Kunden entscheiden sich von sich aus für ein Elektroauto.“

„Dass wir das Elektroauto beim Kauf im Vergleich zum Verbrenner attraktiv machen müssen, ist unstrittig“, sagt auch BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. Sie spricht sich für Förder-Maßnahmen aus, „die einen nachhaltigen Effekt haben“. Da sie auch hinterher schiebt, dass wir mit dem Umweltbonus keine guten Erfahrungen gemacht hätten, scheint sie eher pro steuerliche Förderung zu tendieren – oder eine deutlich differenziertere Ausgestaltung einer Kaufprämie.

Auf die Frage von Moderator Schwierz, ob Kundinnen und Kunden mit der Anschaffung eines Elektroautos wegen des unklaren Wahlausgangs und möglicher Förderungen warten, nickt der ACE-Vorsitzende Stefan Heimlich zustimmend und fordert nach dem vorzeitigen Umweltbonus-Ende im Dezember 2023 schnelle Lösungen. „Wir haben gut anderthalb Jahre Zeit verloren. Wir brauchen für dieses und nächstes Jahr und vielleicht das erste Halbjahr 2027 Kaufanreize für günstige Elektroautos und Gebrauchte“, grenzt Heimlich seine vorige Forderung nach einer „sozialen Kaufprämie“ zeitlich etwas ein, betont aber deren Vorteile: „Ich will keine Mitnahmeeffekte haben, dass sich der Chefarzt das leisten kann und die Krankenschwester nicht.“

Und was ist mit einer Ladesäulen-Förderung? Der BDEW spricht sich zwar dagegen aus, in einer Umfrage unter den Teilnehmenden von electrive LIVE sprach sich die Mehrheit aber für weitere Lade-Förderung aus – wobei es deutlich mehr Stimmen für eine gezielte Förderung („weiße Flecken“ oder E-Lkw) als für das Prinzip Gießkanne gab. Agora-Direktor Hochfeld sieht es noch etwas differenzierter: „Es geht nicht nur um Finanzierung und Quantität der Ladesäulen. Es geht auch um Themen wie Zugänglichkeit und Wettbewerb“, so der Experte. „Das haben wir uns regulatorisch leider etwas verbaut in der EU. Denn mit mehr Wettbewerb wäre es einfacher, den Leuten klar zu machen, dass sie in Zukunft einfacher und günstiger elektrisch unterwegs sind als mit einem Verbrenner.“

Einfamilienhaus in Hamburg ohne Baugenehmigung – aber nicht der Ladesäulen-Trafo

Eine „große“ Ladesäulen-Förderung hält Anjes Tjarks aus Hamburg dagegen nicht mehr für nötig. „Wir müssen am Anfang die Dynamik staatlich durchbrechen. Zumindest in Hamburg sind wir darüber hinweg. Denn Tanken an der Tankstelle ist ja auch keine staatliche Aufgabe“, sagt der Grünen-Politiker und ergänzt mit Blick auf die Hansestadt: „Für eine Stadt ist wichtig, dass der Straßenrand nicht zur Tankstelle wird. Deshalb müssen wir auch die Ladeinfrastruktur auf spezielle Standorte fokussieren.“

Er will hingegen einer anderen Forderung des BDEW entsprechen, um den Ausbau einfacher zu machen: „Der Handlungsauftrag als Stadt ist in meinen Augen der Bürokratie-Abbau. Ein Trafo für eine Schnellladestation hat meist zwölf Quadratmeter Grundfläche. Derzeit ist ein Trafo aber nur bis zehn Quadratmeter Baugenehmigungs-frei. In Hamburg kann man inzwischen Einfamilienhäuser ohne Genehmigung bauen. Da müssen wir also dran, dass das auch bei Trafos geht.“

Doch geht es nur mit Anreizen für die Elektromobilität? Oder muss die für viele vertraute und etablierte Welt des Verbrenner-Autos nicht gleichzeitig (finanziell) unattraktiver werden? „Das ist keine Frage Entweder-Oder, sondern ein Sowohl-als-auch – aber mit dem nötigen Fingerspitzengefühl“, antwortet Hochfeld. „Wenn wir uns anschauen, wo der Hochlauf der Elektromobilität in Europa erfolgreich ist, dann sind das Märkte, in denen es nicht nur Erleichterungen beim Kauf gibt, sondern auch die Perspektive, dass Verbrenner teurer werden.“ Als Beispiel blickt er nach Belgien, wo Flottenkunden die Verbrennerfahrzeuge steuerlich nicht mehr absetzen können, Elektroautos aber schon. Das Ergebnis: Statt zehn Prozent E-Auto-Anteil in gewerblichen Flotten ist dieser Wert in Belgien in die Größenordnung von 60 bis 70 Prozent hochgeschnellt. 2023 haben sich die E-Auto-Neuzulassungen in Belgien mehr als verdoppelt, 2024 waren es noch über 36 Prozent Zuwachs – im vergangenen Jahr kamen in Belgien sogar mehr neue E-Autos auf die Straße als im viel beachteten Vorzeigeland Norwegen.

Wackeln die Flottengrenzwerte?

Ein solches Push-and-Pull-System, das Anreize setzt und klimaschädliche Lösungen unattraktiver macht, könnte sich auch die SPD-Verkehrsexpertin Cademartori bei der Dienstwagenbesteuerung vorstellen. Diese würde sie gerne reformieren, wenn auch nicht so radikal wie Stefan Heimlich mit seiner Forderung nach zwei Prozent für Plug-in-Hybride und Verbrenner. Sie würde gerne mit einem CO2-Aufschlag für Verbrenner „eine Art Bonus-Malus-System“ einführen, aber bei den Dienstwagen eben nur für gewerbliche Fahrzeuge. „Beim Privatkunden bin ich zurückhaltend, weil das Leben in Deutschland in den vergangenen Jahren teuer genug geworden ist“, so Cademartori.

Ein wichtiger Hebel für den Elektroauto-Absatz werden in diesem und den kommenden Jahren die eingangs schon erwähnten CO2-Flottengrenzwerte. Cademartori gibt an, sich für deren Erhalt einzusetzen bzw. das im Europa-Wahlkampf bereits gemacht zu haben. Sie spricht aber von sich aus an, dass das in der SPD nicht alle so sehen: „Ich will nicht verhehlen, dass sich auch bei uns die Position festigt, dass in der aktuellen Situation bei VW Millionenstrafen falsch sind, wenn man das Geld stattdessen in die Zukunft investieren könnte. Wir müssen mit der EU diskutieren, dass diese Zahlungen nicht nur die Strafwirkung entfalten, sondern in die Zukunft der Autoindustrie reinvestiert werden.“

Christian Hochfeld spricht sich klar gegen eine Änderung der seit Jahren bekannten Grenzwerte aus. „Während des Fußballspiels die Regeln zu ändern, führt nicht dazu, dass jemand anderes gewinnt, sondern nur zu Chaos auf dem Platz“, so der Agora-Direktor. „Was sagen Sie jemandem bei Opel, die voll auf E-Mobilität gesetzt und sogar ein Werk zugemacht haben, wenn VW jetzt damit durchkommt, weil man kurz vor Schluss die Regeln ändert? Das kann nicht sein!“

Wer wird der nächste Verkehrsminister?

Bleibt mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl eine große Frage offen: Wer wird der nächste Bundesverkehrsminister? 2021 war Volker Wissing eine große Überraschung – und auch, dass die Grünen in den Koalitionsverhandlungen das Ressort überhaupt der FDP überlassen haben. An einer Regierungsbeteiligung der Union gibt es gemäß der aktuellen Umfragewerte wenig Zweifel – und in den Merkel-Jahren hatte stets ein CSU-Politiker das Verkehrsministerium geführt.

„Als Verkehrspolitikerin strebe ich unbedingt an, in diesem Bereich Verantwortung zu übernehmen!“, antwortet Isabel Cademartori. Für den Fall von Schwarz-Rot sagt sie: „Es gibt viele, die dafür werben, dieses wichtige Ressort nicht automatisch dem Koalitionspartner zu überlassen.“

Anjes Tjarks persönlich hat zwar keine Ambitionen für einen Wechsel nach Berlin und will in seiner Heimatstadt Hamburg bleiben. Aber: „Als Verkehrspolitiker würde ich immer raten, das Verkehrsministerium anzustreben. Die Elektromobilität wird aber nicht nur im Verkehrsministerium entschieden“, so Tjarks. Er deutet an, dass die Grünen im Falle einer Regierungsbeteiligung genau abwägen werden, welche Ministerien attraktiv und wichtig sind. Denn im Verkehrsministerium wird beispielsweise auch über den Zustand der Bahn entschieden, wo Tjakrs angesichts des Zustands und der nötigen Investitionen enorme Aufgaben sieht. „Als Verkehrsminister hat man auch nur vier Jahre Zeit, Maßnahmen zu treffen und Erfolge vorzuweisen – egal unter welcher Farbe.“

Auch Christian Hochfeld rät, sich nicht unbedingt am Verkehrsministerium festzubeißen: „Schielen Sie auf das Finanzministerium, schielen Sie auf das Wirtschaftsministerium. Da könnten Sie für die Rahmenbedingungen der Elektromobilität mehr herausholen als im Verkehrsministerium. Wir brauchen ein Gemeinschaftswerk in Kooperation der Ministerien, um die Verkehrswende und Elektromobilität voranzubringen.“

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