Ladekabel-Diebstähle häufen sich – wie die CPOs reagieren
Auch wenn das Urteil des Amtsgerichts Leipzig gegen Dennis K. noch nicht rechtskräftig ist, da der Anwalt des Angeklagten Rechtsmittel eingelegt hat: Der Fall illustriert gut, wieso Elektroautofahrer und Ladepunktbetreiber unter dieser Art von Diebstählen leiden. In Leipzig und Umgebung kam es im Frühjahr und Sommer 2024 zu über 40 angezeigten Straftaten im Zusammenhang mit der Entwendung von Ladekabeln. Betroffen waren unter anderem ein brandneuer Supercharger-Ladepark von Tesla sowie Ladeparks anderer Betreiber wie zum Beispiel Allego, EWE Go oder Pfalzwerke.
Bei diesen Diebstählen wurden üblicherweise die fest an Schnellladern angebrachten CCS-Kabel einfach abgeschnitten oder abgesägt – mutmaßlich, um anschließend das darin enthaltene Kupfer zu verkaufen. Laut Schätzungen dürften die Diebe beim Verkauf etwa 50 Euro pro Kabel erhalten, die Preise können aber je nach Kupfergehalt und Länge der Kabel variieren. Dabei liegt der entstandene Schaden beziehungsweise die Instandsetzungskosten um ein Vielfaches höher – je nach Konstellation betragen diese bis zu 7.000 Euro. Und was Betreiber wie Elektroautofahrer frustriert: Bis die Reparatur erfolgt ist, vergehen meist mehrere Wochen – solange ist die Ladesäule nicht nutzbar. Bedeutet zugleich: Der E-Fahrer muss sich eine andere Ladesäule suchen und der Betreiber erleidet einen hohen Umsatzverlust.
E-Auto-Fahrer legten sich nachts auf die Lauer
Als sich die Diebstähle von Ladekabeln im Sommer 2024 in Leipzig häuften, legten sich sogar mehrere Elektroautofahrer nachts auf die Lauer, um die Kabeldiebe möglichst auf frischer Tat zu schnappen. Dies gelang ihnen zwar nicht direkt, doch die Leipziger Polizei konnte Ende Juli 2024 die Diebstahlserie stoppen. Nachdem Unbekannte die Ladekabel von zwei Ladesäulen durchtrennt und entwendet hatten, konnte die Polizei mithilfe des geschädigten Unternehmens eine Gartenlaube in einem Kleingartenverein als möglichen Ablageort des Diebesgutes feststellen. Dort fand die Polizei tatsächlich das Diebesgut und traf besagten Dennis K. und eine vermeintliche Mittäterin an.
Doch wie kam die Polizei den Tatverdächtigen auf die Spur? Hier zeigt sich bereits die erste Gegenmaßnahme eines CPO, der in diesem Fall nicht genannt werden will, gegen solche Diebstähle. Denn in den Ladekabeln waren Tracker verbaut, um etwaige Diebe mit einem Ortungssystem aufzuspüren.
Staatsanwaltschaft erkennt „gemeinschädliche Sachbeschädigung“
Im Zuge der weiteren Ermittlungen konnte die Polizei anschließend einen Zusammenhang mit mehreren weiteren Ladekabeldiebstählen feststellen, was schließlich zur Anklage vor dem Amtsgericht Leipzig führte. Interessant: Die Staatsanwaltschaft legte dem Angeklagten nicht nur Diebstahl zur Last, sondern auch „gemeinschädliche Sachbeschädigung“. Dieser Straftatbestand bedeutet, dass ein Gegenstand, welcher einem öffentlichen Nutzen dient, beschädigt wurde. Sprich: Den Ladesäulen attestiert die Staatsanwaltschaft damit eine wichtige Funktion, die der Allgemeinheit zugutekommt.
Auch wenn wir von electrive bereits 2019 erstmals von Ladekabeldiebstählen berichteten, und zwar in Chemnitz, so dürfte sich das traurige Phänomen mit der stärkeren Verbreitung von Schnellladesäulen mit fest installierten Ladekabeln in den vergangenen Jahren verstärkt haben. So kam es beispielsweise 2022 in Köln zu einer größeren Diebstahlserie – und auch dort war der Verdacht, dass es ums Kupfer in den Kabeln geht.
Ladekabeldiebstähle in mehreren Regionen
Laut unseren Recherchen handelt es sich beim Ladekabeldiebstahl längst nicht mehr um ein lokales Phänomen. Das zeigen unsere Anfragen bei mehreren führenden Ladestationsbetreibern. Zwar geht es aktuell noch nicht um hunderte betroffene Standorte, doch zum Beispiel EnBW spricht von Vorfällen in den vergangenen Monaten in der Pfalz, dem Ruhrgebiet, in Thüringen und Sachsen. EWE Go nennt Düsseldorf und Leipzig als Schwerpunktregionen. „Hier kam es an einzelnen Lade-Standorten bereits wiederholt zu Vorfällen“, heißt es von der Pressestelle des Betreibers. Sprich: An Standorten, wo die Kabel ersetzt wurden, wurden diese erneut geklaut. Auch die Pfalzwerke nennen die Region Leipzig sowie Herford in Nordrhein-Westfalen.
Andere Betreiber wie Ionity sprechen hingegen nur von Einzelfällen und nennen keine bestimmte Regionen. „Der Kupferanteil in den Kabeln ist recht gering aufgrund der Flüssigkühlung, die uns erlaubt gerade wenig Kupfer einzubauen“, erläutert Ionity-Sprecherin Leila Sarshar, die daher den Sinn solcher Diebstähle hinterfragt. Auffällig: Kaum betroffen sind Aral Pulse und Shell Recharge. Das könnte daran liegen, dass beide CPOs ihre Ladesäulen primär an gut ausgeleuchteten Tankstellen mit Videoüberwachung installiert haben. Und Fastned, das auf ein Tankstellen-ähnliches Setting setzt, hatte in Deutschland noch gar keine Kabeldiebstähle zu verzeichnen – betreibt aber bislang auch nur wenige Standorte. Wie die Fälle der anderen CPOs zeigen, scheinen die Diebstähle dagegen besonders häufig auf Parkplätzen von Supermärkten oder Baumärkten stattzufinden, und das meist nachts im Schutze der Dunkelheit.
Welche Gegenmaßen die CPOs einleiten
Doch was hilft nun gegen den Kabeldiebstahl? Wie bereits oben erwähnt, können Tracker helfen, entwendete Kabel wieder aufzuspüren. Zudem sind weitere Maßnahmen denkbar. Zwar wollen manche CPOs dazu aus taktischen Gründen keine Stellung beziehen, andere aber schon. So heißt es beispielsweise von EWE Go, man arbeite eng mit den Polizeibehörden zusammen und analysiere zudem, „wo sich Schwerpunktregionen und besonders betroffene Standorte befinden und wo Kabeldiebstähle wiederholt auftreten. An diesen Orten haben wir begonnen, entweder gemeinsam mit dem Standortpartner oder auch selbst Kamerasysteme zu installieren. Diese Maßnahme hat zum Ziel, weiteren Taten vorzubeugen, aber auch das Sicherheitsgefühl unserer Kundinnen und Kunden weiter zu steigern.“
Von EnBW heißt es: „Wir prüfen für jeden Standort, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um die Sicherheit zu erhöhen und um Kabeldiebstahl entgegenzuwirken. Hier schöpfen wir derzeit verschiedene Möglichkeiten aus, die uns zur Verfügung stehen. So setzen wir, wo möglich, auf abschreckende Maßnahmen wie Beleuchtung oder Videoüberwachung. Vorfälle zeigen wir grundsätzlich bei der Polizei an.“ Außerdem stehe EnBW im Austausch mit Alpitronic, dem Hersteller der Ladestationen.
Diebstähle auch in UK und USA ein Problem
In den letzten Tagen wurden zudem zwei spannende Lösungen für den Schutz gegen Kabeldiebstahl vorgestellt: Der US-Ladestationsanbieter ChargePoint hat ein schnittfestes Ladekabel sowie ein Alarmsystem zur Erhöhung der Sicherheit von Ladestationen vorgestellt. Und auch der britische Anbieter Evolt Charging bietet neuerdings ein Alarmsystem für Ladestationen an, das bei einer Entfernung des Ladekabels einen lauten Alarm auslöst und eine Benachrichtigung an den Betreiber sendet.
Das solche Lösungen in Großbritannien und den USA präsentiert werden, zeigt deutlich, dass es sich nicht nur um ein deutsches, sondern ein internationales Phänomen handelt. Exemplarisch dafür steht die VW-Ladetochter Electrify America, die im Sommer den Diebstahl von 93 Ladekabeln innerhalb eines Jahres allein im US-Bundesstaat Washington beklagte.
Erneute Eichrechtsprüfung macht Schadensbeseitigung noch aufwändiger und teurer
Sämtliche Schutzmaßnahmen sind überaus sinnvoll, denn der Schaden und Aufwand durch jedes entwendete Ladekabel ist immens. Bis ein Techniker für den Austausch verfügbar ist, können schnell mehrere Wochen vergehen. Ein bislang wenig beachteter Aspekt ist das Eichrecht. Was es damit auf sich hat, erläutert EnBW-Sprecherin Helen Schneider: „Die Kosten zur Instandsetzung nach einem Kabeldiebstahl würden wir mit etwa 5.000 bis 7.000 Euro pro Kabel beziffern. Hier fallen nicht nur die Materialkosten für neue Kabel ins Gewicht, sondern auch die Arbeitszeit für die Beseitigung des Schadens und die erforderliche Eichrechtsprüfung der Ladesäulen, die für die Inbetriebnahme zwingend vorgeschrieben ist.“ Für eine solche Eichrechtsprüfung benötige EnBW zudem die Unterstützung der Hersteller der Ladestationen.
Dass es so nicht weitergehen kann, ist klar – E-Auto-Fahrer sind genauso frustriert über fehlende Lademöglichkeiten wie die Ladeanbieter, die eigentlich Besseres zu tun haben sollten als für tausende Euro pro Vorgang abgeschnittene Ladekabel zu ersetzen. Aktuell treiben erneut Kabeldiebe in Leipzig und Umgebung ihr Unwesen. Seit November kam es schon wieder zu mindestens acht Kabeldiebstählen an Ladestationen. So wurde ein Ladepark der Pfalzwerke an einem OBI-Baumarkt bereits zum zweiten Mal nach den Vorfällen im Sommer „entkabelt“. Und nur rund zwei Kilometer entfernt traf es zwei neue Ladeparks von EnBW und den Pfalzwerken bei Globus, die noch gar nicht eingeweiht waren.
Der Leipziger Polizeisprecher Chris Graupner betont, „das dieses Phänomen von Straftaten weiterhin sehr präsent ist“. Es gebe immer wieder neue Fälle, daher könne man nicht von Einzelfällen sprechen. Und auch die Polizei in Nordhausen in Thüringen sucht seit dem Herbst nach Ladekabeldieben, die gleich mehrfach zugeschlagen haben. Die Täter zu schnappen, ist offenbar schwer: Die Polizei hat bereits die Öffentlichkeit um Hinweise zu den Taten und Tätern gebeten.
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