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Ist die Elektromobilität reif für den Massenmarkt?

In der aufgeregten Expertendiskussion um Flottengrenzwerte, das Verbrenner-Aus in der EU und die angeblich mangelhafte Ladeinfrastruktur in Deutschland ist zuletzt eine zentrale Frage untergegangen: Ist die Elektromobilität denn wirklich bereit für den Massenmarkt? Darum dreht sich die neue Ausgabe unseres Podcasts „eMobility Insights“. Zu Gast ist diesmal Stefan Gerwens vom ADAC.


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Denn auch wenn für uns bei electrive die Elektroautos seit über zehn Jahren Normalität sind – für die meisten Otto-Normalbürger sind sie es längst nicht. Das sieht man daran, dass von rund 49 Millionen Autos in Deutschland bislang nur etwas mehr als 1,5 Millionen vollelektrisch unterwegs sind.

Was die Elektromobilität noch braucht, um für die meisten Menschen in Deutschland Normalität zu werden, darüber spricht electrive-Chefredakteur Peter Schwierz in der neuen Ausgabe unseres Podcasts „eMobility Insights“ mit Stefan Gerwens. Er leitet das Ressort Verkehr im ADAC, dem größten Automobilclub Europas mit über 20 Millionen Mitgliedern. Gemeinsam begeben sich Gerwens und Schwierz raus aus der eMobility Bubble und erörtern, ob die E-Mobilität überhaupt schon reif für den Massenmarkt ist.

Laut Gerwens planen aktuell 22 Prozent der Menschen in Deutschland, sich in den nächsten Jahren ein Auto zu kaufen. „Bei den Kaufinteressierten sind es aber nur 44 Prozent, die an einen rein elektrischen denken“, sagt der ADAC-Experte – und regt an, nach Lücken im Angebot zu suchen und die Frage zu beantworten, woran das liegt. „Denn da müssen wir ja auf viel höherer Werte kommen, damit wir eben in diesen Massenmarkt kommen“, meint Gerwens. Von den tatsächlichen E-Auto-Nutzern hätten 50 Prozent eine private Lademöglichkeit. Doch längst nicht jeder E-Auto-Interessierte habe die Möglichkeit, sich eine Wallbox zu installieren, was schnell zum Hemmschuh für den Kauf eines Elektroautos werden könne. Deshalb seien die Kommunen gefragt, gerade in Altbauvierteln, Innenstädten etc. öffentliche Lademöglichkeiten zu schaffen. Und auch für Mehrfamilienhäuser und Wohnanlagen müssten mehr praktische Lösungen geschaffen werden.

Anfangs habe die Elektromobilität stärker in Richtung Privatkunden ausgeschlagen, doch die Flotten hätten aufgeholt und hätten heute bei der Elektromobilität einen Marktanteil von zwei Dritteln. „Aber da schauen wir natürlich perspektivisch dann auch auf den Gebrauchtwagenmarkt. Denn das was aus gewerblichen Flotten nach zwei, drei Jahren rausgeht, das kommt als Gebrauchtwagen in den Markt. Und da kommen dann die privaten Käufer wieder ins Spiel. Das ist ein Segment, das wichtig ist. Und da schauen wir dann auch auf die Batterietests. Die gibt es ja mittlerweile auch im Markt und das ist eine deutliche Verbesserung.“

Grundsätzlich hat der ADAC den Eindruck, dass sich die Ladeinfrastruktur in Deutschland bereits deutlich verbessert hat. „Wir haben den Eindruck, dass die Ladeinfrastruktur gut hochläuft, dass an den Autobahnen, zumindest an den hoch frequentierten Autobahnen, ein gutes, ein breites Angebot da ist.“ Aber: „Viele, die bereits Elektroauto fahren, sagen mir, die Ladepreise, die sind jetzt zu hoch. Das ist ein Problem“, so Stefan Gerwens. Und auch an anderer Stelle sei die Preisgestaltung für den Hochlauf der Elektromobilität schwierig: Auch die meisten Elektroautos seien bislang recht teuer und die Auswahl begrenzt. Das sehe man bei Kleinwagen und der unteren Mittelklasse. Und auch an elektrischen Kombis habe es lange gefehlt. „Aber das Preisproblem im Vergleich zu den Verbrennern bleibt durchaus. Wobei Verbrenner mittlerweile auch teurer werden“, sagt Gerwens.

Was Gerwens mitunter noch vermisst, sind E-Autos für bestimmte Szenarien. So haben es beispielsweise Wohnwagen-Besitzer nicht einfach, auf E-Mobilität umzusteigen, denn es mangelt noch an einer größeren Auswahl von E-Autos mit entsprechender Zugkraft für Wohnwagen. „Da bin ich auch gespannt, wie der Markt sich perspektivisch entwickelt und ehrlicherweise dann auch die Lademöglichkeiten, denn die meisten Lademöglichkeiten sind ja so ausgerichtet, dass es ein isolierter Pkw ist und nicht ein Wohnmobil oder eben ein Fahrzeug mit Hänger“, sagt Stefan Gerwens.

Im Podcast spricht Stefan Gerwens außerdem über einen aktuellen ADAC-Test von Fahrzeugen, bei dem einige Elektroautos gegenüber Verbrennern die Nase vorn hatten, sowie über Zukunftsthemen wie bidirektionales Laden. Und abschließend äußert er drei Wünsche, die es braucht, damit die E-Mobilität wirklich in der breiten Bevölkerung ankommt. Viel Spaß beim Anhören!

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16 Kommentare

zu „Ist die Elektromobilität reif für den Massenmarkt?“
Martin Seiler
12.02.2025 um 08:13
Die Frage ist im Wesentlichen identisch mit der Frage: "Stellt die Bevölkerung Norwegens eine Masse dar?". Mehr braucht man doch nicht zu beantworten.
Christian
12.02.2025 um 10:02
Was spielt das für eine Rolle? Es ist ein Land. Und China ist ebenso eine Masse. Es geht immer ums Verhältnis. Und den Marktanteil. Der kann bei einem Produkt auch höher in kleineren Märkten sein.
Robert
12.02.2025 um 23:02
Ich schätze Martin meint: die Ausgangsfrage des Artikels ist obsolet, da 'die Elektromobilität' aus technischer Sicht längst reif für Massenmärkte (Bsp. NOR, CHN) ist.
Aztasu
13.02.2025 um 19:59
Selbst in China gibt es Hürden
Uwe Walter Bosse
12.02.2025 um 11:02
Was leider Viele nicht wissen: Im Mietshaus lässt sich im Zählerkasten vom Herdstrom eine Abzweigung legen mit Zuleitung zu einer abschließbaren "Kraftsteckdose" an der Außenwand des Hauses. Ein Pkw-Stellplatz sollte vor oder bei dem Haus sein. Wer sich dem vollkommen verschließt, hat meiner Meinung nach kein Verantwortungs-Gefuehl gegenüber der Ozonschicht.
Hans
13.02.2025 um 08:22
Kannst es dir dann aussuchen, entweder Kochen oder Laden. Zudem sind "Mietshäuser" zu 99 % Mehrstöckig und die jeweiligen Verteiler sitzen meist mittig in den Wohnungen, dementsprechend ist es nicht ohne "minimal-invasiven Eingriff" einfach ein "Kabel" zu einem Parkplatz legen! Und falls die Leitung vom Hauptverteiler gelegt werden sollte, muss ein Lastmanagement her da sonst die Haus-Zuleitung überlastet wird.
Energisch Joe
18.02.2025 um 10:57
Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr...Entweder mit 2 kW laden über Nacht von JEDER legal installierten Schukosteckdose, bringt locker 100 km Tagesreichweite oder mit 4 kw vom Herd-Dreiphasenstrom in den Stunden nach Mitternacht (wer braucht da den Herd??). Da es offensichtlich sooo schwer ist in einem deutschen Wohnhaus Kabel zu legen, das Wort "Kabelschacht" muss in Deutschland wohl noch erfunden werden? In den österreichischen Bauordnungen ist das schon seit Jahrzehnten zu machen, seit ca. 15 Jahren sogar bis zu jedem Stellplatz in einer Tiefgarage muss eine zumindest Leerverrohrung vorhanden sein. Solange das Bügeln (2 kW) und der Backherd (4 kW) den Bewohnern jederzeit erlaubt ist braucht es kein Lastmanagement.Es gilt: Wer will findet Wege, wer nicht will findet Gründe.mit freundlichen Grüßen
Norman
12.02.2025 um 23:16
Zitat: "[...]und ehrlicherweise dann auch die Lademöglichkeiten, denn die meisten Lademöglichkeiten sind ja so ausgerichtet, dass es ein isolierter Pkw ist und nicht ein Wohnmobil oder eben ein Fahrzeug mit Hänger“. Meinem Empfinden nach sehe ich bei neueren Charging-Hubs immer ausgezeichnete Stellplätze für Gespanne. Im Zweifel: abkoppeln, abstellen, laden, ankoppeln und weiterfahren. Macht Tobias (Elektrotrucker) mit seinem Sattelzug nicht anders, wenn geeignete Stellflächen fehlen.
Sig
13.02.2025 um 07:23
Ja - was sonst? zum Preis: wie wäre es mit Meritt Order je kWh Energieinhalt?
Daniel
13.02.2025 um 07:57
Ich denke nicht, dass die Ladepreise zu hoch sind. Mit einer durchschnittlichen Jahresfahrleistung kommt man mit den relevanten Anbietern (z.B. EnBW, Ionity, Tesla) inkl. Grundgebühr auf reale Preise von 42-45 cent/kWh. Damit fährt man auch als Nicht-Heimlader günstiger als mit einem Verbrenner. Allerdings könnte der Staat die Elektromobilität noch attraktiver machen, wenn die hohen Steuern und Abgaben auf Strom gesenkt würden.
Roger Hobbs
14.02.2025 um 08:41
Mit ca. 21kWh/100km als Autobahnfahrer beim Tesla und 5,7 Liter Diesel mit dem CLA bin ich bei 9,45€ respektive 9,23€. Also nein, man fährt von den Lade-/Tankkosten nicht günstiger!
Markus
14.02.2025 um 10:30
Mal sehen wie sich die Spritpreise entwickeln. Die Frage ist ja immer warum muss es günstiger sein? Man hat ja eh schon weniger Steuer und weniger Wartungskosten. Preisparität bei Langstrecke würd ja reichen. im Kurzstreckenbereich ist man ja oft schon günstiger.
Roger Hobbs
14.02.2025 um 10:46
Wenn eine Technologie mir das Leben nicht einfacher macht, muss sie zumindest günstiger sein! Und als wenn sich bei steigenden Spritkosten nicht auch der Strompreis angleichen würde...
Sonne tanken
17.02.2025 um 01:30
Davon abgesehen, dass ich selbst im Winter nicht über 16,5kWh im Schnitt bei Autobahnfahrten komme, liefert mir die Sonne regelmäßig kostenfrei Strom. Okay - Opportunitätskosten bei fehlender Netzeinspeisung berücksichtigen ~ 6 Cent pro kWh: macht in Summe weniger als einen Euro Stromkosten auf 100 Km. Und Markus stimme ich zu: weniger Wartungskosten. Die Bremsbeläge/Scheiben auf meinem aktuellen eFahrzeug werden bald 8 Jahre alt und haben 125TKm runter. Und die sehen noch 'in Ordnung' aus :) Wartungskosten bisher? Lediglich für Reifenwechsel - sonst garnix.
Banana
13.02.2025 um 11:40
Das sind immer die gleichen " Gähn" Argumente. Ein elektrisches Kabel zu verlegen ist ja nicht möglich, alle Autos können nie gleichzeitig laden, wo soll denn der ganze Strom herkommen... Dabei geht der geneigte Protestbürger davon aus, dass 50 Millionen E-Autos von heute auf morgen auf der Straße stehen, jeden Tag 1000km gefahren werden und man dann zuhause Schnelladen muss. Die Realität sieht anders aus. Der Hochlauf der Elektromobilität wird noch Jahrzehnte dauern. Die durchschnittliche gefahrene Strecke mit dem PKW in Deutschland beträgt nicht mal 40 km. Dieser Strom (ca. 8 kWh für 40km) kann leicht zuhause oder später vielleicht am Arbeitsplatz wieder nachgeladen werden. Dazu braucht es nicht mal eine Wallbox mit 11kW sondern eine einfache 230 Volt Steckdose die 2 kW schafft würde da locker reichen. ( Lösung mit mobiler Wallbox) An Supermärkten, eben einfach da wo man sowieso parken muss, können dann AC-Säulen oder Schnelllader stehen. Weil eben alles noch eine Frage von Jahrzehnten ist wird die Infrastrucktur und die Stromerzeugung mitwachsen. Hätte Berta Benz damals genauso gedacht wäre sie sicher nicht mit der Benzinkutsche nach Pforzheim gefahren. Es gab noch keine Tankstellen und die Reichweite mit einer Tankfüllung war auch nicht 1000 km.
Egon Kohler
17.03.2025 um 14:55
Tatsache ist halt nun mal, dass der Mensch bequem ist und aufs Geld schaut. Kann man jetzt blöd finden oder nicht, aber wenn man in der Breite die Autofahrer dazu bringen will, aus eigenem Antrieb E-Autos zu kaufen, dann muss man genau da ansetzen: E-Mobilität muss günstiger werden (oder Verbrenner-Mobilität teurer) und Laden (zuhause oder am Arbeitsplatz) muss so bequem werden wie tanken. Und dabei kann/soll/muss ggf der Staat sehr wohl unterstützen bzw regulieren, z.B. auch ein grundsätzliches Recht auf Ladeinfrastruktur bei Mietwohnungen und Betriebsgebäuden, wie auch immer das ausgestaltet wird.

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