
Wie E-Autos in die Flotte integriert werden können – acht Fragen an Christof Kiesel von DKV Mobility
Head of Technical Consulting eMobility@home@work
Energy / Vehicle Services bei DKV Mobility ist die offizielle Positionsbezeichnung von Christof Kiesel. Bei LinkedIn formuliert es der Flotten-Experte etwas anders, dort bezeichnet er sich als „Chief Evangelist eMobility“ und als „FLEETfluencer“. Mit Elektroautos im Fuhrpark kennt er sich aus.
Genau darum wird es auch bei „Flotte! Der Branchentreff“ am 26. und 27. März in Düsseldorf gehen. Die Dekarbonisierung der Flotten ist das allübergreifende Thema der Fachmesse für Fuhrparkmanager und spiegelt sich in den meisten Vorträgen und Diskussionen auf der Veranstaltung wider. Was muss man beim Umstieg auf E-Autos beachten, wie wird der elektrische Fuhrpark am besten geladen und von welchen Best Practices kann man lernen?
Im Vorfeld der „Flotte!“ haben wir mit Christof Kiesel gesprochen, der die aktuellen Modelle aus eigener Erfahrung kennt und benennt, in welchem Segment er bei den Autobauern noch Nachholbedarf sieht. Über seinen Arbeitgeber kennt sich Kiesel zudem bestens mit ganzheitlichen Ladelösungen für den Elektro-Fuhrpark aus.
Herr Kiesel, Sie fahren seit 2013 Elektroautos und haben in weit über zehn Jahren unzählige Kilometer elektrisch zurückgelegt. Den Wandel von der „Pionierzeit“ mit nur wenigen Ladesäulen und noch weniger Elektroauto-Modellen hin zu E-Autos mit 700 Kilometern Reichweite und Schnellladern an fast jeder Raststätte haben Sie hautnah begleitet. Welche Fahrzeuge oder Momente sind Ihnen dabei besonders in Erinnerung geblieben?
Die ersten Fahrten mit dem Renault Zoe waren damals für mich eine völlig neue Erfahrung. Das lautlose Dahingleiten war ungewohnt und viele Passanten drehten sich verwundert um. Interessanterweise war das Laden an vielen Orten damals noch kostenlos, um Elektromobilität zu fördern und Hemmschwellen abzubauen.
Gab es auch weniger schöne Momente oder gar Zweifel?
Da ich aus dem Ruhrgebiet komme, war das Laden anfangs eine Herausforderung. Jede Stadt hatte ihr eigenes Ladesystem, so dass ich mit acht verschiedenen Ladekarten unterwegs war, um überall Strom zu bekommen. Einheitliche Abrechnungssysteme waren noch Zukunftsmusik. Zudem hatten die Ladesäulen oft noch Kinderkrankheiten, mal klappte die Authentifizierung, mal die Entriegelung nicht. Und auch die Ordnungshüter waren manchmal überfordert und wussten nicht, ob sie für die Autos an der Ladesäule einen Strafzettel verteilen dürfen oder nicht. Trotzdem habe ich nie an der E-Mobilität gezweifelt. Ich war schon damals fest davon überzeugt, dass sich die Technologie langfristig durchsetzen wird.
Auf LinkedIn geben Sie regelmäßig Einblicke in die Praxiserfahrungen mit Ihren Dienstwagen, etwa einem Tesla Model 3 oder aktuell einem Hyundai Ioniq 5. Damit legen Sie 30.000 bis 50.000 Kilometer pro Jahr zurück. Was würden Sie sich für das nächste Modell wünschen?
Natürlich liegt der Fokus nach wie vor auf der Reichweite und Ladezeit. Welche dieser Faktoren im Vordergrund stehen, hängt stark vom individuellen Nutzungsverhalten ab. Beispielsweise hat ein Außendienstmitarbeiter, der täglich viele Kilometer zurücklegen muss, andere Ansprüche als beispielsweise ein Fahrer, der sein Elektroauto überwiegend für kurze Strecken in der Stadt benötigt. Ein Feature, das ich mir persönlich für die Zukunft wünsche, ist ein Fahrzeug, das als intelligentes System agiert und sich dynamisch an den Fahrer anpasst. Idealerweise sollte es selbstständig erkennen, welche Ladeanforderungen bestehen, und automatisiert die optimalen Schnellladepunkte entlang der Route vorschlagen. Dabei sollte das System nicht nur die kürzeste Strecke berechnen, sondern auch Faktoren wie Witterung, individuelle Fahrweise und persönliche Präferenzen berücksichtigen – im Sommer genauso wie im Winter, wenn Kälte die Reichweite beeinflusst. Solche intelligenten, vernetzten Funktionen könnten Elektromobilität noch effizienter, komfortabler und alltagstauglicher machen – und letztendlich den Übergang von klassischen Verbrennerfahrzeugen zu Elektroautos für noch mehr Menschen attraktiver gestalten.
Wo fehlt es aus Ihrer Sicht noch am Modellangebot, um möglichst alle Flotten-Anforderungen zu erfüllen?
Was es aus meiner Sicht dringend braucht, sind mehr mittelpreisige Elektro-Kombis und praktische Fahrzeuge, die sowohl geschäftlich als auch privat eine echte Alternative zu Verbrennern darstellen. Der Preissektor zwischen 45.000 und 60.000 Euro ist dabei besonders relevant, da viele Firmenwagenregelungen genau in diesem Bereich liegen. Hier gibt es aus meiner Sicht aktuell noch zu wenig Auswahl. Der Markt entwickelt sich zwar weiter, aber gerade in diesem für Firmen so wichtigen Preissegment gibt es noch Luft nach oben. Hoffentlich erkennen die Hersteller diesen Bedarf bald und bringen mehr Modelle auf den Markt, die sowohl für Unternehmen als auch für Privatkunden eine echte Alternative darstellen.
Auf der „Flotte!“ sprechen Sie über die „Integration von Elektrofahrzeugen in bestehende Flotten: Herausforderungen und Lösungen“. Dabei spielt aus Ihrer Sicht sicher eine umfassende Lösung für das Laden unterwegs, am Arbeitsplatz und zu Hause – wie es DKV Mobility anbietet – eine wichtige Rolle. Was müssen Unternehmen neben dem Laden noch bedenken, wenn erste oder weitere E-Autos in den Fuhrpark kommen?
Elektromobilität bedeutet nicht nur den Austausch eines Antriebsstrangs – es ist eine umfassende Veränderung, die Strategie, Infrastruktur, Fuhrparkmanagement und Schulung erfordert. Gleichzeitig verändern sich mit dem Wandel zur Elektromobilität auch die Aufgaben des Fuhrparkmanagements erheblich. Während früher vor allem Aspekte wie Leasingverträge, Wartung und Kraftstoffkarten im Fokus standen, muss sich der Fuhrpark nun mit völlig neuen Fragestellungen auseinandersetzen. Zum Beispiel: Welche Ladeoptionen gibt es für Mitarbeiter – am Standort, zu Hause oder unterwegs? Oder: Wie werden Stromkosten bei Heimladungen oder öffentlichen Ladepunkten erstattet? Diese neuen Herausforderungen erfordern eine gezielte Schulung, sowohl des Fuhrparkmanagements als auch der Fahrer, damit der Umstieg reibungslos funktioniert. Um diese Transformation aktiv zu begleiten, bieten wir für die Fahrer unserer Kunden alle zwei Wochen spezielle Schulungen an. In diesen Sessions beleuchten wir die wichtigsten Themen rund um die Elektromobilität – praxisnah und verständlich. Unternehmen, die frühzeitig auf Aufklärung und eine durchdachte Umstellung setzen, können diesen Wandel damit nicht nur effizienter gestalten, sondern auch langfristig von den Vorteilen profitieren.
Viele Unternehmen haben ihre Immobilien auch nur gemietet, können also nicht frei über die Installation von Ladepunkten auf den Flächen entscheiden. Wie groß ist diese Herausforderung in der Praxis und wie kann eine Lösung aussehen?
Das ist tatsächlich eine der größten Herausforderungen für Unternehmen, die ihre Fahrzeugflotte elektrifizieren möchten. Wenn die Unternehmensimmobilien nur gemietet sind, können sie oft nicht ohne Weiteres Ladepunkte auf den Parkflächen installieren. Unternehmen sollten in diesem Fall aktiv mit den Vermietern sprechen und auf die steigende Bedeutung von Ladeinfrastruktur hinweisen. Vermieter profitieren langfristig von einer elektrifizierten Immobilie, da sie für zukünftige Mieter attraktiver wird.
Förderprogramme wie z.B. KfW-Zuschüsse könnten als Argument genutzt werden, um Vermieter zu überzeugen. Falls Ladepunkte am Firmenstandort nicht möglich sind, können Unternehmen zudem auf Home-Charging setzen und ihren Mitarbeitern Wallboxen zur Verfügung stellen.
Bevor man sich Gedanken über das Laden des Elektro-Fuhrparks macht, muss natürlich der wichtige Schritt gemacht werden, sich überhaupt mit der Elektromobilität zu beschäftigen. Wenn Sie mit potenziellen Kunden in Kontakt sind, ist dieser Schritt ja schon getan. Was ist aus Ihrer Sicht nötig, um die Hemmschwelle für diesen ersten Schritt weiter zu senken?
Um die Hemmschwelle für den Einstieg in die Elektromobilität weiter zu senken, sind vor allem Aufklärung und praktische Erfahrung entscheidend. Potenzielle Kunden müssen verstehen, dass Elektromobilität nicht nur nachhaltig, sondern auch wirtschaftlich und praktisch ist. Hier gibt es mehrere Ansätze. Zunächst sind klare und verständliche Informationsangebote über die Vorteile von Elektrofahrzeugen sowie über staatliche Förderungen und steuerliche Vorteile unerlässlich. Ebenso sollten den Kunden die Möglichkeit gegeben werden, Elektrofahrzeuge im Alltag zu testen, um ihre Bedenken direkt abzubauen und praktische Erfahrungen zu sammeln. Eine Kosten-Nutzen-Analyse hilft dabei, aufzuzeigen, wie die niedrigeren Betriebskosten – etwa durch geringeren Wartungsaufwand und günstigere Energie – langfristig den Umstieg erleichtern können. Zudem ist es wichtig, die Ladeinfrastruktur einfach und verständlich zu erklären, damit keine Unsicherheiten beim Laden der Fahrzeuge bestehen. All diese Maßnahmen tragen dazu bei, die Entscheidung für Elektromobilität für viele einfacher und greifbarer zu machen.
Bei der „Flotte!“ geht es vorrangig um den Pkw-Fuhrpark und Transporter. DKV Mobility ist aber auch beim E-Lkw aktiv. Wie unterscheiden sich die Angebote? Oder überwiegen die Synergien?
Ein E-Lkw unterscheidet sich grundlegend von einem E-Pkw. Während sich der Pkw in der Regel flexibel auf verschiedenen Routen bewegt, fährt der Lkw meist auf festgelegten Routen, die sich genau planen lassen. Diese Unterschiede müssen bei der Ladeinfrastruktur berücksichtigt werden. Die ersten Ausbaustufen der Schnelllader konzentrierten sich daher hauptsächlich auf Pkw und haben Lkw dabei weitgehend unberücksichtigt gelassen. Doch mittlerweile beobachten wir einen Wandel auf dem Markt: Immer mehr Anbieter passen ihre Ladeparks gezielt auf E-Lkw an oder bauen sogar exklusiv Ladeinfrastruktur für E-Lkw. DKV Mobility hat in diesem Zusammenhang mehrere Kooperationen wie z.B. mit Milence, ABB E-mobility und Siemens eMobility geschlossen, die sowohl öffentliches E-Lkw-Laden als auch Depotladen abdecken. Letzteres wird zunehmend von Transport- und Logistikunternehmen genutzt, da es eine effiziente Möglichkeit bietet, die Flotte über Nacht oder in Pausen zu laden. Diese Entwicklung ist entscheidend für den Erfolg und die Skalierbarkeit der Elektromobilität im Transportsektor.
Das Interview ist Teil der Medienpartnerschaft von electrive mit der „Flotte! Der Branchentreff“ vom 26. bis 27. März in Düsseldorf. Der Vortrag von Christof Kiesel findet am 26. März um 9:25 Uhr auf Bühne 3 statt.
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