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Iveco übergibt seine ersten Wasserstoff-Lkw an BMW

Der italienische Nutzfahrzeughersteller Iveco hat vor wenigen Tagen erstmals Brennstoffzellen-Lkw an einen Kunden ausgeliefert. Und zwar zwei Sattelzugmaschinen vom Typ S-eWay Fuel Cell an das BMW-Werk Leipzig. Wir waren dabei und stellen den Wasserstoff-Truck sowie dessen Einsatzgebiet näher vor.

Auch wenn die Entwicklung von Batterie-elektrischen Lkw im vergangenen Jahr einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht hat: Das Thema Wasserstoff ist noch längst nicht abgeschrieben, wenn es um die Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs geht. Ein wesentliches Stichwort dabei lautet Reichweite: Während elektrische Fernverkehr-Lkw aktuell bei einer Reichweite von 500 bis 550 Kilometer an ihre Grenzen kommen, soll es der Iveco S-eWay Fuel Cell mit Brennstoffzellen-Technologie auf stolze 800 Kilometer Reichweite schaffen.

Ein weiteres Argument pro Brennstoffzelle: Wasserstoff kann schneller nachgetankt werden als Batterie-elektrische Lkw wieder vollständig aufgeladen sind. Großes Aber: Genauso wie für E-Lkw geeignete Schnellladestationen bislang Mangelware sind, gibt es auch noch sehr wenig Wasserstoff-Tankstellen.

H2Haul will Brennstoffzellen-Lkw in der Praxis testen

Und hier kommt das bereits 2019 ins Leben gerufene H2Haul-Projekt ins Spiel: Es dient dazu, Schwerlastkraftwagen mit Brennstoffzellen in der Praxis zu testen. Und zwar auf Strecken, an denen es auch die passenden Wasserstofftankstellen gibt. Die beiden nun an BMW übergebenen Brennstoffzellen-Lkw von Iveco sind Teil dieses H2Haul-Projekts. Zudem wurden im Rahmen dieser Initiative auch zwei hochmoderne Wasserstofftankstellen von TEAL Mobility in Leipzig und in Hormersdorf bei Nürnberg errichtet. Das von der EU geförderte Projekt zielt darauf ab, die Zuverlässigkeit von Wasserstoff-Lkw im europäischen Gütertransport zu demonstrieren. Dies erfolgt mit Feldtests in mehreren Real-Einsätzen wie eben in der Logistik von BMW.

„Die Auslieferung unserer ersten beiden S-eWay Fuel Cell Sattelzugmaschinen an BMW ist ein wichtiger Schritt, um die Praxistauglichkeit und Skalierbarkeit des wasserstoffbetriebenen Fernverkehrs unter Beweis zu stellen“, sagt Giandomenico Fioretti, Head of Alternative Propulsion Business Development bei Iveco. „Wir sind stolz darauf, dass wir durch unsere aktive Teilnahme am H2Haul-Projekt dazu beitragen, den Weg für eine lokal emissionsfreie Zukunft im europäischen Transportsektor zu ebnen. Diese Errungenschaft zeigt die Stärke der Zusammenarbeit zwischen Fahrzeugherstellern, Energie- und Technologieanbietern, Verladern, Spediteuren und Institutionen bei der Förderung des wasserstoffbasierten Straßengüterverkehrs.“

Reichweite von 800 Kilometern

Der Iveco S-eWay Fuel Cell hat eine Reichweite von bis zu 800 Kilometern, lässt sich in weniger als  20 Minuten nachtanken und kann 70 Kilogramm komprimierten Wasserstoff bei 700 bar Druck aufnehmen. Das Modell basiert auf dem Batterie-elektrischen S-eWay, der seit Sommer 2024 ausgeliefert wird, eine Dauerleistung von 480 kW bietet und mit neun Batteriepaketen à 82 kWh auf einen Gesamt-Energiegehalt von 738 kWh kommt. Die Reichweite der Batterie-Version liegt bei bis zu 500 Kilometern und damit niedriger als bei der nun ausgelieferten Brennstoffzellen-Version.

Die Wurzeln des Fahrzeugs reichen bis ins Jahr 2019 zurück: Für seinen Europa-Start hatte sich das mittlerweile insolvente E-Lkw-Startup Nikola Motor aus den USA mit Iveco verbündet. Doch im Mai 2023 verkündete Iveco, Partner Nikola alle Anteile an einem zwischenzeitlich gegründeten Joint Venture in Ulm abzukaufen. Aus dem noch zusammen entwickelten Nikola Tre BEV mit leicht modifizierter Frontpartie wurde der Iveco Heavy Duty BEV und schließlich das Serienmodell S-eWay.

Während die Batterie-elektrische Version eine 4×2-Sattelzugmaschine ist, kommt die Brennstoffzellen-Variante als eine 6×2-Sattelzugmaschine daher. Das Fahrerhaus hat eine optimierte Aerodynamik, damit ist eine Gesamtzuglänge von 18 Metern möglich, heißt es von Iveco. Ein weiterer Unterschied sind die H2-Wasserstofftanks hinter der Kabine und seitlich am Rahmen. Der Brennstoffzellen-Lkw verfügt dabei über zwei Batteriepakete à 82 kWh, die den Antrieb ergänzen.

Brennstoffzelle von Bosch

Der von einem von Bosch stammenden Brennstoffzellen-Modul erzeugte Strom wird für den Antrieb der E-Achse des Fahrzeugs verwendet, wobei bei Bedarf zusätzliche Energie von den zwei Fahrzeugbatterien geliefert wird. Diese Batterien werden auch zur kurzfristigen Speicherung zusätzlicher Energie verwendet, die im Fahrzeug durch Rekuperation erzeugt wird. Eine externe Aufladung der Batteriespeicher per Kabel ist hingegen nicht möglich.

Die im S-eWay Fuel Cell verwendete E-Achse ist identisch zur der des Batterie-elektrischen S-eWay. Aufgrund der geringeren Batterieleistung ist die Leistung der E-Achse aber auf 400 kW reduziert.

Die beiden nun an BMW ausgelieferten Iveco S-eWay Fuel Cell gehören zu einer Flotte von insgesamt zwölf Brennstoffzellen-Lkw, die Iveco im Rahmen des H2Haul-Projekts an Standorten in Deutschland, Frankreich und der Schweiz einsetzen will, um die Zukunftsfähigkeit von Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lkw zu demonstrieren.

In Ulm produzierte Einzelstücke

Die in Ulm gebauten Fahrzeuge sind allerdings bislang Einzelstücke, über eine mögliche Serienproduktion hat Iveco noch nicht entschieden. „Da sich die Technologielandschaft weiterentwickelt und die EU-Vorschriften für alternative Antriebe im Fluss sind, hat Iveco beschlossen, den Einsatz der ersten S-eWay Fuel Cell Generation in der Aktivierungsphase auf die Teilnehmer des H2Haul-Projekts und weitere ausgewählte Kunden zu beschränken, um das Konzept zu beweisen und die Technologie im realen Betrieb zu testen und weiterzuentwickeln“, sagt Iveco-Sprecher Patrick Wanner.

BMW ist in jedem Fall sehr gespannt auf den Einsatz der beiden Wasserstoff-Lkw: „Auch in der globalen Logistik ist die richtige Wahl des Transportmittels wichtig, um zukunftsorientiert und effizient unterwegs zu sein. Entsprechend spiegelt sich Technologieoffenheit in der BMW Group auch in der Transportlogistik wider. Erstmalig werden jetzt im Serienbetrieb für die deutsche Automobilproduktion wasserstoffbetriebene Lkw eingesetzt. Wir arbeiten bereits seit mehreren Jahren zusammen mit unseren Partnern an der Umsetzung der Pilotflotte. Dieses Projekt ist ein wichtiger Meilenstein, um Erfahrungen im Serienbetrieb zu erlangen und diese wichtige Technologie weiter voranzutreiben“, sagt Michael Nikolaides, Leiter Produktionsnetzwerk und Logistik BMW Group.

BMW setzt Wasserstoff noch anderweitig ein

BMW nutzte die Übergabe der beiden Wasserstoff-Lkw im Rahmen eines „Hydrogen Day“ im BMW-Werk Leipzig dazu, um zu zeigen, welche Rolle Wasserstoff bereits heute bei BMW spielt. So wurden den beiden Iveco-Lkw einige Fahrzeuge aus der Prototypen-Flotte des BMW iX5 Hydrogen zur Seite gestellt, mit dem BMW die Brennstoffzelle in der Praxis testet und den für 2028 geplanten Start eines ersten Wasserstoff-Serienmodells vorbereitet.

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Mit Brennstoffzelle betriebenes Flurförderfahrzeug im BMW-Werk Leipzig
Bild: Florian Treiß

Zudem zeigte BMW, welche Rolle Wasserstoff in der Intralogistik des Leipziger Werks spielt. Dort wurde bereits 2013 die erste Indoor-Wasserstoff-Tankstelle Deutschlands errichtet. Gabelstapler und Routenzüge für die interne Werkslogistik können dort betankt werden. Gut zehn Jahre später besitzt das Werk Leipzig mit rund 200 Brennstoffzellen-betriebenen Flurförderfahrzeugen eine der größten Flotten in Europa. Fünf Wasserstofftankstellen befinden sich heute auf dem Werksgelände, die neueste ermöglicht erstmals voll automatisierte Tankvorgänge.

Außerdem setzt das BMW-Werk Leipzig in seiner Lackiererei eine neu entwickelte Brennertechnologie ein, mit der neben Erdgas auch Wasserstoff genutzt werden kann. Derzeit kommen fünf bivalente, wasserstofffähige Brenner bei der Kontrastdachlackierung des MINI Countryman zum Einsatz. Weitere Brenner der Lackiererei werden sukzessive umgerüstet, so dass langfristig auf den Einsatz von Erdgas komplett verzichtet werden kann. „Unsere Leipziger Vision ist die weitgehende Dekarbonisierung der Produktion. Erreichen lässt sich dies unter anderem durch das Ersetzen von fossilen Brennstoffen durch Wasserstoff“, beschreibt Petra Peterhänsel, Leiterin BMW Group Werk Leipzig, die langfristige Ausrichtung des Werks.

Auch Wasserstoff-Verbrenner sollen erprobt werden

Doch zurück zu den Wasserstoff-Lkw: Während die nun an BMW ausgelieferten Sattelzugmaschinen vom Typ S-eWay Fuel Cell bereits einen wichtigen Meilenstein darstellen, arbeitet Iveco zugleich auch an Fahrzeugen mit Wasserstoff-Verbrennungsmotor. So hat Iveco auf Basis des XCURSOR-13-Wasserstoff-Verbrennungsmotors des Schwesterunternehmens FPT Industrial bereits einen Prototyp entwickelt.

BMW wiederum beteiligt sich nicht nur am H2Haul-Projekt mit den Brennstoffzellen-Lkw von Iveco, sondern ist auch der Konsortialführer des Forschungsprojekts HyCET zur Erprobung von Lkw mit Wasserstoff-Verbrennungsmotor. Im Rahmen des HyCET-Projektes sollen in Zukunft zwei 40-Tonnen-Lkw sowie ein 18-Tonnen-Lkw in der Logistik von BMW eingesetzt werden. Gefördert wird das Projekt durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV). Verbundpartner in diesem Projekt sind DHL, Volvo Trucks, Deutz, KEYOU und TotalEnergies.

Künftig will BMW die Iveco-Lkw mit Brennstoffzellen parallel zu den Fahrzeugen mit Wasserstoff-Verbrennungsmotor erproben. Beide Antriebsarten sollen auf der gleichen Strecke zum Einsatz kommen und die gleichen Tankstellen nutzen. Im Vergleich der beiden Antriebstechnologien soll der bestmögliche Einsatzbereich der jeweiligen Technologie für die Logistik von BMW gefunden werden.

bmwgroup.com, iveco.com

9 Kommentare

zu „Iveco übergibt seine ersten Wasserstoff-Lkw an BMW“
S.
27.02.2025 um 18:53
Das Thema ist doch Quatsch. Zum einen dar man wegen den Lenkzeiten bei einem Fahrer eh keine 800km am Stück fahren, zum anderen sind effizientere E-LKW schon bei vielen Speditionen im Praxiseinsatz! Siehe auch auf dem YouTube Kanal vom Elektrotrucker!
Joe
28.02.2025 um 00:27
@S. Du hast Recht aber wenn es gut läuft sind problemlos teilweise auch mal 720 km, natürlich mit Pausen, am Tag zu schaffen. Nicht ständig aber ab und zu mal passt das schon. Naja und ein bissel Reserve sollte ja auch sein. Ich sag mal Gute Idee macht weiter in der Richtung.
Thomas Kühnel
28.02.2025 um 06:53
Was ist das für ein Beitrag? Kein Wort zu den Kosten? 1kg H2 kostet ca. 14 Euro. Um einen 40-Tonner wirtschaftlich betreiben zu können , muss der Preis bei 4 Euro liegen. Die hohen Anschaffungskosten von H2- betriebener Transporttechnik kann sich nur jemand leisten, der hohe Erträge an anderer Stelle einfährt. Schade um das ganze Geld, was sinnvoller für den weltweiten Umweltschutz hätte eingesetzt werden können.
Michael
28.02.2025 um 11:20
Die sollten die anderen auch noch weggeben. Dann ist Ruhe. Braucht kein Mensch.
Frank Pfaff
28.02.2025 um 11:49
Ja, Ja, immer alles schlecht, der Staat ist schuld und die Besserwisser haben überproportionalen Nachwuchs. Aber mit dieser Haltung werden wir bald keine Blumentöpfe mehr gewinnen. Es ist Aufbruchstimmung angesagt, Gehirnschmalz und Erfindungen müssen her, damit die alten Pfade verlassen werden und unsere Zukunft gesichert wird. Vor allem Tatendrang und runter vom Sofa. Wenn das Ersparte weg ist, habe ich keine Lust diese Mentalität mit meinen Steuern zu unterstützen. Sorry, Hinterteil bewegen ist die Marschroute !
Eric
28.02.2025 um 17:42
Wenn kein Sterm auf der Haube klebt ist es von vorne herein scheisse.So die Meinung der Mehrheit.Aber wartet mal ab .
HeVi
03.03.2025 um 10:07
Schön zu sehen das für diesen Quatsch das Fahrerhaus so lang gezogen wird. Jahrzehnte haben die Fahrer nur einen Getränkekasten als Hütte bekommen. Das wäre ein Fahrerhaus in dem es sich leben lässt. Aber der Gewinn wäre ja zu gering. Komisch plötzlich geht es.
Hartmut Hopf
04.03.2025 um 04:19
Interessant. Mercedes setzt bei ihrem LKW auf flüssigen Wasserstoff, so weit ich weiß. Sollte H2 in Bereiche vordringen, müsste aus ökonomischen Gründen ein System eingesetzt werden.
Roma
09.03.2025 um 10:36
Am Ende entscheiden die Kosten, Zuverlässigkeit und Nutzbarkeit. Andere Projekte haben bis jetzt gezeigt, dass H2 dies nicht erfüllt. Weder im Zug, noch im Bus, als auch nicht im Pkw.

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