Weltpremiere des Volvo ES90: Die Schweden gehen auf 800 Volt

Mit dem EX90 hat Volvo erst im vergangenen Jahr sein neues SUV-Flaggschiff auf den Markt gebracht. Wie schon bei der vorigen Generation folgen dem SUV weitere Modelle auf der gleichen Plattform. Im Falle der Elektro-Limousine ES90 gibt es aber eine wichtige Änderung: die Batteriespannung.

Bild: Volvo

2014 stand bei Volvo der große Umbruch an. Nach der Übernahme durch den chinesischen Geely-Konzern einige Jahre zuvor hatten die Schweden mit dem XC90 ihr neues Flaggschiff vorgestellt. Ein großes SUV, dessen Scalable Product Architecture (SPA) als Baukasten für weitere Modelle dienen sollte – etwa die große Limousine S90, den V90 als Kombi und das selbe Trio mit der Kennziffer 60 in der Mittelklasse.

Elf Jahre später hat Volvo wieder an den Ort der XC90-Weltpremiere geladen, in die Kunsthalle Artipelag nahe Stockholm. Nur wurde der XC90-Nachfolger mit der Elektro-Bezeichnung EX90 bereits vor einer ganzen Weile vorgestellt, kam aber aufgrund von Verzögerungen erst 2024 auf den Markt – hier unser Bericht der ersten Ausfahrt. 2025 haben die Schweden in dem Kulturzentrum in den Stockholmer Schären ein nicht weniger wichtiges Modell vorgestellt, den ES90.

Denn dieser soll nicht ein klassischer Nachfolger des alten S90 sein, sondern „eine eigene Klasse“ bilden, wie Volvo ankündigt. „Manche würden sagen, es sei eine Limousine. Andere sehen einen Fastback oder sogar Andeutungen eines SUV“, so die Schweden. In der Tat hat der ES90 etwas von einem deutlich gewachsenen Polestar 2: Er ist etwas höher, die klassischen, gestreckten Limousinen-Proportionen passen nicht mehr. Aufgrund des langen Radstands von 3,10 Metern fällt auch der hintere Überhang zu kurz aus, um als „klassische“ Limousine durchzugehen. Aber für ein SUV-Coupé ist das Auto zu flach. Ganz genau einordnen lässt sich der ES90 nicht.

Dafür ist die Designsprache aber wohl bekannt: Die geschlossene Front und die Scheinwerfer erinnern stark an den EX90, auch am Heck wird der SUV-Bruder zitiert. Es gibt zwar bei den Heckleuchten auch eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Vorgänger, doch beim ES90 haben die Designer auch die Volvo-typischen, senkrechten Leuchten übernommen – an den Seiten der Heckscheibe.

Viel wichtiger als derartige Design-Details sind aber die Neuerungen unterm Blech – denn auch hier gibt es relevante Unterschiede zum bekannten EX90. Das Geheimnis hinter der Änderung bezeichnen die Schweden als „Superset-Technologiepaket“. Dieses besteht aus einem einzigen Satz von Hardware- und Softwaremodulen, die allen kommenden Elektroautos zugrunde liegen werden. Und es ermöglicht Volvo, die einzelnen Module laufend zu aktualisieren – im Falle der Software per OTA-Update, bei der Hardware ist das natürlich nicht möglich.

Bis zu 350 kW Ladeleistung dank 800 Volt

Das Ergebnis: „Der ES90 repräsentiert den neuesten Stand der elektrischen Systeme und der Batterietechnologie. Unsere neue 800-Volt-Technologie feiert im ES90 ihr Debüt und trägt dazu bei, schnelleres Laden, eine bessere Gesamtleistung und mehr Effizienz zu erreichen“, teilt Volvo mit. An einer 350-kW-Ladesäule soll der ES90 Strom für 300 Kilometer in zehn Minuten nachladen können – bei einer Gesamtreichweite von bis zu 700 Kilometern. Während eine solche Formulierung mit „an einer 350-kW-Ladesäule“ üblicherweise von PR-Abteilungen genutzt wird, um die tatsächliche Ladeleistung zu kaschieren, trifft dieser Wert hier genau zu: Mit der großen Batterie der Allrad-Modelle liegt die maximale DC-Ladeleistung bei 350 kW. Der etwas kleinere Akku des Hecktrieblers kann mit immerhin 300 kW geladen werden. Die Ladezeit soll in beiden Fällen rund 20 Minuten betragen – von zehn auf 80 Prozent.

Das liegt auch an der leicht unterschiedlichen Größe. Der ES90 Single Motor mit einem 245 kW starken Elektromotor an der Hinterachse hat einen 92 kWh großen Akku im Unterboden, wovon 88 kWh netto nutzbar sind. Das soll für 650 Kilometer im kombinierten WLTP-Zyklus oder 700 Kilometer nach dem chinesischen CLTC reichen. Die beiden Allrad-Varianten haben einen 106-kWh-Akku mit 102 kWh nutzbarem Netto-Energiegehalt. Hier gibt Volvo für beide Varianten 700 Kilometer nach WLTP und 740 Kilometer nach CLTC an.

ES90 Single MotorES90 Twin MotorES90 Twin Motor Performance
AntriebRWDAWDAWD
Leistung245 kW330 kW500 kW
Drehmoment480 Nm670 Nm870 Nm
Beschleunigung6,9 s5,5 s4,0 s
Höchstgeschwindigkeit180 km/h180 km/h180 km/h
WLTPReichweite650 km700 km700 km
Batteriekapazität92 kWh106 kWh106 kWh
Ladeleistung DC300 kW350 kW350 kW
Ladezeit DC 10-80%20 min20 min20 min
Preis71.990 Euro

Der ES90 Single Motor mit der 245-kW-Maschine an der Hinterachse kann dank 480 Nm Drehmoment in 6,9 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen. Der 330 kW starke ES90 Twin Motor schafft das mit 670 Nm Drehmoment in 5,5 Sekunden, wobei der hintere Antrieb hier 200 kW und der vordere 130 kW leistet. Das Topmodell bildet der ES90 Twin Motor Performance, der auf satte 500 kW Systemleistung kommt, also 680 PS in der „alten“ Welt. Bei dieser Version kommt bereits der Motor an der Vorderachse auf 220 kW, an der Hinterachse sind es 280 kW. Das System-Drehmoment summiert sich auf 870 Nm, was in einem Standard-Spurt auf 100 km/h in 4,0 Sekunden resultiert. Die Höchstgeschwindigkeit aller Volvos ist seit einigen Jahren auf 180 km/h begrenzt, da machen die Schweden auch für ein 500-kW-Modell keine Ausnahme.

In der Mitteilung von Volvo ist zu der verbauten Technik im ES90 erstaunlich wenig zu lesen. Andere Hersteller würden hervorheben, dass es das bisher stärkste Modell der Firmengeschichte ist. Natürlich erwähnt Volvo bei dem Elektroauto die 700 Kilometer Reichweite und die grundlegenden Fakten zum Schnelllade-System des ES90. Stattdessen werden das erwähnte Superset, die Zwei-Kammer-Luftfederung und das niedrige Geräuschniveau im Innenraum hervorgehoben. „Der Volvo ES90 ist unser nächstes Premium-Elektroauto, das für ein Leben in Balance entwickelt wurde und Sicherheit, Technologie und Vielseitigkeit in der schlanken Form einer modernen Elektrolimousine bietet“, so Volvo.

„Der ES90 ist das erste Volvo Fahrzeug, das von einer dualen NVIDIA DRIVE AGX Orin Konfiguration betrieben wird. Damit ist er das leistungsstärkste Fahrzeug, das wir je in Bezug auf die Core-Computing-Kapazität entwickelt haben“, sagt Anders Bell, unser Chief Engineering and Technology Officer. „Dies ermöglicht es uns, die Messlatte für Sicherheit und Gesamtleistung durch Daten, Software und KI weiter anzuheben.“

Für die Kunden geschieht die meiste Interaktion mit der Software über den 14,5 Zoll großen Touchscreen in der Mitte, der mit einem Snapdragon-Chip von Qualcomm betrieben wird. Darauf laufen die aktuellen Google-Apps, aber auch das Entertainment, die Klimasteuerung und Telefonsteuerung. Für den Fahrer gibt es – wie im EX90 – noch ein sehr flaches Neun-Zoll-Cockpitdisplay mit allen wichtigen Infos.

Rund um den Innenraum betont Volvo zum Beispiel noch das optionale Soundsystem von Bowers & Wilkins mit 25 Lautsprechern, den Asthmatiker- und Allergiker-freundlichen Luftfilter der Klimaanlage (95 Prozent der PM2.5-Partikel und 99,9 Prozent der Pollen sollen herausgefiltert werden) und auch das Panorama-Glasdach mit 99,9 Prozent UV-Filter. Optional gibt es eine elektrochrome Variante, bei der auf Knopfdruck die Transparenz des Glases eingestellt werden kann.

ES90 ist ab sofort bestellbar

Zudem werden die Platzverhältnisse dank der 3,10 Meter Radstand hervorgehoben. Insgesamt ist der ES90 glatte fünf Meter lang, ohne Spiegel 1,94 Meter breit (2,12 Meter mit Spiegel) und 1,55 Meter hoch. Der Kofferraum fasst 424 Liter. Die drei Rücksitze sind einzeln umlegbar – werden alle Rücksitze umgeklappt, steigt das Ladevolumen auf 733 Liter. Unter der Fronthaube gibt es noch einen 22 Liter großen Frunk, etwa für das Ladekabel.

„Der Volvo ES90 kombiniert unsere fortschrittlichsten Technologien mit skandinavischem Design und überragendem Komfort. So entsteht ein echtes Premium-Fahrzeug von Volvo, das Ihre Lebensqualität steigert“, sagt Jim Rowan, unser CEO. „Er ist neben dem EX90 SUV eines unserer Flaggschiff-Modelle und festigt unsere Position als Branchenführer bei softwaredefinierten Autos, die die Leistung von Kerncomputern nutzen.“

Mit seiner Weltpremiere kann der ES90 ab sofort in Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, der Schweiz, Spanien, der Tschechischen Republik, Ungarn und dem Vereinigten Königreich bestellt werden. Weitere Märkte werden im Laufe dieses Jahres und bis ins Jahr 2026 hinzukommen.

Für Deutschland nennt Volvo einen Preis von 71.990 Euro für den Hecktriebler. Auf der Volvo-Website ist der Konfigurator inzwischen freigeschaltet, es kann aber nur der ES90 Single Motor bestellt werden – die Preise für die Allradler sind noch nicht bekannt. Beim ES90 Single Motor gibt es für den genannten Preis von knapp unter 72.000 Euro die Core-Ausstattung. Der Plus startet bei 75.990 Euro, das Top-Modell Ultra ist mit 83.990 Euro angegeben.

media.volvocars.com (Presseinfo), volvocars.com (Konfigurator)

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