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InterviewBatterie

Wie Batteriesysteme nachhaltiger werden können – Acht Fragen an Hans Beyer von Webasto

Bei der Entwicklung eines Batteriesystems für ein Elektroauto gibt es mehr zu bedenken als nur die Reichweite und den Preis. Wichtige Faktoren sind auch die Herkunft der Rohstoffe, die Sicherheit, Nachhaltigkeit und die Ladeleistung. Hans Beyer von Webasto erläutert die Trends bei der Entwicklung innovativer Batteriepacks.

Bei der optimalen E-Auto-Batterie sind für Kunden vor allem drei Faktoren wichtig: die Reichweite (also auf die Batterie bezogen der Energiegehalt), wie schnell der Akku geladen werden kann und indirekt was die Batterie kostet – als teuerstes Bauteil hat sie spürbaren Einsfluss auf den Fahrzeugpreis.

In der Entwicklung ist die Sache aber ungleich komplexer, denn dabei müssen weitaus mehr Faktoren berücksichtigt werden. Wie groß und wie schwer darf das Batteriepack im Fahrzeug maximal sein? Wie werden die Batteriezellen in das Pack integriert? Wie wird die Sicherheit der Batterie und des Fahrzeugs im Crashtest und darüber hinaus sicher gestellt? Wie wichtig ist eine einfache Reparatur? Wie nachhaltig soll die Batterie werden, welche Transportwege der Komponenten sind zu berücksichtigen? Und wie einfach soll die Batterie am Ende ihrer Nutzung zu recyceln sein?

Dabei gibt es keine allgemein gültige, optimale Lösung – sondern nur den bestmöglichen Kompromiss je nach dem gewünschten Schwerpunkt. Ein Beispiel: Mit modernen Cell-to-Pack-Konzepten kann zum Beispiel die Energiedichte erhöht werden, die Reichweite steigt. Dafür werden die Batteriezellen aber oft fest verklebt, die Reparatur einer defekten Zelle ist nur mit sehr viel Aufwand möglich, auch das Recycling wird erschwert. Sind hingegen diese Faktoren wichtig, kann ein „klassisches“ Batteriekonzept mit Modulen passender sein.

Wir haben uns im Vorfeld der internationalen Konferenz Advanced Battery Power am 02.&03. April in Aachen mit Hans Beyer vom Zulieferer Webasto über die Entwicklungstrends bei Batteriesystemen unterhalten. Denn Webasto ist nicht nur beim Thermomanagement oder im Bereich der Fahrzeugdächer aktiv, sondern auch bei den Batteriesystemen ein wichtiger Player in der Branche.

Herr Beyer, Sie leiten das europaweite Entwicklungsteam für die Systemintegration von Batteriezellen bei Webasto. Bei der Zelltechnologie ist der Vorsprung der asiatischen Hersteller bekanntlich groß, vor allem bei der Industrialisierung. Können wir Europäer bei den Innovationen rund um die Batteriepacks hingegen mithalten?

Für die Entwicklung und Industrialisierung von Batteriepacks haben wir in Europa ganz andere Voraussetzungen als bei der Zelle. Unser gewachsenes Ökosystem an Automobil-Zulieferbetrieben verfügt über die nötigen Entwicklungs- und Industrialisierungskompetenzen in den Bereichen Mechanik, Thermo und Elektrik/Elektronik, um hier innovativ und erfolgreich zu sein. Entscheidend ist, die Transformation hin zur Elektromobilität gemeinsam mit den Automobilherstellern entschlossen zu gestalten.

Welche Rolle spielen die Eigenschaften einer Batteriezelle, wenn es um das Design eines optimalen Batteriemoduls oder -packs geht? Ist es also ein Vorteil, wenn ein Hersteller wie BYD seine Batteriezellen genau auf seine Fahrzeuge anpassen kann?

Konzerne mit einer hohen vertikalen Integration wie BYD haben unbestritten Vorteile bezüglich time-to-market durch den Wegfall externer Schnittstellen. Die Fokussierung auf die hauseigene Zelltechnologie begrenzt aber auch deren Spielraum, während Automobilhersteller und Batteriesystemanbieter wie Webasto, die über keine eigene Zellproduktion verfügen, aus dem Gesamtportfolio verschiedener Zelltechnologien und -formate schöpfen können, um den perfekten fahrzeugspezifischen Fit herzustellen.

Worauf liegt der aktuelle Fokus Ihrer Arbeit? Kann man es auf die simple Formel „Mehr Energiegehalt, geringere Kosten“ herunter brechen?

Das sind natürlich zwei wichtige Faktoren, jedoch längst nicht die einzig relevanten. Zum Beispiel können zugunsten der Schnellladefähigkeit durchaus Abstriche bei der Energiedichte sinnvoll sein, da dann oft eine Batterie mit weniger Energieinhalt ausreicht, was sich wiederum positiv auf Kosten und Ressourcenverbrauch auswirkt. Dies auch als Beispiel, dass es bei aller Notwendigkeit, Kosten zu senken, ganz entscheidend ist, dass dies auf smarte Art und Weise, und ohne Einbußen bei Qualität oder Sicherheit, geschieht. Beispielsweise lässt sich durch ein hohes Verständnis der Anforderungen und passgenaues Engineering der Ressourcenverbrauch pro Batterie optimieren. Auch kurze Transportwege durch Produktion nah bei unseren Kund*innen – wie etwa in unserem Batteriewerk in Dangjin (KR) – sparen Kosten und machen unsere Produkte nachhaltiger.

Welche Rolle spielt die Zellchemie bei der Systemintegration?

Die Zelle ist das Herzstück eines jeden Batteriesystems. Zellchemie und -format definieren maßgeblich die elektrischen, mechanischen, thermischen und Sicherheits- Anforderungen an Modul- und Packdesign. Und auch für die Wahl des jeweils sinnvollsten Zellformats ist letztlich die Zellchemie bestimmend. Daher ist ein tiefgreifendes Verständnis der Zellchemie auch für Batteriesystemanbieter wie Webasto, für die Batteriezellen auf den ersten Blick „nur“ Kauf- oder Setzteile sind, unerlässlich.

Besonders freue ich mich übrigens darauf, am 2. April auf der Advanced Battery Power über den Einfluss der Zellchemie auf die Ökobilanz eines Batteriepacks zu diskutieren.

In preiswerteren Klein- und Kompaktwagen sind Lithium-Eisenphosphat-Batterien im Kommen, weil sie robuster und vor allem günstiger sind. Allerdings ist bei LFP die Performance bei niedrigen Temperaturen ein Thema. Das lässt sich zwar mit einer Batterieheizung beheben, doch die sparen sich einige Hersteller bei den günstigen Kleinwagen. Ist das nicht am falschen Ende gespart? Über welche Kosten reden wir hier?

Bei der Vielzahl an technischen Lösungen fürs Thermomanagement ist die Kostenfrage kaum pauschal zu beantworten – aber in nahezu jedem Fall zahlt sich ein ans Nutzungsprofil angepasstes Heiz- und Kühlsystem aus, ganz besonders hinsichtlich der aktuell zunehmenden Verfügbarkeit von Batteriezellen, die bei entsprechender Vorkonditionierung Laderaten von über 4C ermöglichen. Gerade für Kleinwagen mit LFP-Batterien ist es relevant, dieses Potential auch auszuschöpfen, denn bei einer Ladezeit von unter 15 Minuten wird ein Kleinwagen mit einer 50 kWh Batterie auf einmal langstreckentauglich. Außerdem beinhaltet eine Batterievorkonditionierung technisch eine Standheizung, und die bietet einen Mehrwert besonders für kostenbewusste Nutzer*innen ohne Garagenstellplatz. Mit langjähriger Expertise im Thermomanagement kann Webasto hier natürlich punkten.

Wohin gehen mittel- und langfristig die Trends bei der Batterie-Integration in die Fahrzeuge? Aktuell scheint die Energiedichte enorm wichtig, Trends wie Cell-to-Chassis zeigen das. Allerdings sind die hochintegrierten und oft verklebten Batteriepacks dann viel komplexer im Recycling. Wird es da ein Umdenken geben?

Hochintegrierte Packs bieten neben der Energiedichte viele weitere Vorteile, ermöglichen Einsparungen bei Material und Fertigungsschritten, was sowohl der Ökobilanz als auch den Kosten zugute kommt. Gleichzeitig ist die Batterierecyclingindustrie noch in der frühen Aufbauphase ihrer Technologien und Kapazitäten. Entscheidend wird in jedem Fall, schon beim Produktdesign die zukünftigen Fertigkeiten der Recyclingpartner*innen zu antizipieren – und die beinhalten auch den Umgang mit Klebeverbindungen. Nur eine intensive Zusammenarbeit über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg wird die Gesamtkonzepte mit der besten Ökobilanz hervorbringen.

Die meisten europäischen Hersteller fokussieren sich darauf, „ihre“ Batterie bestmöglich ins Fahrzeug zu integrieren – als wettbewerbsdefinierende Komponente. Was ist ihre Meinung zum Batterietausch? Hat das mit einigen Standard-Batterieformaten eine Chance oder bleibt die optimal ins Fahrzeug integrierte Batterie überlegen?

Innerhalb der Konzerne wird die Standardisierung der jeweiligen Batterieplattformen sicher weiter an Bedeutung gewinnen. Eine konzernübergreifende Standardisierung sehe ich hingegen allenfalls in Spezialanwendungen wie mobilen Maschinen als realistisch. Bei den mittlerweile erreichbaren Standards in Qualität und Lebensdauer von Batterien sowie den immer kürzeren Ladezeiten, schrumpfen die Vorteile des Batterietauschs für Pkw zusehends.

In Ihrer Zeit an der TU München waren Sie auch Mitbegründer eines Start-ups, das maßgeschneiderte Skier entwickelt und produziert. Wie können Sie ihre Erfahrungen im Startup-Management in ihre heutigen Aufgaben in der Batterieentwicklung einbringen?

Mit dem eigenen Startup mussten wir erstmal ein für Europa neues Marktsegment etablieren und als Underdog eine funktionierende Lieferkette aufbauen. Als ich 2018 bei Webasto Batteries anfing, mussten wir uns auch hier zuerst unser Right to Play erarbeiten und die Versorgung mit den passenden Batteriezellen sicherstellen. Beide Male waren Pioniergeist, Durchhaltevermögen und ein gewisses Maß an Resilienz erforderlich – und all dies wird auch für die Zukunft der Elektromobilität mit ihren weiterhin turbulenten technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen von Vorteil sein.

Das Interview ist Teil der Medienpartnerschaft von electrive mit der „Advanced Battery Power“ vom 01. bis 03. April in Aachen. Der Vortrag von Hans Beyer findet am 02. April um 10:55 Uhr im Europa-Saal statt.

5 Kommentare

zu „Wie Batteriesysteme nachhaltiger werden können – Acht Fragen an Hans Beyer von Webasto“
Peter
07.03.2025 um 07:36
Mich hätte noch interessiert, wie er die Möglichkeit zum Tausch einzelner schwacher/defekter Zellen sieht, um die Lebensdauer der gesamten Batterie zu verlängern . Als Laie würde ich schätzen, dass solche potenziell kosteneffizienten Batteriereparaturmaßnahmen maßgeblich vom Design des Batteriepacks abhängig ist.
Kaban87
08.03.2025 um 04:36
In Pkw ist es wichtiger mit Cell-To-Pack und Pack-To-Open-Body so effizient wie moeglich zu sein, denn heutige Batterien halten ohnehin mindestens eine halbe Million Kilometer. Bei Pkw ist es also egal ob alles verklebt ist, denn kaum ein Deutscher kauft 12 Jahre alte Gebrauchtwagen mit 300 tkm Laufleistung. Dann eine neue Batterie einzusetzen ist aehnlich teuer wie einen jungen Gebrauchtwagen bzw Leasingruecklaeufer zu kaufen. Bei Nutzfahrzeugen will man aber Module und mehrere Millionen Kilometer.
Mike
07.03.2025 um 07:52
Besonders nachhaltig würde ich es sehen, wenn von Anfang an daran gedacht wird, dass die Batterien später durch bessere ersetzt werden könnten. Heißt also, dass die zugehörige Elektronik auch einfach und günstig ersetzbar sein müsste. Ist zwar nett, aber solange der Staat/die EU da keine Vorgaben macht, wird das nicht passieren.
Kaban
08.03.2025 um 04:46
Ich arbeite seit einem Jahrzehnt in der Batterieindustrie und was du schreibst klingt logisch, aber das macht nur Sinn, wenn es um Nutzfahrzeuge geht. Bei Pkw kostet die Modularitaet Platz und damit Reichweite. Es ist teuer und kompliziert ein kaputtes Modul gegen ein neues Modul zu tauschen. Die Batterien halten sowieso eine halbe Million Kilometer und damit laenger als deutsche Kunden sie fahren. Wir haben hier noch Prototypen von 2013 auf dem Firmengelaende mit denen wir immer noch zum Mittagessen fahren, die gehen einfach nicht kaputt. Keiner von denen.
Martin Plöckinger
07.03.2025 um 08:58
Dass weniger Energieinhalt bzw. ein Kleinwagen mit 50kWh für die Langstrecke ausreicht, ist graue Theorie. Kleine Unternehmen und auch Privatbesitzer wollen ihr Fahrzeug an der eigenen PV laden und nicht für 50+ Cent/kWh am Schnelllader. Dann können Sie nämlich gleich wieder Diesel fahren und kommen bei den Energiekosten günstiger weg.

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