
Juniper im Test: Wie Tesla das Model Y auf Komfort getrimmt hat
Muss sich Tesla neuerdings verstecken? Es scheint fast so, denn beim Blick von vorn auf das neue Model Y Juniper sucht man eines vergebens – ein Logo oder einen Schriftzug der Marke. Der glatt geschliffenen und äußerst modern wirkenden Front mit ihrem Leuchtband über die gesamte Breite kommt das natürlich zugute. Von den eigenwilligen Wölbungen des Vorgängers ist jedenfalls nichts mehr zu sehen. Auch am Heck herrscht Klarheit. Die gesamte Partie wirkt wie aus einem Guss – und ist es praktisch auch. Denn die Rückleuchten sind komplett in die Heckklappe integriert. Was den Vorteil hat, dass die Zeiten nicht perfekter Spaltmaße vorbei sind. Ebenso nahtlos fügt sich die LED-Bar ein, die nachts einen roten Schein auf die Heckansicht wirft.
Auch im Innenraum ist das Tesla Model Y mit dem Juniper-Facelift endlich erwachsen geworden. Hochwertige Materialien, akzentuierte Flächen und der Verzicht auf billigen Plastik-Look lassen das Elektroauto auch hier deutlich hochwertiger erscheinen als es beim Vorgänger der Fall war. Die Verarbeitung (und die Sitze) können sich ebenfalls sehen (und fühlen) lassen. Designer und Ingenieure haben das ohnehin schon gute Elektroauto – das Model Y war nicht umsonst 2023 und 2024 das meistverkaufte Auto der Welt – zu einem sehr guten Elektroauto geformt. Und das Beste: Anders als beim Model 3 Highland, das der Autor sonst im Alltag bewegt, gibt es einen Blinkerhebel – und im Kreisverkehr dadurch endlich wieder Signale. Auch wenn dafür in anderen Momenten der Testfahrt nun häufiger der Scheibenwischer bei strahlendem Sonnenschein aktiv wird. Denn wo beim Model 3 Highland geblinkt wird, wird im Model Y Juniper nun gewischt.
Komfort-Plus innen wie außen
Der Komfort-Gewinn ist auch beim Fahren spürbar: Wo früher jede den Straßenbelag wölbende Wurzel Brandenburgischer Alleebäume die Wirbelsäule des Fahrers malträtiert hat, schaukelt es jetzt nur noch sanft. Gegenüber dem straff abgestimmten Model 3 Highland ist das Model Y Juniper ein rückenfreundlicher Alltagsbegleiter. Das Fahrwerk ist natürlich noch weit weg von mancher deutscher Luftfederung, aber eben auch kein Rowdy mehr. Zudem geht’s jetzt deutlich ruhiger zu, dank besserer Abdichtung und doppelter Verglasung. Windgeräusche haben spürbar abgenommen. Auch die Lenkung fühlt sich konkreter an als früher, was an der veränderten Aufhängung der Vorderräder liegen dürfte.
Im Alltag ebenfalls äußerst praktisch ist die elektrisch verstellbare (geteilte) Rücksitzbank. Die lässt sich selbst aus dem Kofferraum per Schalter bedienen, fährt runter – und eben auch wieder hoch. Das ist ein weiterer Unterschied zum Vorgänger, denn da mussten die Lehnen wieder manuell hochgeklappt werden. Hier wird sich also mancher faule Rücken freuen, das bis zu 2.140 Liter große Ladevolumen so einfach managen zu können. In der Preisklasse – unser Testwagen aka die „Launch Series“ startet bei 60.990 Euro, das „reguläre“ Model Y mit diesem Antrieb bei 52.990 Euro – findet man solche Features in Serie eher selten. Ebenfalls nützlich ist auch das neue Display in der zweiten Reihe. Kann doch, wer rechts hinten sitzt, im Parkmodus den Beifahrersitz bei Bedarf nach vorne surren lassen. Ein großer Spaß für Geschwister, so viel sei verraten. Allerdings nur für die/den, die/der hinten sitzt.










Auch die digitale Begleitung hat sich weiterentwickelt. So fragt das Bordsystem bei gleichbleibender Autobahnfahrt gelegentlich, ob man nicht den Autopilot aktivieren möchte. Wie aufmerksam! Apropos aufmerksam: Im autopilotierten Fahren reicht dann auch ein kurzer Blick aufs Mobiltelefon, um zur Ordnung gerufen zu werden. Hier fackelt Tesla nicht mehr lange. Freundlicher ist dagegen die neue Ankunftsenergievorgabe, die man jederzeit bei aktiver Routenführung ändern kann.
Keine Glanzleistung am Supercharger
Wenig getan hat sich dagegen an der Hardware. Der knapp 4,80 Meter lange Elektro-Crossover kommt zwar auf dem Papier (aka WLTP) auf eine Reichweite von 568 Kilometer – und das sogar auf den neuen 20-Zoll-Felgen (586 km mit den 19-Zöllern) – aber im Alltag wirken sich die 35 Kilometer mehr kaum aus. Zumal am Supercharger das bekannte Verhalten zu beobachten ist: Zum Start legt das Model Y kräftig los, die Ladekurve fällt aber schon nach kurzer Zeit auch wieder stark ab. Bei unserem Test hat der warme Akku (bei winterlichen Außentemperaturen auf der Autobahn zuvor auf 3 Prozent Ladestand runtergefahren) nach kurzer Zeit seinen Peak bei 234 kW erlebt und dann langsam abgeregelt. In der Praxis sind also die üblichen rund 30 Minuten am Supercharger für einen Langstrecken-Hub auf etwa 80 Prozent zu erwarten. Das ist weiterhin praxistauglich, aber viele andere Hersteller (ob deutsche, koreanische oder chinesische) bieten hier inzwischen ein höheres Tempo. Dass Tesla seinem 400-Volt-System treu geblieben ist, kann hier nicht als Komfortgewinn verbucht werden, sondern als Persistenz.
Und der Verbrauch? Je nach Fahrweise, Dynamik und Verkehr war von 17,5 bis 26,3 Kilowattstunden auf 100 Kilometer alles dabei. Der Bordcomputer zeigte bei Rückgabe für die zurückliegenden 800 Kilometer einen Durchschnittsverbrauch von 21,7 kWh an. Das ist solide für ein E-Auto dieser Größe, aber anders als noch vor ein paar Jahren auch keine Benchmark mehr.
Fazit
Das Tesla Model Y Juniper ist keine Revolution, aber die wichtige Evolution des nach wie vor beliebtesten Elektroautos der Welt. Alle Bereiche wurden sinnvoll und nachhaltig überarbeitet. Im Alltag wird einem mit diesem Auto nichts fehlen. Der Komfort stimmt, die neue Optik ist vorne dynamisch-modern und hinten üppig-satt. Und dazu gibt es mit dem Supercharger-Ladenetz und der sehr guten Smartphone-App noch immer das ausgereifteste Ökosystem. Ob das neue Model Y an die Erfolge des alten anknüpfen wird, entscheidet (zumindest in Europa) ohnehin wohl nicht das Auto – sondern das Gebaren von Elon Musk.
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